Während die „Tafeln“ deutschlandweit in Schwierigkeiten gekommen sind durch die zunehmende Zahl an Bedürftigen, herrscht in der Bamberger Ausgabestelle für Lebensmittel „vorsichtiger Optimismus“. So beschreibt Wilhelm Dorsch, Leiter der „Bamberger Tafel“ in der Hohmannstraße 5a, die Situation. „Wir haben noch fast alles und sind gut bestückt“, erklärt der rührige Mittsiebziger. Und führt es darauf zurück, dass „die Bevölkerung uns super unterstützt und über 70 Märkte in Stadt und Landkreis Bamberg Waren abgeben“.
Ein Einbruch sei nicht spürbar, obwohl jetzt hauptsächlich ukrainische Flüchtlinge kämen, die zusätzlich zu den Einheimischen das Angebot nutzen würden. „Sonst haben wir pro Ausgabetag 80 bis 90 Kunden, nun sind es 140 bis 150“, listet Dorsch auf. Überhaupt begegne er vielen Nationalitäten und könne auf Erfahrungen zurückgreifen, die im Jahr 2015 mit den in Bamberg gestrandeten Geflüchteten aus aller Welt gesammelt worden seien.
Er wisse nur zu gut, dass gerade viele ältere Leute mit kleinen Renten die „Tafel“ nötig hätten. Doch die Hemmschwelle liege für sie hoch, weil es ihnen schwerfalle, Hilfe anzunehmen: „Sie kommen nicht“, bedauert er. Es brauche Mut, zur „Tafel“ zu gehen, meint Wilhelm Dorsch. Dabei könne jeder durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Weit mehr als bloße Bereitstellung von Lebensmitteln
So geschah es Stefanie Düthorn, die seit einem Jahr Kundin der „Bamberger Tafel“ ist. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern gelangte durch die Vermittlung des städtischen Jugendamtes in diese Einrichtung. „Mir geht es deutlich besser, seitdem ich ein Mal die Woche hierher komme“, erzählt die 35-Jährige offen. Es lohne sich, „ich schäme mich nicht und fühle mich auch nicht schlecht“, will Stefanie Düthorn anderen an sich Bedürftigen Zuspruch geben. Und: „Ich bin megaglücklich über die Hilfe, hier bin ich noch nie auf taube Ohren gestoßen, für jedes Problem gibt es eine Lösung“, freut sie sich über das „Spitzen-Konzept der Bamberger Tafel“.
Denn tatsächlich reicht das Angebot weit über die bloße Bereitstellung von Lebensmitteln hinaus. Wilhelm Dorsch, seine Ehefrau Michaela Revelant und das ehrenamtliche Helferteam – etwa 50 Personen in stundenweiser Abwechslung – fungieren auch als eine Art Kummerkasten: „Viele, die zu uns kommen, leiden unter seelischer Not und suchen ein Gespräch.“ Oder schnelle und unbürokratische Hilfe, wenn etwa die Rechnung für Strom nicht mehr bezahlt werden kann oder gar der Verlust der Wohnung droht. Dank zahlreicher Unternehmen und Privatleute, die mit Geld- und Sachspenden den Tafel-Verein unterstützen, „können wir helfen“, freut sich Wilhelm Dorsch auch über das Vertrauen der Kundschaft.
Eine der ältesten Ausgabestellen in Deutschland
Seit nunmehr 30 Jahren hat die „Tafel“ ihren Sitz in Bamberg und ist damit einer der ältesten Ausgabestellen in Deutschland. Es begann im Juni 1992 in der Garage des Ehepaares Dorsch/Revelant, in der es Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum, Backwaren vom Vortag oder Obst und Gemüse mit Druckstellen lagerte, die Händler zur Verfügung stellten statt zu entsorgen.
Die Initiatoren des gemeinnützigen Projektes krempelte die Ärmel hoch, brachten anfangs die Spenden persönlich zu den Menschen. Die Nachfrage sei immer größer geworden, blicken die beiden zurück. Schon im zweiten Jahr klapperte Wilhelm Dorsch mehrere Geschäfte ab, um noch mehr Lebensmittelspenden zu erhalten: „Das war in den 90er Jahren nicht einfach, ich bekam oft eine Abfuhr, Lebensmittelverschwendung war anders als heute noch kein Thema“, erinnert er sich.
Zu Beginn gehörte die „Tafel“ zur St. Vinzenzkonferenz St. Otto, 2005 schloss sie sich dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. an, seit 2014 ist sie selbstständig, nach mehrmaligem Umzug seit 2017 an ihrem jetzigen Standort. Und noch immer sorgen Wilhelm Dorsch und seine Helfer dafür, dass im Notfall prall gefüllte Taschen mit verwertbaren Nahrungsmitteln sogar nach Hause geliefert werden. So zum Beispiel zu einer 92-jährigen nicht mehr mobilen Frau, die die älteste Kundin der „Bamberger Tafel“ ist: „Bedrückend, dass die Rente zum Leben in Deutschland nicht reicht“, beklagt Dorsch und wirbt dafür, bei aller notwendigen Sorge um Flüchtlinge „die eigenen Leute nicht zu vergessen“.
Für jeden Kunden ein freundliches Wort
Hildegund Denscheilmann und Hannelore Mortag stimmen dem Tafel-Leiter uneingeschränkt zu. Seit vielen Jahren gehören die Frauen zu den Ehrenamtlichen, die mittwochs und samstags die Lebensmittel ausgeben. „Wir helfen gern!“ betonen die rührigen Damen, die für jeden Kunden, jede Kundin gleich welcher Herkunft ein freundliches Wort übrighaben. Und wo die Verständigung wegen einer Sprachbarriere nicht so funktioniert, haben sie ein strahlendes Lächeln auf den Lippen.
Gern verweisen sie auch auf den Laden mit gebrauchten Haushaltsartikeln, Bekleidung, Bücher, Wohnaccessoires, die jeder gegen eine Geldspende erwerben kann. „Der Laden trägt einen Teil der monatlichen Kaltmiete von 3000 Euro für die 1200 Quadratmeter große Fläche der Tafel“, berichtet Dorsch.
Pro Einkauf von Lebensmitteln – drei bis vier Taschen voll - werden 2,50 Euro fällig. Wilhelm Dorsch lächelt, als er weitere für sich sprechende Zahlen anführt: In den 30 Jahren ihres Bestehens hat die „Bamberger Tafel“ rund 290.000 Menschen geholfen, 900.000 ehrenamtliche Stunden und 2800 Lebensmittelausgaben geleistet. 1,7 Millionen Kilometer haben die Fahrer mit Kühlautos zu den Supermärkten zurückgelegt. Eine stolze Bilanz, die am 17. Juni mit geladenen Gästen wie Staatsministerin Melanie Huml oder Zweitem Bürgermeister Jonas Glüsenkamp gefeiert werden soll.