Der Tod eines geliebten Menschen ist in der Regel schon hart genug. Aber die zwei Jahre der Corona-Pandemie hat die Trauer und deren Bewältigung noch einmal verändert und tiefe Spuren hinterlassen. Wo Nähe nötig wäre, musste und muss vieles mit Abstand geschehen. Wir fragten zwei Bestatter, was sie in dieser Zeit empfanden, wie sie durch diese Zeit kamen und was sich in den letzten beiden Jahren hinsichtlich der Bestattungen verändert hat.
Die Pandemie brachte viel Leid über Familien. In Deutschland starben rund 127.000 Menschen an Corona, was fast genau der Einwohnerzahl der Stadt Würzburg entspricht (127.880). Der Landkreis Haßberge zählt schon 128 Corona-Tote. Dies stellt auch die Bestattungsunternehmer vor besondere Herausforderungen. "Der Tod eines geliebten Menschen ist eine Ausnahmesituation. Dabei geht es nicht bloß um organisatorische Fragen, sondern es soll einem einzigartigen Menschen mit der gebotenen Würde und Wertschätzung gedacht werden", beschreibt Michael Zehe, Inhaber des Bestattungsunternehmens Zehe Haßfurt mit Filialen in Knetzgau und Ebern seine Aufgabe. Bestattungsmeister Matthias Pfaff vom Bestattungshaus Schorr aus Zeil, das vorwiegend im östlichen Landkreis Haßberge tätig ist, bezeichnet das Abschiednehmen als einen "wichtigen Schritt zur Trauerbewältigung". Es müsse Zeit und Raum für Trauer und Abschied sein.
Würdevoller Abschied oft nicht möglich
Für die Trauernden sei es in einer solchen Situation wichtig, Menschen zur Seite zu haben, die es verstehen, einfühlsam zu begleiten. Aber auch den Bestattern fällt es nicht leicht, die Gefühle zu beschreiben, wenn sie zu einem Covid-Verstorbenen gerufen werden. "Trauernde sind beim Tod eines geliebten Menschen in einem Zustand, in dem das Achten der Corona-Maßnahmen zweitrangig erscheint. Auch wir finden es nach wie vor pietätlos, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen (mit Schutzanzug, Maske, usw.) einen Verstorbenen in seinem Haus abzuholen und ihn dann in eine Leichenhülle zu legen", berichtet Michael Zehe. "Gerne würden wir den Angehörigen ein würdevolleres, sicheres Umfeld bieten, in dem sie sich von ihren Liebsten verabschieden können. Dabei hat man auch die Sorge sich anzustecken und möchte ja sich und seine Mitmenschen schützen."
Viele seien im Krankenhaus oder im Altersheim gestorben, wo die Angehörigen keinen Besuch mehr abstatten konnten. Der Schmerz sei oft unerträglich gewesen, wenn die Verstorbenen schon dort in eine Leichenhülle mit verschlossenem Reißverschluss gelegt wurden und man diese auch nicht mehr öffnen durfte.
Die Bestatter sprechen von "herzzerreißenden Momenten" mit Angehörigen, die sich nicht in Würde von ihren Lieben verabschieden durften. Susanne Pfaff sagt nachdenklich "das hat sich alles so traurig angefühlt, ging an die Substanz und hat uns deprimiert". Dazu waren ihnen oft die Hände gebunden bei dem, was sie sonst machen, um einen Verstorbenen würdevoll vorzubereiten für seinen letzten Weg und der Familie in der Trauerarbeit zu helfen. "Viele Möglichkeiten der individuellen Trauerarbeit wurden so ausgehebelt", berichtet Pfaff.
Traurige Schicksale schmerzen
Dramatische Erlebnisse werden auch den Bestattern noch lange in Erinnerung bleiben. Am schlimmsten sei es, "wenn manche am Ende ihres Lebens plötzlich allein sind, ihnen keiner die Hand hält oder ihnen übers Gesicht streichelt". Da ging es um die Mutter, deren Kinder im Ausland lebten, die ihre Mutter schon zwei Jahre nicht mehr gesehen hatten und sich wegen Corona dann nicht mehr von ihr verabschieden konnten. Oder eine Situation, wo die Familie untereinander keinen Kontakt mehr pflegte, Tochter und Verwandte nicht kamen. "Wir waren dann mit dem Sohn alleine am Grab. In solchen Situationen hat es viele Gespräche gegeben. Sogar mit Livestream wurden wir konfrontiert oder drehten sogar ein Video, als der Sohn nicht zur Beerdigung seines Vaters kommen konnte, weil er selbst Covid hatte. Er wollte die Bestattung wenigstens auf diese Weise miterleben", schildert Matthias Pfaff einen nicht alltäglichen Wunsch.
