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Rügheim
Backofen fürs Brauhaus gebaut
Tradition: Die Rügheimer haben für ihr Brauhaus einen Backofen gebaut und an einer märchenhaften Geschichte mitgewirkt.
Alois Wohlfahrt
Alois Wohlfahrt
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:24 Uhr

Irgendetwas Besonderes muss passiert sein, wenn erwachsene Männer einen Kreis bilden, beinahe andächtig auf einen Punkt blicken und dann Worte fallen wie „a Traum“, oder jemand ganz pathetisch raunt: „es war Fügung“.

Ja, der Moment hatte etwas Feierliches an sich, als Volker German und Paul Vierneusel mit bedacht die Hölzchen zum Brennen bringen und aus dem Flämmchen schnell ein kleines Feuer wird. Die Flammen gewinnen an Fahrt, erleuchten hell den Schacht, in dem das Feuer brennt und zufrieden strahlt Herbert Häfner und sagt: „Der Rauch zieht schön ab, das ist schon mal ein gutes Zeichen.“

Die Männer haben das erste „Lebenszeichen“ des neuen Backofens im Rügheimer altehrwürdigen Brauhaus-Gemäuer miterlebt. Zusammen mit weiteren Helfern haben sie viel Freizeit investiert, um aus einem Haufen Steinen und Metallteilen einen Ofen zu bauen, der alles andere ist, als ein ganz normaler Holzbackofen.

Eine Idee und dann die Fügung

Die Geschichte beginnt bei dem, was auch im Mittelpunkt der Arbeiten im alten Brauhaus steht, bei einem geselligen Bier. Da hatte man überlegt, dass es doch auch schön wäre, wenn man im Brauhaus auch die Tradition des gemeinschaftlichen Backens wieder aufleben lassen würde – mit einem Holzbackofen, berichtet der Vorsitzende des Brauvereins Hofheimer Land, Rainer Huth. Das sprach sich auch im Ort herum.

Fotoserie

Nun kommt der Moment, den Paul Vierneusel denn auch mit „es war Fügung“ umschreibt. Dass man auf der Suche nach einem Holzbackofen war, das hörte auch der Rügheimer Rainer Schad. Und er erinnerte sich: Genau so ein Holzbackofen lag auf seinem Dachboden. Das besondere daran: der Ofen war original verpackt. Der schlummerte dort seit rund sieben Jahrzehnten.

Angeschafft hatte ihn sein Großvater Fritz, berichtet der 65-jährige Rainer Schad. „Weil es damals einfach so war, dass viele Landwirte auch einen Backofen hatten.“ Doch aufgebaut wurde das gute Stück dann nicht. Weil damals der Bäcker im Ort eröffnete. Dann noch selbst einen Ofen zu bauen, das machte für Schads Vorfahren keinen Sinn.

Und so sollte der neue alte Ofen nach sieben Jahrzehnten doch noch zu Ehren kommen. Für die Backofen-Planer war dies ein Glücksfall. Und zugleich ist dies auch bittere Ironie des Schicksals, es schließt sich der Kreis der Geschichte: In dem Jahr, in dem der alte Backofen nun zum Leben erwacht, hat die Bäckerei aufgehört zu existieren.

Rainer Huth und seine Kollegen mochten ihren Augen nicht trauen, als sie das gute Stück zum ersten Mal sahen. Gut, die metallenen Kästen hatten über die Jahre etwas Patina angesetzt und mussten aufgefrischt werden, damit nicht nur die Firmennamen, sondern auch das „Unser täglich Brot gib uns heute“ wieder richtig zur Geltung kamen. Aber faszinierend für alle war, dass gar die technische Ausstattung, wie etwa das Thermometer, noch original verpackt vorhanden waren. Alle Schamottsteine für das Innenleben waren wie neu erhalten.

Dann musste die digitale Gegenwart mithelfen, um die Historie wieder zum Leben zu erwecken: übers Internet konnte mit einer Nachfolge-Firma des damaligen Herstellers ein Bauplan beschafft werden. Der passte zwar nicht genau, aber Paul Vierneusel konnte anhand dieser Vorgaben und der Abmessungen des Dachboden-Fundstücks, daraus einen detaillierten Bauplan anfertigen.

