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HAßBERGKREIS
„Bei mir sind ganz viele Fragezeichen“
Donald Trump elected US President       -  Seit heute Morgen steht das Ergebnis fest: Donald Trump ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In Europa stößt sein Wahlsieg weitgehend auf Unverständnis.
Foto: DPA | Seit heute Morgen steht das Ergebnis fest: Donald Trump ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In Europa stößt sein Wahlsieg weitgehend auf Unverständnis.
Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:13 Uhr

Am Mittwochmorgen stand das Ergebnis fest: Donald Trump wird neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Europäer reagieren auf die Wahl großenteils mit Fassungslosigkeit. Die Heimatzeitung hat bei Politikern und Kirchenvertretern aus unserer Region nachgefragt, was sie vom Sieg des als unberechenbar geltenden Unternehmers halten.

„Es ging mir wie nach der Brexit-Abstimmung. Ich habe mir erst mal die Augen gerieben“, sagt Kerstin Westphal. Die SPD-Politikerin vertritt Ober- und Unterfranken im EU-Parlament. So habe sie sich gewundert, dass sogar „sichere Demokratenstaaten“ an den Republikaner Trump gegangen waren.

Ähnlich wie beim Brexit weisen auch bei der US-Wahl mehrere Befragte, darunter Westphal, darauf hin, Europäer müssten das Ergebnis nun akzeptieren, auch wenn sie es nicht gut finden. Allerdings erwartet die Europapolitikerin, dass die Beziehungen zwischen den Ländern dadurch nicht einfacher werden. Mit großer Sorge sieht sie beispielsweise, dass Trump dem Klimaabkommen von Paris ablehnend gegenübersteht. Kritisch sieht sie auch seine frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen im Wahlkampf. „Populistische Aussagen sind auf dem Vormarsch“, befürchtet die Europa-Abgeordnete und erwähnt, dass ausgerechnet Marine Le Pen zu den ersten Gratulanten gehörte.

Die Demokraten in verschiedenen Ländern müssten nun „aufstehen und vernünftige Politik machen“, um diesem Trend, der in verschiedenen Ländern zu bemerken ist, entgegenzutreten. Für die EU sieht sie im US-Wahlergebnis vor allem ein Signal an die Mitgliedsstaaten, den Populismus nicht gewähren zu lassen. So bräuchte es ein gemeinsames Vorgehen, unter anderem in der Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik. „Die Lösung müssen wir Demokraten in Europa finden.“

Für die CSU sitzt Monika Hohlmeier im EU-Parlament. „Wir werden jetzt in Ruhe abwarten, ob der Wahlkämpfer Trump, der Mauern aufgebaut hat und vor keiner Beleidigung zurückschreckte, sich mit dem Präsidenten Trump in einer Linie befinden wird“, heißt es in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Thema. Seine erste Rede nach der Wahl habe in dieser Hinsicht versöhnlicher geklungen als frühere Auftritte. Nun hofft Hohlmeier, dass Trump als Präsident ein gutes Team hinter sich haben wird, das weiß, was auf dem Spiel steht, „und dass Herr Trump weiß, dass Europa immer einer der wichtigsten Alliierten der USA war“.

Auch die Politiker, die den Heimatkreis im bayerischen Landtag vertreten, haben sich ihre Gedanken zum Wahlausgang gemacht. „Ich hätte auf ein anderes Ergebnis gehofft“, sagt Kathi Petersen (SPD). Allerdings habe sie Trumps Sieg durchaus befürchtet. Darin sieht sie ein Zeichen dafür, dass viele Menschen sich entsolidarisieren, da sie sich abgehängt fühlen. Einen ähnlichen Trend sieht sie auch in Europa. Als Beispiel dafür nennt sie die AfD, die es geschafft hat, viele Nichtwähler zu mobilisieren.

Nun fürchtet sie, dass sich die Bestrebungen verstärken, mehr auf die eigene Nation und weniger auf Zusammenarbeit zu setzen. „Eine gemeinsame Politik ist ein Gewinn für alle. Leider wird das nicht so wahrgenommen.“

Auch MdL Steffen Vogel (CSU) macht kein Geheimnis daraus, dass er sich lieber jemand anderen im Weißen Haus gewünscht hätte. „Ich selbst und mit Sicherheit die ganz überwiegende Mehrheit der Kollegen im Landtag hätten sich Hillary Clinton als erste Präsidentin der USA gewünscht“, schreibt er in einer Stellungnahme. „Beim ,Politikneuling' und ,Poltergeist' Trump stehen viele Fragezeichen, wie und welche Politik er macht.“ Clinton hätte er dagegen für berechenbarer gehalten.

Außerdem betont Vogel, welch große Verantwortung auf Trump zukommt. „Wir haben einen weltweiten Klimawandel und die USA sind der größte CO2-Produzent, wir haben weltweite Fluchtbewegungen und militärische Auseinandersetzungen sowie den islamistischen Terror“, nennt er einige globale Herausforderungen, in denen der US-Präsident eine Führungsrolle habe. „Ich hoffe, dass Trump die Kraft zur Weitsicht und zum Ausgleich findet.“

Trotz aller Befürchtungen mahnt Vogel zu mehr Gelassenheit. „Als der ,Westernheld' Ronald Reagan Präsident wurde, hat man auch den Untergang des Abendlandes vorhergesagt.“ Im Rückblick sei dieser dann aber ein sehr guter Präsident gewesen. „Im Gegensatz dazu hat Präsident Obama bei Amtsantritt zugesichert, dass das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo geschlossen wird, und es besteht immer noch.“

Zu einem gelasseneren Umgang mit der Situation rät auch Landrat Wilhelm Schneider (CSU). So sei es schon oft vorgekommen, dass Präsidenten nicht alle ihre Wahlkampfversprechen umsetzen konnten, da sie am Kongress scheiterten. Als Beispiel nennt er Ronald Reagan. „Ich sehe es nicht so dramatisch, wie man es sehen kann“, meint Schneider.

Dennoch sagt auch er, der neue Präsident sei „nicht der berechenbarste“. In Deutschland seien Populisten wie Trump „nicht wählbar“, meint der Landrat. „Man weiß nicht, wo es hingeht“, sagt er, beispielsweise, was Themen wie den Klimaschutz, die Verteidigungs- oder die Wirtschaftspolitik angeht. Einige Äußerungen Trumps lassen erahnen, dass er eher auf Abschottung setzen wird. „Wir als Exportland werden es hoffentlich nicht so sehr spüren.“

„Oh Schreck“, beschreibt Pfarrerin Doris Otminghaus von der evangelischen Kirchengemeinde Haßfurt ihre erste Reaktion auf das Wahlergebnis. Für sie ist es unverstellbar, dass „ein Mensch, der als Charakter so verlogen ist“, in dieses Amt gewählt wurde. Dieses Ergebnis zeige, dass eine Demokratie von innen heraus ausgehöhlt werden kann. Nun werde es wohl schwer für die deutsche Politik, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Die Selbstverständlichkeit, dass Amerika unser Freund ist, wird Risse kriegen“, meint sie.

Welche Auswirkungen das Ergebnis auf Europa hat, könne sie nicht abschätzen. „Es hängt nicht nur an seiner Person“, sagt die Pfarrerin. Dennoch erwarte sie nicht viel Positives von ihm. Jetzt stelle sich die Frage, wie stark Europa ist. Doch gerade in der Flüchtlingspolitik sei zu erkennen, dass auch Europa derzeit „schwächelt“. „Bei mir sind ganz viele Fragezeichen.“

Auch dem katholischen Pfarrer Michael Erhart von der Pfarrgemeinde Zeil gefällt das Wahlergebnis nicht besonders. Zwar betont auch er, dass man eine demokratische Wahl akzeptieren müsse. Trotzdem sagt er: „Menschlich finde ich es nicht besonders erfreulich.“ So kritisiert er, dass Trump im Wahlkampf gegen Frauen und Minderheiten gehetzt habe. Nun hofft Erhart, dass der neue Präsident nicht jedes seiner Wahlkampfversprechen umsetzen kann. „Das sind ja doch immer zwei Paar Schuhe“, meint der Pfarrer. Ein „richtig gutes Gefühl“ habe er dennoch nicht. Besonders besorgniserregend findet er Trumps Tendenzen zur Abschottung sowie seine Haltung im Klimaschutz.

Welche Auswirkungen ein US-Präsident Trump auf Europa haben könnte, hänge nun davon ab, „ob er erkennt, dass Amerika ein Teil der Welt ist, nicht der Nabel der Welt“.

Stellungnahme
Wenn ein Freund einen Fehler begeht, dann wendet man sich nicht von ihm ab
Im Zusammenhang mit der Wahl des Republikaners Donald Trump zum 45. US-Präsidenten erreichte die Heimatzeitung eine Stellungnahme von MdB Dorothee Bär (CSU):
Die Amerikanischen Wähler hinterlassen uns mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten ein Ergebnis, das uns ratlos, schockiert und ein wenig fassungslos vor vollendete Tatsachen stellt.
Viele Menschen in Europa erlebten in den frühen Morgenstunden ein nicht nur sprichwörtliches Böses Erwachen. Und dennoch: Die Bürger haben ihren Präsidenten gewählt, sie haben ihn gewählt, weil sie glauben, ihm die Verantwortung für ihr Land übertragen zu können.
Und sie konnten ihre Stimme für diesen Kandidaten abgeben, weil sie Teil dessen sind, das wir zurecht gerade in diesen Tagen hoch halten und gegen viele Seiten verteidigen wollen: Sie sind Teil des demokratischen Prozesses. Den Ausgang dieses Prozesses haben wir zu akzeptieren und zu respektieren.
Und dennoch: Natürlich dürfen und müssen wir uns Gedanken darüber machen, was dieses Ergebnis für uns und für die Welt außerhalb der USA bedeutet. Und ich finde: Wir müssen dies sogar auch kommentieren und diskutieren – mit Respekt, aber doch in aller Ehrlichkeit. Nicht, weil wir glauben, die besseren Demokraten zu sein, sondern, weil man das so macht unter Freunden und weil uns dies – die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika – wichtig ist. Sie ist es schließlich, worauf wir auch in Deutschland stolz sind: Eine tiefe, über Jahrzehnte gewachsene Verbindung, die unsere Geschichte und damit unsere gesamte Gesellschaft geprägt hat. Es ist eine Mischung aus Sorge und der damit verbundenen Unsicherheit, die uns befällt, wenn wir daran denken, was die Präsidentschaft Donald Trumps nach einem Wahlkampf bedeuten werde, der als der schmutzigste seiner Art in die Annalen der amerikanischen Politik eingehen dürfte. Und natürlich macht es betroffen, dass ein solcher Stil zum Erfolg führt – in einem Land, das uns einst entscheidend dabei geholfen hat, Wut, Hass, Hetze und Niedertracht zu überwinden.
Aber auch hier gilt, sich genau anzusehen, warum die Menschen gewählt haben, wie sie gewählt haben, anstatt einen Empörungspost nach dem anderen tippen.
Denn offensichtlich ist eine wahlentscheidende Mehrheit so stark enttäuscht vom sogenannten Establishment, dass sie jemanden an der Spitze ihres Landes sehen möchten, der vermeintlich alles ganz anders macht als die Etablierten und der dem Gewohnten absagt, jemand, der die immer komplizierter anmutende Welt wieder vereinfacht. Die Menschen streben gewissermaßen nach einer Re-Simplifizierung der politischen Gegebenheiten, einem sich Zurückziehen in den eigenen Vorgarten. Es ist das „Not in my backyard“ in Reinform – versehen mit einem dicken Zaun mit trumpschem Vorhängeschloss, das ultimative Sicherheit garantiert – oder eher suggeriert, wie sich beim genaueren Hinsehen herausstellt.
Integrität, wohlüberlegte und abwägende Tonalität und Etikette, vielleicht sogar die Moral spielen keine Rolle mehr.
Das stimmt bedenklich und erklärt die teilweise fatalistischen Reaktionen zum Ausgang der US-Wahl in der weltweiten Presse. Die Wahl Donald Trumps entlässt uns aber nicht aus unserer demokratischen Verantwortung, sondern verpflichtet uns: Denn wenn man davon überzeugt ist, dass ein Freund einen Fehler begeht, oder es ihm nicht gut geht, dann wendet man sich nicht von ihm ab.
Und deshalb müssen wir klarstellen: Unsere Werte der Freiheit, der Würde des Menschen, Gleichberechtigung, die Freiheit der Religion und der sexuellen Orientierung sind nie und durch niemandem verhandelbar. Das wird auch ein Präsident Trump lernen und annehmen müssen, so wie wir nun nicht die beleidigten Besserwisser sein dürfen, sondern ihn als den vermutlich mächtigsten Mann der Welt annehmen müssen.
Menschliche Größe besteht nicht darin, jemandem den Handschlag zu verweigern, sondern ihm in die Augen zu blicken und zu sagen, wofür man steht - ohne zu verletzen und ohne Überheblichkeit.
Die USA sind eine der mächtigsten Nationen der Welt und Deutschland als eine der stärksten Nationen Europas muss daran interessiert sein, das nicht aufzukündigen, was viele große Männer und Frauen auf amerikanischer und deutscher Seite so mühsam und über eine so lange Zeit gemeinsam aufgebaut haben: eine unerschütterliche Freundschaft, die sich durch Hass und schlechten Stil ebenso wenig kaputt machen lassen darf wie durch Arroganz und Hybris.
Trump ist nicht unser Wunschpräsident, aber er ist Präsident. Wir sollten ihm auf Augenhöhe begegnen aber nicht von oben herab. Denn dank des besten politischen Systems der Welt, der Demokratie, steht Trump nicht für Trump, sondern für Millionen von amerikanischen Bürgern. Sie sind unsere Freunde und werden unsere Freunde bleiben.

Stellungnahme
Populismus ist
nicht die Antwort

MdB Sabine Dittmar (SPD) äußerte sich gegenüber der Heimatzeitung schriftlich zum Wahlsieg Donald Trumps in den USA:
Auch wenn ich immer noch tief erschüttert bin: Das Ergebnis der Wahl in den USA müssen wir als Demokraten respektieren. Gleichzeitig dürfen wir in Europa die Gefahr, die vom Rechtspopulismus ausgeht, nicht unterschätzen. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien, kann schnell Realität werden. Das zeigt das Beispiel Trump, der im Übrigen all die Errungenschaften der Demokratie verachtet und im Wahlkampf mit Füßen getreten hat, die mir überaus wichtig sind: Gleichberechtigung, Weltoffenheit, eine solidarische Gesellschaft, stabile soziale Sicherungssysteme und vieles mehr.
Für uns bedeutet das, dass es heute besonders wichtig ist, Politik mit Überzeugung und Weitsicht zu machen. Rechter Populismus wird nicht durch populistische Gegenmodelle entzaubert, sondern durch gerechte und soziale Politik, die gut und verständlich vermittelt wird.
 
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