Erstmals seit 2017 standen am Samstag die Türen der Werkstatt für behinderte Menschen in Augsfeld wieder offen. Mit einer "Extraschicht" lud die Lebenshilfe Schweinfurt, die Träger der Einrichtung ist, die Öffentlichkeit ein, sich ein Bild des Arbeitsalltages der Mitarbeiter zu machen. Hunderte Menschen nahmen das Angebot an und besuchten die Werkstatt, die mit einem ansprechenden Rahmenprogramm gut für den Besucheransturm gerüstet war.
Werkstattleiter Harald Waldhäuser und sein Team vermittelten den Besucherinnen und Besuchern bei Führungen durch die einzelnen Abteilungen den Arbeitsablauf. "Im Bereich der Produktion fertigen wir für die umliegende Industrie in Lohnarbeit, das heißt Teile montieren, verpacken, kontrollieren, sortieren und komplettieren. Produkte im Metallbereich bohren, sägen, fräsen, drehen und viele mehr", sagte Waldhäuser. Dabei stehen moderne Techniken wie zum Beispiel CNC-Maschinen zur Verfügung, mit denen die Teile mit hoher Genauigkeit bearbeitet werden. Um ein möglichst breites Angebot an verschiedenen Tätigkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen zu können, gibt es auch eine große Schreinerei mit verschiedenen Arbeitsfeldern. In der Lohnfertigung werden für Firmen Verpackungskisten von vielen unterschiedlichen Größen produziert, ebenso unterschiedlich sind die Teile aus Massivholz, Spanplatten oder Industriesperrholz.
Große und kleine Unternehmen sind Kunde
Kunden bei der Lebenshilfe sind zum Beispiel große Firmen wie Valeo, Maincor, Uponor, Schaeffler oder die Fränkischen Rohrwerke. Aber auch kleinere Unternehmen wie Zaundirekt aus Knetzgau oder Werksitz aus Zeil greifen gerne auf Dienstleistungen aus Augsfeld zurück. Dabei bedient sich die Lebenshilfe durchaus marktüblicher Stundensätze bei ihrer Kalkulation. In beruflichen Bildungsangeboten werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beigebracht, worauf es ankommt, nämlich auf die Arbeitssicherheit und einwandfreie Qualität der produzierten Produkte. "Wir haben eine ISO-Zertifizierung und können uns genauso wenig Fehler wie jeder andere Hersteller leisten", betonte Waldhäuser.
Freilich merkt man auch in der Werkstatt für behinderte Menschen die allgemeine wirtschaftliche Lage und die manchmal zurückhaltende Auftragsvergabe. Umso mehr stolz ist man, erst kürzlich mit der Firma Elso aus Hofheim einen Neukunden gewonnen zu haben. Das geschah sogar auf die Initiative eines Mitarbeiters, berichtete Produktionsleiter Michael Schmitt. Der langjährige Beschäftige nutzte nämlich seinen privaten Kontakt zu einem Elso-Mitarbeiter in verantwortlicher Position und machte mit Erfolg Werbung für die Lebenshilfe.
248 Menschen mit Behinderung beschäftigt
Heute sind in den verschiedenen Bereichen der Werkstatt 248 Menschen mit Behinderung tätig. Das Personal umfasst aktuell 71 Kolleginnen und Kollegen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen und anleiten. Für Menschen mit Behinderung gibt es keine Verpflichtung, einen angebotenen Werkstattplatz zu nutzen. Die Werkstattaufnahme erfolgt freiwillig. Eine geringe Leistungsfähigkeit oder ein eingeschränktes Durchhaltevermögen sind demnach keine Gründe für einen Werkstattausschluss. In der Entlohnung fordert der Gesetzgeber Solidarität unter den Mitarbeitern, was bedeutet, dass leistungsstarke Betreute den Lohn für Schwächere mit erwirtschaften.
Dabei ist die Werkstatt mehr als nur ein Arbeitsplatz, stellte Waldhäuser heraus: "Die Werkstatt ist ein Lebensraum, in dem die Anderartigkeit 'normal' ist, Defizite nicht übermäßig gewichtig sind und der Mensch - wie er ist - angenommen wird". Es entstehen Freundschaften oder gar Partnerschaften auf Augenhöhe. In arbeitsbegleitenden Maßnahmen werden auch Freizeitaktivitäten angeboten, wie Tischtennis, Fußball, Kochen, Handarbeiten, Walking, Wellness, Bogenschießen und Kegeln. Außerdem fährt jede Gruppe alle drei Jahre zu einer Wochenfreizeit weg.