Der Ofen, etwa 180 Zentimeter hoch und breit und etwa zwei Meter tief, besteht aus zwei steinernen „Schalen“. Die innere, aus Schamott, trägt die Feuerungsräume, die äußere sollte natürlich auch etwas „hergeben“. Und wieder spielte den „Bauherren“ das Glück in die Hände. Nicht nur Backsteine, sondern abgerundete für die Frontseite, steuerte Rainer Hochrein bei. Und so konnte Herbert Häfner zeigen, dass er nicht nur bei groben Natursteinen sein Maurer-Handwerk beherrscht, sondern auch, wenn es bei Sichtmauerwerk auf Millimeter ankommt.

Gemauerter Bogen als i-Tüpfelchen

Und wenn er jetzt zusammen mit Lothar Brochloß-Gerner aufs fertige Werk blickt, freuen sich die beiden besonders über einen Einfall, der ihnen zum Schluss der Bauphase gekommen war: der gemauerte Bogen über dem Feuerungsbereich – „das war das Tüpfelchen aufs i“, schmunzelt Häfner.

Rund 200 Stunden dürften die insgesamt gut zehn Helfer mit recherchieren, planen, mauern, Steine zurechtschneiden, Mörtel anrühren und anderen Arbeiten beschäftigt gewesen sein. Warum sie so etwas machen? Lothar Brochloß-Gerner sagt ohne Umschweife: weil es wichtig sei, „nicht über Kultur nur zu reden, sondern Kultur zu leben“.

Und Leben soll dann ins Brauhaus an Backtagen auch einkehren. Wenn die Resonanz da ist, vielleicht gar alle 14 Tage, „so wie es früher einmal war“, so Brochloß-Gerner. Und wenn alles klappt, dann soll auch das Brauhaus in diesem Jahr noch seinem Namen alle Ehre machen, so Rainer Huth: „Ziel ist es, dass wir heuer noch Bier brauen.“

Haxen und Wurzelgemüse

Übrigens, so harmonisch das erste Anfeuern des Ofens vonstatten ging, so unterschiedlich waren dann doch die Meinungen, auf was sie sich am meisten freuen, wenn sich die Backofentür einmal öffnet.

Auf einen wunderbaren „Haxen“, lacht Brochloß-Gerner, aufs Wurzelgemüse sagt Volker German, auf Käsekuchen, so wie es ihn früher gab, sagt Rainer Schad. Und fügt an: Hauptsache aber sei, dass der Ofen, der so lange auf seinen Einsatz gewartet hatte, seinen Zweck erfüllt und „nachfolgende Generationen erleben können, wie einmal gebacken wurde“.

Anstoßen aufs gelungene Werk: Sechs von rund einem knappen Dutzend Helfer beim Bau des Backofens im alten Brauhaus von Rügheim. Und wenn alles klappt, soll noch in diesem Jahr mit selbst gebrautem Bier angestoßen werden. Im Bild (von links) Lothar Brochloß-Gerner, Herbert Häfner, Rainer Huth, Volker German, Erhard Arnold und Paul Vierneusel.
Foto: Alois Wohlfahrt | Anstoßen aufs gelungene Werk: Sechs von rund einem knappen Dutzend Helfer beim Bau des Backofens im alten Brauhaus von Rügheim.
Rund sieben Jahrzehnte lagerte der Backofen auf dem Dachboden bei Rainer Schad. Technisches Zubehör war gar noch in der Originalverpackung.
Foto: Alois Wohlfahrt | Rund sieben Jahrzehnte lagerte der Backofen auf dem Dachboden bei Rainer Schad. Technisches Zubehör war gar noch in der Originalverpackung.
Damit am Ende alles passt, hieß es: genau arbeiten. Im Bild Peter Bittrich (von links), Herbert Häfner und Paul Vierneusel.
Foto: Alois Wohlfahrt | Damit am Ende alles passt, hieß es: genau arbeiten. Im Bild Peter Bittrich (von links), Herbert Häfner und Paul Vierneusel.
„Unser täglich Brot gib uns heute“ steht auf dem rund sieben Jahrzehnte alten Backofen. Und darüber die Jahreszahl 2017, das Jahr, in dem er zum ersten mal befeuert wurde.
Foto: Alois Wohlfahrt | „Unser täglich Brot gib uns heute“ steht auf dem rund sieben Jahrzehnte alten Backofen. Und darüber die Jahreszahl 2017, das Jahr, in dem er zum ersten mal befeuert wurde.
 
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