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Wernsdorf
Breite Resonanz auf den "Leuchtturm"
Thomas Spindler leitet ehrenamtlich das „Projekt 2025-Arche Musica“.
Foto: Matthias Hoch | Thomas Spindler leitet ehrenamtlich das „Projekt 2025-Arche Musica“.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 25.11.2021 02:22 Uhr

Noch immer herrscht in so manchen fränkischen Dörfern und Städten Schweigen über die einstigen jüdischen Nachbarn vor 1945. Doch die jetzt im Herbst 2021 laufende Veranstaltungsreihe „Guter Ort – Begegnungen mit jüdischer Geschichte“ hat zumindest in ihren Schauplätzen Scheßlitz, Schlüsselfeld, Heiligenstadt und Lichtenfels etwas aufgebrochen. Nämlich „die große Sehnsucht, mehr über die jüdische Geschichte und Gegenwart zu erfahren“, wie Mitveranstalter Thomas Spindler beim kulturpolitischen Abschluss der Reihe am Freitagnachmittag im Kulturschloss Wernsdorf sagte.

Denn „in der Bevölkerung ist nur wenig Wissen vorhanden“. Und durch dieses Angebot „sind wir reicher geworden an Heimatwissen“, ergänzte Rosa Karl vom kooperierenden Bildungsbüro des Landkreises Bamberg. Zwischen 1200 und 1300 Teilnehmer seien vor Ort gewesen, tausende Seitenaufrufe „von Finnland bis Israel“ der jeweiligen Streamings hätten gezeigt, dass die Veranstaltungen „eine Begegnung mit dem lebendigen Hier und Jetzt ermöglicht haben“, so Rosa Karl.

Landrat Johann Kalb zeigte sich dankbar, dass diese Reihe als Beitrag zum Jubiläumsjahr 2021 „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im Landkreis Bamberg „in dieser Größe so einmalig war“. Bei den erschreckenden Tendenzen hin zu Antisemitismus und Rassismus in Europa sei es unabdingbar, „deutlich Farbe zu bekennen und nach draußen zu tragen, wie wichtig das Zusammenleben mit unseren jüdischen Mitbürgern ist“, betonte Kalb.

Sylvia Löhrmann, Generalsekretärin des Trägervereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, machte den „großen Erfolg des Jubiläumsjahres mit über 2000 Veranstaltungen bundesweit“ am Föderalismus und an der Zivilgesellschaft fest: „Bei allem Erschrecken über den lauten Antisemitismus gibt es die Bereitschaft, sich mit dem Judentum auseinanderzusetzen.“ Zumal gerade auch die Veranstaltungsreihe im Landkreis Bamberg gezeigt habe, dass Begegnungen zwischen Juden und Nicht-Juden eine beiderseitige Haltung der Neugierde und Freude entwickelten.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann dankte der Familie Spindler, „die Hervorragendes initiiert hat“. Jüdisches Leben müsse „in unserem Land weiter wachsen und darf nicht konserviert werden“. Dabei sollten sich „unsere jüdischen Mitbürger sicher fühlen“, so der Innenminister. Dazu gehöre, dass „wir Stopp sagen, auch wenn Migranten den Antisemitismus aus ihren Heimatländern auf unsere Straßen bringen“.

Schirmherr der Reihe im Landkreis Bamberg war Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. In seinem Grußwort an die Gäste des Abschlusses in Schloss Wernsdorf würdigte Spaenle die Herbstreihe als „vorbildhaften Leuchtturm“: „Sie haben damit Bevölkerungsteile erreicht, die sonst dem Thema Judentum fern stehen.“ Überhaupt sei Wissensvermittlung wichtig. Ludwig Spaenle wurde deutlich: „Antisemitismus, Judenhass ist dumm, glaubt jeden Blödsinn!“

Gemeinsam bewältigen

Hauptredner und erstmals in Franken war Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. Die Reihe „Guter Ort“ mit ihrer Mischung aus Vorträgen, Musik, Lesungen und Friedhofsführungen habe gezeigt, dass „die Gestaltung einer lebendigen, ansprechenden Erinnerungskultur und die Bekämpfung von Judenhass zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind, die Staat und Zivilgesellschaft nur gemeinsam bewältigen können“, erklärte Felix Klein.

Geschichtsverfälschung und Leugnung der Shoah, eine Verharmlosung des Nationalsozialismus‘, unverblümter Antisemitismus durch „eine erschreckend hohe Anzahl von Menschen“ müssten zur Kenntnis genommen werden, beklagte der Redner. Die Bundesregierung setze bei der Bekämpfung dieser Auswüchse auf konsequente Strafverfolgung sowie Prävention zum Beispiel in den Schulen, auf neue Bildungsformate etwa in den Gedenkstätten oder Förderung von Maßnahmen zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Kräfte.

Bundesbeauftragter Felix Klein führte die Gestaltung einer lebendigen Erinnerungskultur und die Bekämpfung von Judenhass als zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe an.
Foto: Matthias Hoch | Bundesbeauftragter Felix Klein führte die Gestaltung einer lebendigen Erinnerungskultur und die Bekämpfung von Judenhass als zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe an.

Deutsch-jüdische Musik

Bundesbeauftragter Felix Klein ist auch Schirmherr des vom Kulturschloss Wernsdorf initiierten „Projekt 2025 – Arche Musica“. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die jüdisch-deutsche Musik von 1890 bis 1945 in einer digitalen Bibliothek zu sammeln und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen: „Das Projekt geht weit über den Wert der Musik hinaus, die es vor dem Vergessen rettet“, so Klein. Es wahre die Erinnerung an Lebensschicksale, die mit dieser Musik verbunden waren, und die konkreten Umstände, unter denen die Stücke entstanden und aufgeführt wurden.

Ehrenamtlicher Projektleiter ist Thomas Spindler, der von seinem Bruder Andreas unterstützt wird. Kooperationspartner des vom Auswärtigen Amt und Stiftungen geförderten Projekts sind  Gila Flam, Direktorin des Musikarchivs der Israelischen Nationalbibliothek in Tel Aviv und Danny Donner, Leiter des Konservatoriums an der Tel Aviv School of Arts. Im Juli 2022 soll die erste Version dieser barrierefreien, kostenlosen Onlineplattform in Deutsch, Englisch, Hebräisch mit Noten und Musikstücken veröffentlicht werden. Bereits im Mai 2022 wird es eine gedruckte, 300 Seiten umfassende Neuausgabe des historischen „jüdisch-deutschen Liederbuch von 1912“ des Autors Avraham Idelsohn geben.

 
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