
Morgens, halb zehn, in einem Garten mitten in Zeil: Die 84-jährige Witwe Eleonore (Name von der Redaktion geändert) jätet gerade etwas Unkraut. Da kommt ein Mann auf ihr Grundstück. Er behauptet, von der Kriminalpolizei zu sein und wedelt mit einem Plastikkärtchen. Was genau darauf steht, kann Eleonore nicht entziffern. Sie ist nicht nur schwerhörig, gebrechlich und braucht einen Gehstock, sondern auch fast blind. Gerade erst ist sie mehrmals operiert worden.
Der angebliche Polizist erzählt etwas von einem Einbruch bei Eleonore, und dass er jetzt sofort nachsehen müsse, was die Täter mitgenommen hätten. Er bringt sie dazu, ihn ins Schlafzimmer zu führen. Drinnen zeigt ihm die alte Dame einen Koffer. In den hat sie als "Überraschung" für ihre Kinder Briefumschläge mit fast 30.000 Euro Bargeld getan. Der Mann beginnt sofort, in dem Koffer zu wühlen. Da wird Eleonore misstrauisch – zumal er das Gepäckstück mitnehmen will, um die Wertsachen "zu sichern". Eleonore aber will das nicht. "Da ließ er seine Maske fallen und wurde rabiat", wird sie später bei der Polizei sagen.
Seniorin ist bis heute traumatisiert
Er schiebt die ihm deutlich unterlegene Seniorin einfach beiseite. Beim folgenden Handgemenge greift er zu einer Sprühdose mit Tränengas. Sekunden später krümmt sich Eleonore vor Schmerzen. "Es hat in meinen Augen gebrannt wie Feuer." Der falsche Polizist hat ausgerechnet ihre Schwachstelle getroffen – die frisch operierten Augen.
Im nächsten Moment ist der Mann bereits auf der Flucht, mit 14.800 Euro. Die andere Hälfte des Bargeldes, die Sparbücher, die Münzen und der Schmuck bleiben zurück. Eleonore schafft es vor die Haustür und schreit verzweifelt um Hilfe. Einige Nachbarinnen eilen herbei und kümmern sich um sie. Körperlich kommt Eleonore ohne Folgeschäden davon. Aber sie kann das traumatische Erlebnis in den eigenen vier Wänden bis heute nicht vergessen.
Unzählige Vorstrafen: Seit 31 Jahren immer wieder vor Gericht
Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Schweinfurt fördern DNA-Spuren, Fingerabdrücke und Video-Aufzeichnungen einer Klingel-Anlage zutage. Zwei Wochen später wird der Mann gefasst – in seinem nicht angemeldeten Zweitwohnsitz in Bischberg. Eine Telefonüberwachung hat zu seinem "Versteck" geführt. Denn eigentlich stammt er aus einer südhessischen Stadt, in der er einen Autohandel betreibt. Der läuft auf den Namen seiner Lebensgefährtin, weil er aufgrund unzähliger Straftaten kein Geschäft mehr führen darf.
Seit 31 Jahren beschäftigt der heute 52-Jährige die Gerichte quer durch die Republik. Meist geht es um Diebstahl und Betrug; manchmal um Sachbeschädigung, versuchte Strafvereitelung oder Gefährdung des Straßenverkehrs; mehrfach aber auch um Nötigung, Beleidigung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Er kann also auch anders. Und er nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Das zeigen eine Verurteilung wegen Missbrauchs akademischer Titel, sein Auftritt als Fake-Polizist und ein dubioser Presseausweis, den man bei ihm findet, obwohl er nicht als Journalist arbeitet.
Geständnis erspart dem Angeklagten die Mindeststrafe
Im Prozess vor dem Landgericht Bamberg tun die beiden Strafverteidiger Maximilian Glabasnia aus Bamberg und Jürgen Dammeyer aus Hannover alles, um ihrem Mandanten die Mindeststrafe von fünf Jahren zu ersparen. Sie raten ihm zu einem Geständnis. Dieses legt der Angeklagte dann auch ab. So bleibt auch der noch heute psychisch angeschlagenen Eleonore die Aussage im Zeugenstand erspart. Im Gerichtssaal wird lediglich ihre Aussage bei der Polizei verlesen.
Eleonore bekommt die gesamte Beute zurück. Zusätzlich übergibt man ihrem Sohn 5000 Euro als Anzahlung auf ein Schmerzensgeld. Das Geständnis führt letztlich auch dazu, dass das Urteil unterhalb der ansonsten geltenden Mindeststrafe bleibt: Die Vierte Strafkammer am Landgericht Bamberg verurteilt den Mann wegen besonders schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Amtsanmaßung zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis.