
Es gibt immer noch genügend Barrieren für Seh- und Gehbehinderte, Ältere Menschen, Bürger, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, sowie für Eltern mit Kinderwagen. Dabei fehlt es oft nur an Kleinigkeiten. Andererseits bemühen sich mittlerweile viele Geschäftsleute und Behörden, Barrieren abzubauen. Dieses Fazit ergab sich aus der Aktion „Barrierefreies Haßfurt“ des Vereins Lebens(t)raum.
Zwei Stunden lang waren die elf Teilnehmer, darunter Geh- und Sehbehinderte sowie eine Mutter mit Kinderwagen, in verschiedenen Gebieten in Haßfurt unterwegs. Sie wollten stichpunktartig die Barrierefreiheit der Kreisstadt prüfen. Ihre Ergebnisse, die sie auf einem Fragebogen sowie mit Fotos und Videos festhielten, stellten sie anschließend in den Büroräumen von Lebens(t)raum Schrift vor. Diese fielen zum Teil positiv aus.
„In vielen Geschäften, Apotheken und Kreditinstitutionen gibt es sehr freundliche Mitarbeiter, die gerne behilflich sind“, erzählte Stephan Schneider, der seine Heimatstadt für diese Aktion vom Rollstuhl aus mit ganz neuen Augen sah. „Wir haben einige sehr schön ausgestattete und saubere Behindertentoiletten gesehen und beobachtet, dass sich mancher Geschäftsmann beim Bau eines neuen Ladens Gedanken über die Barrierefreiheit gemacht hat“, so Schneider weiter. Auch Miriam Krause, die ihren Sohn Ben im Kinderwagen mitgenommen hatte, gab an, immer Hilfe bekommen zu haben. „Da gibt es offensichtlich keine Berührungsängste“, sagte sie. Dies ist aber gegenüber Behinderten im Rollstuhl nicht immer der Fall.
„Grundsätzlich reagierte die Bevölkerung auf unsere Teilnehmer recht freundlich und hilfsbereit“, erklärte Marion Oehrl, stellvertretende Vorsitzende von Lebens(t)raum. „Allerdings gab es auch Reaktionen der Verständnislosigkeit und des Mitleids.“ Denn es fehle immer noch an Informationen und Berührungspunkten zum Beispiel durch inklusive kulturelle Angebote. Dabei wollten Menschen mit Behinderung nicht auf einer Sänfte herumgetragen werden und bräuchten auch nicht überall gläserne Aufzüge. Vielmehr sollten neben der Beseitigung unüberwindbarer baulicher Hindernisse vorhandene Ressourcen größtenteils einfach verbessert oder ergänzt werden.
Dies sei beispielsweise durch Haltegriffe, Hinweisschilder, deutliche Piktogramme und Informationen über bereits vorhandene Hilfen möglich. So könnte ein barrierefreier Eingang, der sich vielleicht um die Ecke befindet, leichter gefunden werden. Akustische Signale an Fußgängerampeln und Infoschalter zur besseren Orientierung wären ebenso hilfreich wie erreichbare und gekennzeichnete elektrische Türöffner, niedrigere Bordsteine, Wickelkommoden in den Toiletten, breitere Gehsteige für den Begegnungsverkehr zwischen Rollstuhlfahrern oder Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen. Gerade Sehbehinderte oder ältere Bürger, die nicht mehr so gut sehen und so schnell reagieren können, würden sich freuen, wenn die Handhabung der Geldautomaten diesbezüglich verbessert werden würde.
„Dies sind größtenteils Dinge, die eigentlich recht einfach und kostengünstig umgesetzt werden können“, so Marion Oehrl, die die Aktion als vollen Erfolg bezeichnete. „Für mich hat sich bestätigt, dass die Intention für diese Aktion richtig war.“ Denn es sollten immer Betroffene als Experten in eigener Sache einbezogen werden. Sie würde sich wünschen, dass man gerade bei der Einrichtung öffentlicher Gebäude oder bei der Planung von Veranstaltungen mal über den eigenen Tellerrand schaue und sich sogar von einem Menschen mit Einschränkungen beraten lassen würde. Denn es würde vielen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern.
„Lassen wir die Experten sprechen und mitentscheiden, nutzen wir ihre Kompetenzen und entscheiden wir nicht über ihre Köpfe hinweg“, betonte Marion Oehrl, die die Ergebnisse der Stadt Haßfurt sowie in einer Bürgerversammlung vorstellen wird.