Ob es eine große Wiedersehensfeier gegeben hat lässt sich nicht sagen, aber auf jeden Fall wird der kleine, nur zehn Gramm schwere Nachtschwärmer nun wieder unter Seinesgleichen am Nassacher See auf die Jagd gehen. Die Rede ist von der kleinen Wasserfledermaus, die vor zwei Wochen zu Arthur Scholl nach Unfinden kam. Jetzt wurde das Tier wieder ausgesetzt.
Flugunfähig und verletzt wurde sie bei dem Fledermausfreund abgegeben. Das kleine Kerlchen hatte sich an einer Angelschnur verletzt. Die aufmerksamen Angler, die natürlich auf einen Fisch und nicht auf eine Fledermaus aus waren, bemerkten den Vorfall und retteten den kleinen Kerl.
Solche Angelschnüre sind tückisch für die Wasserfledermäuse, weiß Scholl. Die Schnüre sind so dünn, dass sie für die Tiere durch Echoortung nicht wahrnehmbar sind. So hatte auch dieser Patient so starke Prellungen davongetragen, dass er nicht mehr fliegen konnte. Aber er hatte Glück im Unglück, denn Scholl kennt sich gut aus mit Fledermäusen und hegt große Sympathie für die Tiere. Bereits seit 15 Jahren ist er im Fledermausschutz tätig und seit zwei Jahren beherrscht er auch die Fledermauspflege – was nicht ganz einfach und vor allem sehr zeitaufwendig ist.
Man muss sie erst ans Futter gewöhnen, berichtet der Fledermausliebhaber. Er gibt ihnen Mehlwürmer zu fressen. Nachts. Denn Fledermäuse sind ja nachtaktiv wie man weiß und so wollen sie natürlich auch nur nachts fressen. Und dies nicht zu wenig. Ungefähr ein Drittel ihres Körpergewichts müssen sie pro Nacht aufnehmen. Im Fall von der kleinen Wasserfledermaus waren das 20 bis 25 Mehlwürmer.
„Nach ein paar Tagen war sie an das Futter gewöhnt und hat eigenständig gefressen“, erzählt Scholl. „Nach einer Woche war sie soweit wiederhergestellt, dass wir mit dem Flugtraining beginnen konnten. Jetzt ist sie wieder fit und kann in die Freiheit entlassen werden.“ Dies mache er immer, wenn möglich am Fundort. Denn die Fledermäuse sind sehr soziale Tiere, weiß der Fledermausfreund zu berichten. So betreiben die Weibchen zum Beispiel im Verband die Aufzucht der Jungen. Es bleiben immer einige Weibchen zurück, wenn sich die Tiere am Abend aufmachen zur Jagd und betreuen den Nachwuchs.
Bei dem kleinen Batman, der an diesem Abend wieder in die Freiheit entlassen wurde, handelt es sich um ein Männchen. Wasserfledermäuse verstecken sich tagsüber meist in Baumhöhlen. Sie fliegen auf immer denselben Fluglinien von ihren Verstecken ins Jagdgebiet. Dabei folgen sie im Tiefflug altbekannten Geländestrukturen.
Im Winter sammeln sich Wasserfledermäuse in großen Verbänden, um die insektenarme Jahreszeit in frostsicheren Höhlen und Felsspalten zu verschlafen. Dann kommt auch die Stunde unseres Batman, denn es wird nicht nur geschlafen, sondern interessanter Weise erfolgt die Paarung im Winter. Die Männchen suchen die Weibchen und wecken sie mit Bissen ins Genick. Wenn die Weibchen wach sind, werden sie begattet. Da die Weibchen bei der Paarung noch in der Aufwachphase und deshalb geschwächt sind, ist ein Balzen um die Weibchen nicht vonnöten. Nach dem Paarungsakt suchen sich beide Tiere wieder einen Schlafplatz und setzen den Winterschlaf fort.
Die Weibchen werden nicht sofort befruchtet, sondern erst gegen Ende des Winters, wenn die Schwangerschaft nicht mehr zu viel Energie entzieht. Nach dem Ausflug finden sich die trächtigen Weibchen in Wochenstubengesellschaften zusammen und bringen dann in der zweiten Junihälfte ihren Nachwuchs zur Welt.
Den Wasserfledermäusen geht es nicht schlecht bei uns, erklärt Scholl. Ihr Bestand ist auf jeden Fall nicht gefährdet. Nachdem der Fledermausbestand vor einigen Jahren noch stark rückläufig war, habe sich die Population in letzter Zeit wieder etwas erholt und sei stabil. Einer der größten Feinde der Fledermaus ist nach der Eule und der Katze das Windrad. Nicht, dass sie gegen die Rotoren fliegen, nein der Unterdruck, den ein solches Windrad im Betrieb erzeugt, lässt ihre Organe platzen, wenn sie zu dicht kommen, weiß Scholl.
Jedenfalls ist er froh, dass es doch etliche Menschen gibt, die den Tieren ihre Keller oder Dachböden zum Überwintern zur Verfügung stellen. „Die Tiere machen ja auch am Gebäude keinen Schaden und ihr Kot ist ein hervorragender Dünger. So beherbergt zum Beispiel die Familie von Deuster eine Kolonie im Schloss und der Kot sorgt dafür, dass die Rosen vor dem Schloss immer so prächtig gedeihen“, erzählt Scholl.
Wenn jemand ein verletztes Tier findet, so darf es gerne zu ihm nach Unfinden gebracht werden. Er berät aber auch die Leute, die eine Kolonie beherbergen oder sich sonst irgendwelche Probleme mit den Tieren einstellen, erzählt der Fledermausfreund.
Der kleine Kerl will in der Zwischenzeit nicht die Transportbox seines Pflegers verlassen. „Wahrscheinlich ist es ihm einfach noch zu hell.“ Bevor sich das Tageslicht endgültig verabschiedete, holt ihn Scholl dann aber mit sanfter Gewalt aus der Kiste, was der kleine Kerl mit energischem Schimpfen quittiert. Kaum dass man sich versieht, ist er dann aber auch schon weg. In die Freiheit.