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Ebelsbach
Besuch in der alten Stollenanlage in Ebelsbach: Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis erinnert an Luftangriffe
Der Heimatgeschichtliche Arbeitskreis Ebelsbach ermöglicht einen Besuch in der alten Stollenanlage im Ebelsberg.
Foto: Günther Geiling | Der Heimatgeschichtliche Arbeitskreis Ebelsbach ermöglicht einen Besuch in der alten Stollenanlage im Ebelsberg.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 11.08.2024 02:34 Uhr

Mit den Gedenkveranstaltungen zu den Luftangriffen vor 80 Jahren auf das Kugelfischerwerk und dem Bau der Stollenanlage stieß der Heimatgeschichtliche Arbeitskreis Ebelsbach auf großes Interesse in der Bevölkerung. Die angebotenen Führungen waren in Kürze ausgebucht, sodass weitere Termine angesetzt wurden. Viele Besucherinnen und Besucher nahmen die Stollen zum ersten Mal in Augenschein und drangen damit auch in die Kriegsgeschichte rund um Ebelsbach ein.

Bei der Erinnerung an die Bombardierung vor 80 Jahren verwies Bürgermeister Martin Horn auch auf die heutige Krisenlage. Als Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg gebe es noch die Stollen, die aber nur zivil genutzt würden. Er dankte den Autoren für die Erstellung des neuen Heimatbogens, in den auch neue Erkenntnisse einflossen.

Unterlagen des Geheimdienstes bringen Licht ins Dunkel

Martin Fischer erinnerte an seine Anfangszeit in den Stollen, als es noch keine genauen Unterlagen über die Anlage gab und man auf Vermutungen und Erzählungen angewiesen war. In unregelmäßigen Abständen hätten sich aber Gruppe für die unterirdischen Bauten der Stollen interessiert, selbst das Bayerische Fernsehen. "Die Informationen tröpfelten, bis schließlich ein Kontakt in die Vereinigten Staaten überraschende Erkenntnisse lieferte. Anhand von Unterlagen des amerikanischen Geheimdienstes, die in amerikanischen Archiven lagen, ergab sich ein neues Bild von den Stollen", betonte Martin Fischer, der seit Mitte der 1990-er Jahre in zwei Stollen eine Sektkellerei betreibt.

Bei der Übergabe des neuen Heimatbogens (von links): Sonja Horn (Vorsitzende des Heimatgeschichtlichen Arbeitskreises), Roland Mayer, Vanessa Zehendner, Martin Fischer und Bürgermeister Martin Horn.
Foto: Günther Geiling | Bei der Übergabe des neuen Heimatbogens (von links): Sonja Horn (Vorsitzende des Heimatgeschichtlichen Arbeitskreises), Roland Mayer, Vanessa Zehendner, Martin Fischer und Bürgermeister Martin Horn.

Man musste erkennen, dass sich die bisherigen Vermutungen nicht mehr halten ließen und Berichte wie Baupläne eindeutig zeigten, "dass eine Stollenanlage an der Südseite des Ebelsberges nicht vorgesehen war und nur ein Fluchtstollen geplant war." Aufgrund der neuen Unterlagen, die Roland Mayer und Vanessa Zehendner übersetzt und ausgewertet haben, sei ein neuer Heimatbogen erstellt worden.

Angriffe auf wichtige Schlüsselindustrie

Roland Mayer stellte die wichtigsten Inhalte des Heimatbogens vor, mit den zwei Kapiteln "Rüstungsindustrie im Zweiten Weltkrieg" und "Stollenanlage Kies im Ebelsberg". Im Zweiten Weltkrieg griffen die Amerikaner wichtige deutsche Schlüsselindustrien an, wobei ab 1943 Schweinfurt mit seiner Kugellagerindustrie mehrfach ein Ziel war. Der amerikanische und britische Geheimdienst hatten schon detaillierte Informationen gesammelt über die Auslagerung von Produktionsstätten auf Ersatzstandorte wie zum Beispiel Kugelfischer von Schweinfurt nach Ebelsbach. Die Amerikaner hatten zudem genaue Kenntnisse, wie anfällig Gebäude bei Feuer seien und mit welchen Sprenggranaten und Brandbomben sich die größte Wirkung erzielen lasse.

Bereits im Mai 1944 informierte der amerikanische Geheimdienst, dass die Angriffe als "visual bombing" geflogen werden sollten, also ohne Navigationshilfen. Die Piloten wussten nur, dass das Werk "eine Viertelmeile südwestlich von Ebelsbach liegt".

Nicht alle Bomben trafen ihr Ziel

Bei den beiden Luftangriffen am 19. und 21. Juli 1944 wurde das Werk schwer beschädigt. Der erste Angriff erfolgte mit 54 Flugzeugen, die eine Bombenlast von 128 Tonnen trugen. Beim zweiten Angriff wurde das Werk von 83 Flugzeugen bombardiert, die 490 Sprengbomben und 1394 Brandbomben an Bord hatten, insgesamt 159,7 Tonnen. Spätere Berichte sprachen sogar von 192,2 Tonnen. Allerdings trafen nicht alle Bomben das Ziel.

Viele Bürgerinnen und Bürger interessierten sich für die Geschichte und das Innenleben der Stollen.
Foto: Günther Geiling | Viele Bürgerinnen und Bürger interessierten sich für die Geschichte und das Innenleben der Stollen.

Die unterschiedlichen Angaben bei der Anzahl von Flugzeugen und der Menge der Bombenfracht könnten auf Fehlern bei den Angriffen beruhen. Am 19. Juli 1944 griffen nämlich 16 Flugzeuge nicht Schweinfurt und Ebelsbach an, sondern wegen Navigationsfehlern Düren und Darmstadt. Beim zweiten Angriff verflogen sich nach den Unterlagen ganze Bombergruppen und griffen Ersatzziele an, wobei fast 50 Prozent der gestarteten Bomber ihr Zielgebiet verfehlten.

Verlagerung einer Teilfabrik in elf Stollen

Die Untertage-Verlagerung einer Teilfabrikation der Firma Kugelfischer, die unter dem Decknamen "Kies" stand, ging von der Betriebsleitung aus, die am Südrand des Ebelsbergs Luftschutzstollen für die Belegschaft gebaut hatte. Als Unternehmer waren die Firmen Riedel aus Schweinfurt und Buchner aus Würzburg zu gleichen Teilen eingesetzt, wobei sowohl Pressluftanlagen und Betonmischer wie auch Arbeitsunterkünfte und Arbeiterküchen gemeinschaftlich benutzt wurden.

Der Bauplan sah elf nebeneinanderliegende Fertigungsstollen von je vier Metern Breite vor. Der Umfang des Bauvorhabens war ursprünglich auf 5000 Quadratmeter Fertigungsfläche festgelegt, eine Erweiterung auf 15.000 Quadratmeter vorgesehen. Wie Roland Mayer und seine Helfer eruierten, hätten "die besonderen Schwierigkeiten des Bauvorhabens an den relativ wenig geeigneten geologischen Verhältnissen gelegen". Den Ausschlag für die Baudurchführung im Ebelsberg gaben die Nähe des zerstörten Betriebes der Firma und die vorhandenen Betriebsgrundlagen. "Laut Angebotssumme sollten sich die Gesamtkosten auf rund eine Million Reichsmark belaufen."

Stollen und Sektkellerei können von Mai bis August im Rahmen einer Führung besichtigt werden, eine Anmeldung ist möglich unter Tel. (09522) 5065.

 
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