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KLEINSTEINACH
Bluttat ist bis heute ungesühnt
Ulrich Kind
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:45 Uhr

Auf Einladung des Arbeitskreises „Museum Jüdische Lebenswege Kleinsteinach“ sprach Evamaria Bräuer aus Gerolzhofen am Freitag in ihrem Vortrag im Gemeindehaus Alte Schule zum Spannungsfeld vom Aberglauben bis zum Pogrom. Für den aufgeklärten Menschen passe der Aberglaube nicht ins heutige Weltbild, so Bräuer. Trotzdem lasse man sich heute noch davon unbemerkt beeinflussen. Man freut sich über ein Glückskleeblatt, klopft auf Holz oder macht Scherben zum Polterabend. Schon im Mittelalter wurde mit beschwörenden Worten oder magischen Handlungen menschliches Verhalten beeinflusst, so die Stadt- u. Museumsführerin.

Nazis streuen Gerüchte

Juden wurden schon im Mittelalter für nicht erklärbare Ereignisse wie Seuchen, Unwetter oder Missernten verantwortlich gemacht. Das machten auch noch die Nationalsozialisten: Vor genau 90 Jahren, am 17. März 1929, wurde bei Manau der vierjährige Karl Keßler getötet. Den bis heute ungelösten Kriminalfall instrumentalisierten die Nazis. In beträchtlichen Teilen Unterfrankens setzte sich damals in der Bevölkerung die Überzeugung fest, dass Juden das Kind getötet haben, um Christenblut für die Zubereitung des Pessach-Matzenbrotes oder für andere geheime Rituale zu gewinnen. Hauptinitiator der Schuldzuweisung sei der NS-Gauleiter Otto Hellmuth aus Marktbreit gewesen. In mehreren NS-Massenversammlungen und Artikeln des Parteiblattes „Stürmer“ brachte der erfundene Geschichten unters Volk. Es sollte Wochen dauern, bis die Kriminalpolizei dem „Stürmer“-Artikel widersprachen.

Dazu veröffentlichte die Bayrische Rabbinerkonferenz am 28. März 1929 im „Boten vom Haßgau“ eine Erklärung gegen die schon unzählige Male als Lüge gebrandmarkte Mär eines Ritualmordes, der „eine Ausgeburt finsteren Hasses und eine Verleumdung des jüdischen Glaubens sei“, so die Stellungnahme der Rabbinerkonferenz. Vom Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried oder sonstigen offiziellen Kirchenstellen sei damals kein Wort zu dem absurden Vorwurf gekommen.

Neun Juden werden verhaftet

Im Manauer Mordfall wurden 1937 neun Juden verhaftet, weil kursierende Gerüchte sie mit dem Tod des kleinen Jungen in Verbindung brachten. Darunter war auch der jüdische Lehrer Emanuel Levi aus Burgpreppach, der von der Gestapo monatelang inhaftiert wurde. Der Versuch, Levi für den Mord verantwortlich zu machen, ging ins Leere. Zum Ende des Jahres 1937 waren alle Verdächtigen wieder aus der Haft entlassen. Die Gestapo-Akten dazu sind der Nachwelt im Staatsarchiv Würzburg erhalten geblieben, sagte Evamaria Bräuer.

Ein Jahr nach dem Mord, am 17. März 1930, wurde im Wald bei Manau ein Gedenkstein für den getöteten Karl Keßler aufgestellt. Der Täter wurde nie gefunden. (uk)

 
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