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Bamberg
Brückenbauer zwischen Religionen und Kulturen
Zur Feierstunde kamen Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (von links), Rabbinerin Antje Yael Deusel, Schatzmeisterin Fiona Atay-Sandyk (beide wurden mit der Israel-Jacobson-Plakette ausgezeichnet) , Dekan Hans-Martin Lecher, Vorsitzende Irith Michelsohn und Bürgermeister Wolfgang Metzner.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Zur Feierstunde kamen Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (von links), Rabbinerin Antje Yael Deusel, Schatzmeisterin Fiona Atay-Sandyk (beide wurden mit der Israel-Jacobson-Plakette ausgezeichnet) , Dekan ...
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 27.10.2023 02:57 Uhr

Das sonntägliche Fest im Betsaal der liberalen jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg am Schillerplatz war "ein Zeichen vorsichtiger Hoffnung in furchtbarer Zeit". So sah es der evangelisch-lutherische Dekan Hans-Martin Lechner, der in seinem Grußwort "in herzlicher Verbundenheit und in Betroffenheit Frieden, Schalom, für alle" wünschte. Tatsächlich konnten sich die Ehrengäste und Gemeindemitglieder in dieser Feierstunde mit Gebetszeit nicht dem aktuellen Drama in Israel entziehen.

Gleichwohl schenkte die Verleihung der Israel-Jacobson-Plakette an Rabbinerin Antje Yael Deusel, an den Vorsitzenden der Gemeinde Israel Schwierz in Abwesenheit – er wartet in Israel auf die Ausreise – und Schatzmeisterin Fiona Atay-Sandyk einen Funken Freude. Diese Auszeichnung ist nach dem Begründer Israel Jacobson (1768 bis 1828) des liberalen Judentums benannt. Die Reformbewegung nahm in der norddeutschen Kleinstadt Seesen ihren Anfang. Heute bekennen sich weltweit rund 1,8 Millionen Menschen zum liberalen Judentum.

Wachhalten der Erinnerung an die Shoa

"Die Auszeichnung mit der Plakette ist eine besondere Ehre und gerade in diesen Zeiten eine Verpflichtung zu einem lebendigen und offenen Judentum in unserem Land", sagte die Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ), Irith Michelson, in ihrer Laudatio. Dass jüdisches Leben in Bayern und Oberfranken seit vielen Jahren nicht nur einen festen Platz habe, sondern dass dieses Bundesland für immer mehr Menschen jüdischen Glaubens zur Heimat geworden sei, "macht uns stolz", bekannte Michelsohn. Engagement für ein jüdisches Leben in Bamberg und das Wachhalten der Erinnerung an die Shoa seien fundamentale Säulen auch des progressiven jüdischen Lebens, welches die Gemeinde Mischkan ha-Tfila verkörpere. "Der interreligiöse Dialog ist essentiell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt", fuhr die Rednerin fort und mahnte an, dass die Lehren aus der Shoa zum Kern der politisch-historischen Bildung an den Schulen gehören müsse: "als Teil unserer Staatsräson".

Irith Michelsohn würdigte die Ausgezeichneten als Brückenbauer zwischen den Religionen und Kulturen mit außerordentlichem Engagement sowie Offenheit zum interkulturellen und interreligiösen Gespräch. Die Vorsitzende der UpJ hob besonders Rabbinerin Deusel hervor, "ohne die es diese Gemeinde nicht gäbe". Mit ihrem Durchhaltevermögen, ihrem großen Herzen, ihrer sozialen Kompetenz habe sie unermüdlich das Angebot jüdischen Lebens in der Stadt und im Landkreis Bamberg ausgebaut – allen Unwegsamkeiten und Kämpfen um Anerkennung zum Trotz. Die Rabbinerin vermittle allen, dass jüdisches Leben in Deutschland selbstverständlich zur Stadtgesellschaft gehört wie das Leben von Bürgern christlichen, muslimischen Glaubens oder anderer Religionen oder einer überzeugten nichtreligiösen Bindung, so Michelsohn.

Spaenle will Schutz in die Verfassung aufnehmen

Ernste Töne schlug Ludwig Spaenle an, Beauftragter der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. Der mörderische Überfall der Hamas auf unschuldige Menschen sei ein "Massenmord, ein Genozid, der einmalige Dimensionen hat und Israel im Kern herausfordert". Spaenle: "Es ist Zeit für Klarheit!" Angesichts eines "unerträglichen Antisemitismus in unserem Land" müsse als Staatsziel der Schutz jüdischen Lebens in die bayerische Verfassung aufgenommen werden, betonte der CSU-Politiker. Und: "Wir müssen für jüdische Menschen Partei ergreifen, nicht nur aus historischer Verantwortung, sondern für jedes bedrohte jüdische Leben." Im Namen der Staatsregierung dankte Ludwig Spaenle der Rabbinerin und den beiden weiteren Geehrten, dass sie in Bamberg und darüber hinaus "ein geistliches Haus gestalten".

Für die Stadt Bamberg drückte Dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner die Wertschätzung der liberalen Gemeinde Mischkan ha-Tfila aus und gratulierte den Ausgezeichneten. Metzner beklagte, dass "die Menschheit leider nicht schlauer wird, furchtbar, was wie 1933 heute passiert". Diesen Worten musste Rabbinerin Antje Yael Deusel, im Hauptberuf promovierte Ärztin, ein bitteres Beispiel anfügen: In diesen Tagen wurde auf dem Praxisschild der Gemeinschaftspraxis unter ihrem Namen ein Hakenkreuz eingeritzt: "Das macht mich persönlich betroffen und weckt Angst um die Sicherheit der Praxisgemeinschaft und der Gemeinde."

Freude über recht junge Gemeinde

Doch die Rabbinerin konnte auch Erfreuliches berichten: Ihre Gemeinde, am 23. September 2016 offiziell gegründet, sei mit einem Durchschnittsalter der 60 Mitglieder von unter 50 Jahren recht jung: Unser jüngstes Mitglied ist anderthalb, unser ältestes Mitte 80." Auch die internationale Zusammensetzung der Gemeinde unterscheide sie von anderen: "Unsere Mitglieder kommen aus Deutschland, England, Amerika, Frankreich, Israel und weiteren Ländern."

Aus Anlass des Doppeljubiläums "250 Jahre liberales Judentum – 25 Jahre Union progressiver Juden in Deutschland" hat die UpJ im vergangenen Jahr deutschlandweit die Israel-Jacobson-Jubiläumsplakette ausgelobt. Mit dieser Auszeichnung würdigt die UpJ das Engagement all derjenigen, die Pioniere beim Aufbau ihrer Gemeinden und Institutionen geworden sind und das Wiedererstarken des liberalen Judentums in Deutschland möglich gemacht haben. Es folgte ein Nominierungsprozess, dessen Ergebnis die Grundlage für die Entscheidung im Vorstand der UpJ gewesen ist, den drei Bambergern die Plakette zu verleihen.

 
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