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KERBFELD
Auszeit in Thailand: Ein Leben im Hier und Jetzt ist wichtig
Traum erfüllt: Familie Glücker aus Kerbfeld nahm sich eine Auszeit von einem Jahr, lebte unter anderem in Thailand und reiste mit dem Wohnmobil in Europa.
Traumhafte Sonnenuntergänge erlebten Manuela, Manuel und Lucie Glücker aus Kerbfeld während ihrer einjährigen Auszeit.
Foto: Glücker | Traumhafte Sonnenuntergänge erlebten Manuela, Manuel und Lucie Glücker aus Kerbfeld während ihrer einjährigen Auszeit.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:36 Uhr

Wie wollen wir leben? Was brauchen wir wirklich? Wozu sind wir da? Nicht besondere Sehenswürdigkeiten, beeindruckende Landschaften oder schöne Strände lockten Manuela und Manuel Glücker. Es war die Suche nach Antworten auf drängende Lebensfragen, die sie aufbrechen ließ.

Zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter Lucie machte sich das junge Paar auf die Reise. Ob Deutschland, Frankreich oder Thailand – es ging den beiden nicht um Urlaub in der Ferne. „Wir wollten uns selbst entdecken.“

Die quirlige junge Frau engagiert sich in ihrem Heimatort Kerbfeld als Oberministrantin und im Firmungsteam, sie spielt in der Blaskapelle und in einer Big Band mit, gründete mit anderen Jugendlichen zusammen eine Band. „Ich war immer irgendwo, nur nicht zuhause“, lacht die inzwischen 25-Jährige.

Fotoserie

Nach der Realschule lernt Manuela in einem Schweinfurter Betrieb Industriekauffrau. Zur selben Zeit macht Manuel Hofmann im selben Betrieb eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Doch erst bei einer privaten Feier lernen sich die beiden kennen und werden schließlich ein Paar.

Manuela und Manuel Glücker aus Kerbfeld mit Tochter Lucie auf Roller-Tour.
Foto: Glücker | Manuela und Manuel Glücker aus Kerbfeld mit Tochter Lucie auf Roller-Tour.

Am 11. Juni 2014 geben sich Manuela und Manuel Glücker das Ja-Wort. Sie ziehen in eine Wohnung im Haus von Manuelas Oma. Mitte August kommt Tochter Lucie zur Welt. „In meinem alten Freundeskreis hatte damals niemand ein Kind“, sagt Manuela. „Natürlich war ich mit Manuel und Lucie glücklich; ich hatte alles, Familie, Wohnung ...“ Doch die Kontakte zu alten Freunden wurden immer weniger; tagsüber fehlte es an Ansprechpartnern. Kinderkrippe kam für Manuela nicht infrage, „ich wollte ja mit meinem Kind zusammen sein.“

Dennoch: Den ganzen Tag alleine mit dem Kind – das erfüllte Manuela nicht. „Mir ging ein Stück Lebendigkeit und Lebensfreude verloren“, beschreibt sie ihre Lage. „Ich war für mein Kind da, aber nicht mehr für mich selbst.“ Das Gefühl wuchs: „Ich muss hier mal raus.“

Ihr Mann Manuel hatte gerade die Fortbildung zum Techniker beendet und wollte sich für einen entsprechenden Posten in der Firma bewerben. Sogar Pläne zum Bau eines Hauses waren schon geschmiedet worden. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht – Ernährung, Erziehung, Lebensstil“, sagt Manuel. Schließlich waren sich die beiden einig: Sie wollten sich noch nicht festsetzen für den Rest ihres Lebens. Stattdessen der spontane Beschluss: Wir machen uns auf den Weg.

„So abgedroschen es auch klingen mag: Uns ist ein Leben im Hier und Jetzt wichtig – wir wollen es nicht ins Rentenalter verschieben.“ Ein Jahr frei und unterwegs sein. Ohne große Planung, ohne festes Ziel. Dazwischen, je nachdem wie es sich ergibt, immer mal wieder zurückkommen. „Meine Vorgesetzten waren natürlich überrascht, dass ich auf meine Karriere verzichte und statt dessen ein Jahr Elternzeit beantrage“, sagt Manuel.

Manch einer ihrer Freunde beneidete die beiden, staunte über ihren Mut. „Wir selbst fanden das gar nicht besonders mutig“, lacht Manuela. Ihre Familie tat sich schwer mit dem Vorhaben.

„Klar, sie haben Lucie und mich täglich gesehen. Der Abschied fiel ihnen schwer und sie machten sich Sorgen um ihr Enkelkind.“ Von ihrem Ersparten kaufte sich das junge Ehepaar ein gebrauchtes Wohnmobil. „Bei mir ist im Laufe meiner Arbeitsjahre einiges zusammengekommen“, sagt Manuela. Ihre Wohnung und ihren Haushalt lösten die beiden auf. „In unserer Wohnung hatten sich schon so viele Dinge angesammelt, die man eigentlich gar nicht braucht.“ Es widerstrebte Manuela, Sachen wegzuwerfen. Das Verkaufen und Verschenken sei richtig stressig gewesen.

