Weil er vor Gericht angab, das in seiner Wohnung sichergestellte Marihuana aus medizinischen Gründen konsumiert zu haben, blieb einem 49-jährigem Hartz-IV-Empfänger ein weiterer Knastaufenthalt erspart.
Eine Aufzuchtstation mit 21 Cannabispflanzen, eine abgeerntete Pflanze und 12,7 Gramm Marihuana hatten Polizeibeamte am 27. April in der Wohnung des Mannes gefunden. Am Mittwoch musste sich der „Hobbygärtner“ deshalb am Amtsgericht verantworten, das er trotz 18 Vorstrafen als freier Mann verließ. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten – auf Bewährung. Als Auflage muss der Verurteilte 50 Arbeitsstunden leisten. Die Vorsitzende Richterin folgte in ihrem Urteil dem Antrag des Staatsanwalts, der ebenfalls für eine Bewährungsstrafe plädiert hatte.
Der Angeklagte gab vor Gericht den Vorwurfs des Betäubungsmittelbesitzes „in nicht geringer Menge“ zu. Etwas anderes blieb ihm freilich nicht übrig.
Er leide seit Jahren unter Arthroseschmerzen im Knie sowie unter Depressionen, weil sich seine Partnerin von ihm getrennt habe, gab er zu Protokoll. Alle möglichen Antidepressiva habe er bereits ausprobiert. Doch die würden kaum etwas bewirken und ihn nur müde machen. Ein Joint würde seine Schmerzen lindern und die Depression vertreiben. Zwei Gramm „Gras“ habe er täglich geraucht.
Auf dem Beschaffungsmarkt müsse er 12,50 Euro pro Gramm zahlen – zuviel für einen Hartz-IV-Empfänger. Daher habe er sich zur Aufzucht entschlossen, wobei er zwei unterschiedliche Sorten angebaut habe: eine für den Tag, die nicht müde macht, und die andere für die Nacht.
Mittlerweile sei es in Deutschland erlaubt, Cannabis für medizinische Zwecke zu konsumieren. Es gebe in der Gegend jedoch keinen Arzt, der es verschreibe. Sein Hausarzt auch nicht.
Dass es überhaupt zur Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei gekommen war, hatte sich der Angeklagte selbst zuzuschreiben. Zwischen ihm und Asylbewerbern kam es im Treppenhaus des Wohnblocks zu einem Wortgefecht. Eine Dolmetscherin rief die Polizei, weil sie bei ihrer Ankunft deutlichen Haschischgeruch wahrgenommen hatte, der aus der Wohnung des Angeklagten kam. Denn der hatte sich – wohl zur Beruhigung der Nerven – einen Joint gegönnt und nicht mehr mit dem Polizeibesuch gerechnet.
Seine Drogenkarriere startete der Angeklagte, der zwei Ausbildungen abgebrochen hatte, im Alter von 16 Jahren. Parallel dazu begann auch seine kriminelle Karriere mit einem Diebstahl. Es folgten Verurteilungen wegen Raub, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Betrug und Drogendelikten. Mehrmals saß der zweifache Vater schon hinter Gittern.
Davon blieb er diesmal verschont. Zum einen, weil die jüngste Verurteilung schon fünf Jahre zurückliegt. Zum anderen, weil der Angeklagte beteuerte, sich aus dem kriminellen Milieu verabschiedet zu haben und eine Arbeit in Aussicht zu haben.
Der Staatsanwalt drückte daher ein Auge zu und plädierte auf eine Bewährungsstrafe, die die Richterin übernahm – trotz der „erheblichen Menge und der erheblichen Vorstrafen“. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass der Verurteilte straffrei bleibe, meinte die Vorsitzende.