Akkustisch ist alles wie immer. Die Rasierapparate surren, die Scheren schnippeln und Marco Maas blafft seine Kunden an. Die sind das gewohnt und haben sich danach gesehnt, der raue Umgangston gehört schon seit der Eröffnung 2015 zum Haßfurter Herrenfriseur "Booder". Und auch Maas, der den Laden zusammen mit Florian Hailer führt, hat es vermisst, aufgrund der Corona-Krise acht Wochen lang nicht in seinem Laden in der Brückenstraße stehen zu können. "Mir hat das richtig gefehlt, meine Kunden zu beleidigen." Dass er dabei breit grinst, lässt sich unter dessen Stoffmaske nur erahnen.
Optisch dagegen hat sich einiges getan im Friseursalon. Zwar haben Maas und Hailer die Zwangspause für ihre Elternzeit genutzt - beide sind im Januar Vater je eines Sohnes geworden. Untätig waren sie aber nicht. Vor der Eingangstüre steht ein mobiles Waschbecken, auf den Boden des Innenraums im etwa 70 Quadratmeter großen Laden haben die Inhaber mit Klebeband eine Art Schachbrettmuster aufgeklebt: zur Gewährleistung des Mindestabstands.
Autotüren und Heckscheiben als Spuckschutz
Die Maßnahmen gehen noch weiter. Neben der Türe steht Desinfektionsmittel für die Hände bereit, die drei Arbeitsplätze sowie die Kasse sind zudem mit Autotüren und Heckscheiben abgesichert. "Plexiglas hat ja jeder. Wir wollten etwas geileres", sagt Maas. Die Schrottteile hatten sie sich von einem Haßfurter Autohaus besorgt. "Heute darf ich sogar mein Fenster herunterlassen. Der Flo hat montags frei." Einer der unzähligen Maas'schen Sprüche, der unter normalen Umständen den mit Kunden vollbepackten Salon zum Johlen gebracht hätte. In Zeiten der Pandemie sitzen nur zwei Gäste im Raum. Aber zumindest die lachen aus voller Kehle.
Aufgrund der Schutzmaßnahmen dürfen nur maximal drei Kunden bedient, einer zum Warten auf dem braunen Ledersofa geparkt werden. Mehr ist nicht drin. Deshalb arbeiten sie beim "Booder" ausschließlich mit Terminen, auch wenn Laufkundschaft wegen der großen Nachfrage bereits vor der Corona-Krise kaum zum Zug gekommen war. Dafür waren die Friseure bereits einen Tag vor der Wiedereröffnung im Laden. Vier Stunden hatten sich Maas & Co. am Sonntag genommen, um telefonisch Termine anzunehmen. Eine Mammutaufgabe.
Nachfrage lässt die Telefonleitung kapitulieren
"Nach ein paar Minuten ist unsere Telefonleitung zusammengebrochen", erzählt Niclas Eller, der für Maas und Hailer als Friseur arbeitet. "Kein Witz, da ging gar nichts mehr. Wir haben dann schnell unsere Handynummern ins Internet gestellt, damit die Leute uns erreichen können." Mit Erfolg: In den kommenden zwei Wochen ist der Herrenfriseur komplett ausgebucht.
Ein paar Euro mehr als früher müssen die Kunden dann für ihren Haarschnitt locker machen. "Wir hatten über die vergangenen viereinhalb Jahre immer den gleichen Preis. Durch die Mehrausgaben mussten wir von 18 auf 21 Euro gehen." Damit sollen nicht etwa die Autotüren und Heckscheiben refinanziert werden. Wirklich ins Geld gehen Einweghandschuhe und Wegwerfkittel. Jeweils 800 Stück hat Maas geordert, das soll den drei Friseuren etwa einen Monat lang reichen. "Man zerrupft ja doch mal einen Kittel oder reißt Löcher in die Handschuhe."
Die Kittel sind allerdings noch gar nicht in Haßfurt angekommen - Lieferengpass. Die üblichen Stoffexemplare sind ungeeignet. Aber wer sich Autotüren als Trennscheiben in den Laden montiert, der hat auch für dieses Problem eine Lösung. "Ich renoviere gerade unser Haus. Zum Glück hatte ich noch meterweise Malerfolie rumliegen", erzählt Maas und streckt feixend die Folien in die Luft. Jeder Kunde bekommt seine eigene, nach dem Schnitt wandert die Folie in den Müll.
Anfallende Müllberge sind besonders lästig
Das ist auch der Punkt, der Maas am meisten stört. "Dass wir keine Getränke ausschenken und keine Zeitungen auslegen dürfen, das macht ja alles Sinn. Aber was mir wirklich auf den Senkel geht, ist der ganze Müll, der durch die Wegwerfprodukte entsteht." Wobei gerade die Handschuhe einen entscheidenden Vorteil haben: "Wenigstens habe ich jetzt nicht den ganzen Tag Pomade an meinen Pfoten kleben." Auch das Schneiden und Frisieren funktioniere überraschend gut.
Wie lautet das Fazit nach dem ersten Arbeitstag unter erschwerten Bedingungen? "Eigentlich hat alles super geklappt. Ich muss zwar ständig meine Stoffmaske wechseln, meine Frau hat mir 15 Stück genäht. Aber die eines Kunden habe ich bisher noch nicht durchgeschnitten." Von seinen Gästen seien die Rückmeldungen auch positiv gewesen, an den Schutzmaßnahmen störe sich niemand. "Klar würde man gerne zum Schnitt ein Bier trinken und danach noch mit den Kumpels ein bisschen sitzen bleiben. Aber die Situation ist halt jetzt eine andere", sagt der 32-Jährige. Nur eine Sache, die bleibt wohl immer gleich. Gleich der erste Kunde an diesem Montagmorgen hatte seinen Termin vergessen. "Die sind unglaublich, diese Penner", sagt Maas und schüttelt lachend den Kopf.