Ob fruchtig-süß oder bitter-herb, die Sortenvielfalt bei Craft-Bieren nimmt stetig zu. Die sogenannte "Craft-Bier-Bewegung", deren Ursprung in den USA liegt, hat längst auch Deutschland erreicht und vor einigen Jahren den Biermarkt aufgemischt. Auf Nachfrage dieser Redaktion schätzen sowohl der Bayerische Brauerbund als auch der Verband der Kreativbrauer, dass diese kreativen Biere circa ein Prozent des deutschen Biermarktes ausmachen. Generell entwickele sich der Markt zwar langsam, aber stetig positiv. Eine amtliche Statistik existiere jedoch nicht.
Traditionelle Biere liegen in der Gunst der Konsumenten und Konsumentinnen damit immer noch vorne, Craft-Biere seien aber vor allem bei der jüngeren Generation beliebt, da diese laut Walter König (Bayerischen Brauerbund) ihre Vorlieben und auch ihre Individualität oft lieber mit Wissen über Biersorten ausdrücke.
Neben Großbrauereien sind es oft kleine Familienbrauereien, wie die Brauerei Göller aus Zeil am Main, die ihr Angebot um Craft-Biere erweitern und versuchen, aus der Masse hervorzustechen. Auffällige Etiketten oder Dosen, ausgefallene Rezepturen oder originelle Namen wie "Wuide Henna" oder "The Mandarinan" könnten gerade kleineren Brauereien helfen Aufmerksamkeit zu generieren, so König.
Der Brauerei Göller könnte dies nun mithilfe einer Auszeichnung gelingen, denn kürzlich wurden zwei ihrer Craft-Bier-Sorten – Lager und Rauchbier – im Rahmen des Meiningers International Craft Beer Awards im April 2022 mit Platin prämiert. Dabei handelt es sich um einen jährlichen internationalen Bierwettbewerb, bei dem mithilfe einer Fachjury jährlich Biere in unterschiedlichen Kategorien bewertet und ausgezeichnet werden.
Rauchbier und Lager des Jahres
"In der Vergangenheit haben wir dies noch nie geschafft," erzählt Max Göller freudestrahlend. "Es handelt sich um eine besondere Auszeichnung, weil Platin so selten vergeben wird und wir mit Rauchbier und dem Lager die Nummer 1 unter allen eingesendeten Bieren in der Kategorie waren. Da sind wir schon stolz drauf."
In jeder Kategorie wird nur ein Bier mit Platin ausgezeichnet - dieses Jahr waren es insgesamt 31. Gold- und Silbermedaillen werden hingegen an mehrere Biere vergeben. Auf die Frage, was die beiden ausgezeichneten Craft-Biersorten besonders mache, verweist der Junior-Chef darauf, dass das Rauchbier aufgrund seines milden-rauchigen Aromas bei den Kunden und Kundinnen beliebt sei. Das Lager sei hingegen "sehr malzaromatisch mit Röstaroma und ein bisschen Süße". Und weiter: "Was es auszeichnet ist seine Süffigkeit, man trinkt einen Schluck und das angenehme Malzaroma bleibt noch etwas im Mund erhalten." Deshalb eigne es sich vor allem für diejenigen, die eher liebliche als herbe Biere mögen.
Generell werde im Gegensatz zur großen Industrie noch handwerklich gebraut. "Bei uns wird noch viel traditionell gearbeitet. Alle Arbeitsschritte, die Gär- und Lagerkeller betreffen, erfolgen in Handarbeit, auch das Sudhaus ist bislang nur zum Teil automatisiert," erklärt Max Göller. In internationalen Brauereien sei dies anders, da werde alles per Knopfdruck automatisch gesteuert.
Bei Craft-Bieren ist weniger mehr
Zwar könne die Familie aufgrund der begrenzten Dimension ihres Sudhauses relativ kleine Chargen herstellen und sich deshalb im Bereich Craft-Bier ausprobieren, jedoch sei es wichtig, geschmacklich nicht zu übertreiben. "Einige Hersteller verwenden viel Hopfen, sodass der Geruch intensiv, dass Craft-Bier aber mit Hopfen überladen ist", erzählt er. Die Folge: Das Bier schmecke dann zu bitter.
Darauf verweist auch Walter König vom Bayerischen Brauerbund. Wichtig sei "bei Craft-Bieren eine gute Balance und Ausgewogenheit." Der besondere Geschmack entstehe dabei durch die Verwendung spezieller Hopfensorten, Hefestämme und Spezialmalze sowie Variationen bei der Malzzusammensetzung, die genügend Unterschiede in Bezug auf Bierfarbe und Biergeschmack ermöglichten - und zudem dem Reinheitsgebot entsprächen.
Trotzdem ist in den vergangenen Jahren eine Debatte entbrannt. "Das Reinheitsgebot an sich ist ein romantischer Begriff, der mehr Zutaten erlaubt, als Konsumenten bewusst ist", kritisiert Norbert Krines vom Verband deutscher Kreativbrauer. So erlaube das Gebot auch den Zusatz von Farbstoffen, Betriebshilfsmitteln oder Stabilisatoren.
Boom durch Corona?
Ein Blick auf den Absatz: Der Anteil von Flaschenbier ist im Gegensatz zum Fassbier aufgrund der Lockdowns und des zunehmenden Heimkonsums zwar gestiegen, doch sowohl der Bayerische Brauerbund als auch der Verband der Kreativbrauer könnten so früh noch keine pandemischen Effekte ableiten. Vielmehr wirke sich die hohe Nachfrage nach regionalen und wertigen Produkten positiv auf den Absatz von Craft-Bier aus. Ein Boom durch Corona gebe es aber nicht. Wie auch in allen anderen Wirtschaftszweigen existierten Gewinner und Verlierer.
Für die Brauerei Göller entpuppten sich Craft-Biere nicht als Retter in der Pandemie. "Um durch die Pandemie zu kommen, waren Craft-Biere kein nennenswerter Baustein. Generell ist es so, dass Craft-Biere vor fünf bis sechs Jahren einen größeren Hype hatten als jetzt", so die Einschätzung des Junior-Chefs. Trotzdem funktionierten saisonale Angebote gut. Hier habe die Brauerei den Sud von 40 auf teilweise 80 Hektoliter vergrößern können. Beim Absatzvolumen selbst spielten kreative Biere aber keine große Rolle, den Großteil würden immer noch die gängigen Sorten ausmachen.
Für das Familienunternehmen sind Craft-Biere vielmehr eine Möglichkeit zu zeigen, wie viele unterschiedliche Bierstile und -Sorten im Rahmen des Reinheitsgebots möglich sind. "Alle unsere Craft-Biere sind nach dem Reinheitsgebot gebraut, wenn wir von Zitrusaroma sprechen - wie beim Summer Ale -dann kommt der Geschmack durch den Hopfen zustande" verrät Max Göller, "da ist keine Zitrone drinnen."