Reisen mit leichtem Gepäck

„Es reist sich besser mit leichtem Gepäck“ – das sei ihr Lied, sagen die beiden und strahlen sich dabei an. Und es ist tatsächlich eine fröhliche Leichtigkeit in ihrem Da-Sein zu spüren, nichts Abgehobenes und nichts Aufgesetztes. Nur eine große Neugierde auf das Leben.

Am 22. August war es soweit. Die kleine Familie steuerte mit ihrem neuen Mobilheim – getauft auf den Namen „Spirit“ – Thüringen an. Die Wohnmobilneulinge mussten sich erst einmal an ihr neues Zuhause gewöhnen. Wo bleibt man nachts stehen? Wie funktionieren Kühlschrank und Outdoordusche? Woher bekommt man frisches Wasser und wie kann man trotz schrägem Untergrund gut schlafen?

Ungewohnter Anblick: Erdverkabelung von Strom- und Telefonleitungen gibt es in Thailand noch nicht.
Foto: Glücker | Ungewohnter Anblick: Erdverkabelung von Strom- und Telefonleitungen gibt es in Thailand noch nicht.

Für die kleine Lucie wurde das Wohnmobil rasch zu ihrem neuen Zuhause. Sie liebte es – allerdings nicht, wenn es fuhr. „Wir sind oft nur kurze Strecken oder nachts gefahren“, sagt ihr Vater. Schließlich waren sie Anfang Oktober doch in Frankreich in der Bretagne angekommen. „Wir haben den Strand, das Meer, die Natur und tolle Begegnungen mit den Menschen dort genossen“, schwärmt Manuela.

24 Stunden zu dritt auf engem Raum sei natürlich auch eine Herausforderung, gibt das Paar zu. „Wir mussten uns erst zusammenfinden.“ Den ursprünglichen Plan, den Winter in Portugal zu verbringen, geben sie wegen der weiten Fahrt auf. Stattdessen kehren sie für kurze Zeit nach Kerbfeld zurück und buchen für den 1. Dezember einen Flug nach Thailand.

Im Internet las Manuela von einem Treffen reisender Familien, die sich mit alternativen Lebensformen beschäftigen. Diese verbringen den Winter in einem Ressort auf der Insel Koh Phangan in Thailand. „Wir haben uns dort eine Art Zelt-Haus gemietet und mit einigen Familien getroffen“, berichten die Glückers.

Beim „Beach Talk“ brachte jeder sein Wissen und seine Erfahrungen ein. „Das ging vom Foodsharing über natürliche Kosmetik und gesunde Ernährung bis hin zum Dauerreisen als Familie“. Und auch wenn heftige Monsunregen zweimal das Zelt überschwemmten und Mutter und Tochter einmal gehörig krank wurden – „es war absolut wertvoll, diese Familien, deren Lebensweisen und natürlich uns selbst so intensiv kennenzulernen.“

Für Lucie war es trotz der vielen Kinder, die dort waren, anfangs nicht leicht. Sie vermisste das Wohnmobil und brauchte viel körperliche Nähe zu ihrer Mama. „Es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen“, räumen Lucies Eltern ein. „Es war auch immer wieder sehr anstrengend und manchmal ging es hart an die eigenen Grenzen.

“ Aber auch das sei wichtig und jeder von ihnen konnte viel daraus lernen. „Vieles braucht einfach Zeit und die hatten wir in Thailand“, schwärmen sie. Keine Ablenkungen, keine Uhrzeit, nichts zu erledigen.

Demnächst geht's nach Italien

In Thailand lebten die Glückers in einem Zelthaus – wenn sie nicht vom Monsun vertrieben wurden.
| In Thailand lebten die Glückers in einem Zelthaus – wenn sie nicht vom Monsun vertrieben wurden.

Seit Anfang Februar sind die Glückers zurück. Nach ein paar Wochen mit Familie und Freunden ziehen Manuela, Manuel und Lucie die nächsten Tage erneut mit dem Wohnmobil weiter. Zunächst Richtung Süden, nach Italien.

Ein Auftritt mit ihrer Band „Blackout“ beim Musikfestival der Hofheimer Allianz in Aidhausen führt sie im Mai zurück in die Heimat. Bis die Elternzeit von Manuel am 20. August endet, stehen als Reiseziele noch die Schweiz, Österreich und Deutschland zur Debatte.

Und dann? Mit dem „Danach“ will sich das Paar noch nicht beschäftigen. „Wir haben Vertrauen ins Leben“, sagt Manuela, „es wird sich alles zu seiner Zeit ergeben.“

 
 
 
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