Michael Zehe bewegte der Tod eines älteren Mannes, der sein Leben lang den Landkreis nicht verlassen hatte. Er starb aber 80 Kilometer von seinem Wohnort entfernt in einer Klinik. "Wir fragten den Sohn nach dem Personalausweis seines Vaters und bekamen zur Antwort: Ach einen gültigen Ausweis hat er schon lange nicht mehr und nur einen, der Anfang der 1970er Jahre abgelaufen ist. Wir fragten den Sohn, warum er denn so weit weg ins Krankenhaus gebracht wurde. Dieser erklärte dann, dass die Sanitäter 30 Minuten lang telefonieren mussten, um eine Klinik zu finden, die ihn aufnehmen konnte, da wegen Corona nirgendwo Platz für ihn war."
Persönlicher Abschied wichtig für Trauerbewältigung
Zehe, ein gestandener Mann mit 51 Jahren, gesteht, "auch wenn wir versuchen, alles sehr behutsam zu erklären, fehlen uns oft selbst die Worte. Wir tun alles, was möglich ist, um den Hinterbliebenen im Rahmen der Corona-Maßnahmen einen würdevollen Abschied von ihren Geliebten zu ermöglichen. Einige Angehörige schrieben Briefe, brachten Bilder oder persönliche Gegenstände, die wir zum Verstorbenen in den Sarg legen. Auch, wenn das mit einem persönlichen Abschied natürlich nicht vergleichbar ist, ist das für einige Hinterbliebene noch ein Weg, dem Verstorbenen zu zeigen, dass er nicht alleine ist."
Schön ist es, wenn das Bestattungshaus einen Versorgungs- oder Abschiedsraum anbieten kann. Matthias Pfaff erinnert daran, dass man früher meist im eigenen Haus starb. Dabei sei es gang und gäbe gewesen, den Verstorbenen zu versorgen, noch etwas Gutes für ihn zu tun. "Wir laden deswegen Hinterbliebene – wenn sie es wollen – zu uns ein, um ihren Verstorbenen mitzuversorgen. Dabei können auch Rituale oder die Versorgung mit Parfüm oder Creme einfließen, welche die Verstorbene liebte und es werden auch gerne Gegenstände oder Kleidungsstücke mit in den Sarg gelegt."
Susanne Pfaff zeigt den Abschiedsraum, in dem sich die Angehörigen in den Tagen bis zur Beerdigung von ihren Verstorbenen verabschieden können. Das erfolge sehr unterschiedlich. "Manchmal sind die Trauernden von einem Geistlichen begleitet, der auch ein paar Worte spricht. Andere kommen allein, sind eine viertel Stunde oder auch zwei Stunden am offenen Sarg, um den Verstorbenen noch einmal zu sehen, sich zu erinnern oder sich in einer privaten Atmosphäre zu verabschieden. Vom ersten Besuch bis zur Grablegung wachse hier etwas ganz Besonderes."
Pandemie-Tod verändert selbst Bestatter
Auch wenn der Tod bei ihnen jeden Tag gegenwärtig ist, berichten die Bestatter übereinstimmend, dass sie die Pandemie sehr berührt, vielleicht sogar auch bei ihnen etwas verändert habe. Michael Zehe meint nachdenklich "in meinem Beruf erlebt man so viele Dinge, die einem immer wieder klarmachen, wie schnell es doch vorbei sein kann. Auch wenn es vielleicht etwas pathetisch klingt, hat mir die Pandemie gezeigt, dass ich noch ein Stück demütiger geworden bin." Für Matthias Pfaff rücken plötzlich Dinge in den Vordergrund, die ihm wichtig sind: "Anders aufs Leben schauen, mit offenen Augen durch die Welt gehen und jeden Tag als ein Geschenk ansehen."
Natürlich habe es auch unsinnige Auflagen während der Pandemie gegeben, wenn zur Beerdigung nur zehn Personen zugelassen wurden und bei einer Großfamilie nicht einmal die Ehepartner oder Enkel am Grabe erscheinen durften. Aber alles wie früher laufen zu lassen, wäre sicher auch nicht das Richtige gewesen und hätte vielleicht noch mehr Menschen das Leben gekostet, stellen die beiden Bestatter übereinstimmend fest.
Bleibt noch die Frage, ob die Pandemie Einfluss auf zukünftige Bestattungen haben wird. "Die Urnenbestattungen werden immer mehr und auch bei uns wünschen sich dies schon rund 70 Prozent. Aber das ist nicht pandemiedingt. Es fällt aber auf, dass die Beisetzungen immer häufiger im engsten Familienkreis stattfinden, auch wenn die Anzahl der Trauergäste im Freien nicht eingeschränkt ist. Dies wird sicherlich auch nach der Pandemie mehr der Fall sein."