„Ganze Schulklasse von Auto erfasst – alle Schüler tot“ – so oder so ähnlich hätte eine Schlagzeile lauten können, wenn das Experiment des ADAC Nordbayern realitätsnah ausgeführt worden wäre. Da der Anhalteweg eines 50 Stundenkilometer schnellen Autos im Rahmen der Verkehrserziehung „Hallo Auto!“ allerdings ohne tatsächliche Beteiligung der Schüler ermittelt wurde, haben alle Jungen und Mädchen der 5. und 6. Klasse der Johann-Peter-Wagner-Mittelschule Theres unbeschadet überlebt und viel dazu gelernt.
Kinder wachsen in einer mobilen Welt auf, in der Autos ein wesentlicher Bestandteil ihres Alltags ist. „Dennoch können sie die Risiken nur unzureichend abschätzen“, berichtete der ausgebildete Verkehrserziehen Uwe Hauber vom ADAC bei der theoretischen und praktischen Verkehrserziehung am Schloss in Obertheres. „Deshalb dürfen sie heute reale Verkehrssituationen erleben und dabei mitmachen.“
In zwei Schulstunden wurden die Schüler für die Gefahren sensibilisiert. Im Mittelpunkt stand der Anhalteweg eines Fahrzeugs. „Kinder können nicht abschätzen, wie lange ein Auto benötigt, um anzuhalten. Vor allem dann nicht, wenn sie beispielsweise selbst überraschend über die Straße laufen“, sagte Uwe Hauber und wies darauf hin, dass der ADAC mit dem Verkehrsunterricht „Hallo Auto!“ für fünfte und sechste Schulklassen an nordbayerischen Schulen seit 1997 über 9100 Klassen erreicht hat. Das Besondere: Die Schüler lernen in der Praxis fürs Leben. „Denn erst was die Kinder selbst erlebt haben, bringt einen Lerneffekt“, sagte Uwe Hauber. Der ADAC Nordbayern stelle jährlich über 70 000 Euro zu Verfügung und das Bayerische Innenministerium steuere in Nordbayern mehr als 3000 Euro bei. Unterstützt werde die Aktion auch vom Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband, von den Michelin-Reifenwerken und Opel.
In Obertheres wurden die Jungen und Mädchen, die als Fußgänger, Radfahrer, Skateboarder, Rollerfahrer oder als Mitfahrer in Fahrzeugen am Straßenverkehr teilnehmen, vor allem mit praktischen Übungen geschult. Sie durften auf einer abgesteckten Strecke rennen und messen, wie lange sie zum Anhalten gebraucht hatten – wobei sie allerdings vorher wussten, wo sie stoppen sollten. Dass ihr Anhalteweg länger wurde, als sie erst auf das Flaggenzeichen hin anhalten sollten, überraschte die Kinder. Durch geschickte Fragen und weitere Übungen in „Zeitlupe“ wurde ihnen klar, dass sie zum Anhaltweg neben dem Bremsweg auch den Reaktionsweg zählen müssen. „Die Information, dass ich anhalten soll, muss erst vom Auge an das Gehirn und dann über die Nerven an die Beine geleitet werden“, erklärte Uwe Hauber. „Das dauert!“ Den Schülern war klar, dass es auch von der Geschwindigkeit abhängt, wie lange es braucht, bis ein Rennender steht. Außerdem spielen die Schuhe – beim Fahrzeug die Reifen – eine Rolle. Denn wer glatte Schuhe trägt, braucht länger beim Bremsen. Gemeinsam bildeten die Schüler anhand von Schildern die Formel „Reaktionsweg plus Bremsweg ist gleich dem Anhalteweg“, die sie übten, bis sie sich fest eingeprägt hatte.
Im weiteren Verlauf wurden die Erfahrungen auf das Auto übertragen. Die Schüler durften schätzen, wo das Auto anhalten würde, wenn es bei trockener Fahrbahn bei Tempo 50 plötzlich bremsen muss. Dabei lagen sie allerdings völlig falsch, weil sie den Anhalteweg viel zu kurz bemessen hatten. „Ihr wärt alle überfahren worden, wenn Ihr über die Straße gelaufen wärt“, verdeutlichte Uwe Hauber. Zum Schluss erlebten die Schüler als Beifahrer, wie wichtig das Anschnallen im Auto ist, als Uwe Hauber bei Schrittgeschwindigkeit eine Vollbremsung machte. Besonders beeindruckend war für die Kinder, als ein „Dummy“ unangeschnallt auf dem Beifahrersitz saß, und bei der Vollbremsung gegen die Scheibe knallte.
Die Aktion „Hallo Auto!“ wird auch heuer an zahlreichen weiteren Schulen im Heimatkreis Station machen.