
Acht Mal nahm der Eggolsheimer Rudolf Distler die Fahrt nach Transkarpatien auf sich. Der Aufenthalt diente dem Historiker seinen Recherchen über die "Schönbornfranken". Die Ergebnisse flossen in seine Dissertation "Die vergessenen Schönbornfranken in der Region Mukatschewo/Ukraine: Zur Geschichte und Volkskultur einer deutschsprachigen Minderheit".
Distler konnte mit seiner Doktorarbeit das wissenschaftlich vertiefen, was Anfang der 1990er-Jahre der Waischenfelder Journalist Anton Sterzl ausfindig gemacht hatte. Dass nämlich dort in der "Oblast Transkarpatien" im äußersten Westen der Ukraine Nachfahren von einst im 18. Jahrhundert ausgewanderten fränkischen Handwerker- und Bauernfamilien leben. Die Namen ihrer Dörfer klingen eigentlich nach Fränkischer Schweiz: Plankendorf, Mädchendorf, Sophiendorf, Schönborn, Pausching und andere.
Die etwa 3500 Bewohner dieser Dörfer bei Mukatschewo mit so typisch deutschen Namen werden "Schönbornfranken" genannt nach ihrem einstigen Landesherrn: Auf Geheiß von Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn (1729 bis 1746) brachen Familien aus Burgwindheim, Lauf, Scheßlitz, Schlüsselfeld, Thüngfeld, Forchheim, Weilersbach und Orten in Mainfranken im Jahr 1731 in das heutige Transkarpatien – damals Oberungarn – auf. Sie sollten das von Kriegen verwüstete Land des Bamberger und Würzburger Fürstbischofs wieder aufbauen. Was die Siedler aus dem Frankenland auch erfolgreich taten.

Über ihr Schicksal informiert noch bis zum 5. September 2024 eine Ausstellung in der ehemaligen Infothek im Rathaus Maxplatz. Die zwölf großformatigen Text- und Bildtafeln laden nicht grundlos in die Schaltstelle der Bamberger Stadtpolitik ein. Denn im Dezember 2023 wurde mit Mukatschewo die siebte Städtepartnerschaft begründet. Und zwar nicht am Punkt Null, sondern aufbauend auf die langjährigen Beziehungen des Erzbistums Bamberg und der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) mit Transkarpatien als Initialzündung für die neue Städtepartnerschaft.
Zumal "unsere ganze Solidarität dem ukrainischen Volk gilt, und wir unsere Hoffnung auf eine gute zukünftige Entwicklung unserer Städtepartnerschaft setzen", hatte Oberbürgermeister Andreas Starke seiner Amtskollegin Julia Tayps aus Mukatschewo beim Überreichen der zweisprachigen Partnerschaftsvereinbarung im Rokokosaal des Alten Rathauses versichert.
Und die Vize-Bürgermeisterin entgegnete in fließendem Deutsch, wie wichtig es in diesen schweren Zeiten sei, "nicht nur militärische, sondern auch moralische Unterstützung unserer Partner zu spüren". Partner wie die Stadt Bamberg, die etwa gleich groß wie Mukatschewo ist. Beide Städte haben darüber hinaus viele Gemeinsamkeiten, sind zum Beispiel römisch-katholische Bischofssitze, verfügen über eine Universität, ein reiches historisches und kulturelles Erbe.
"Wir wollten unsere Verwandten in den Schönborndörfern nicht alleine lassen", erinnert sich Adam Bucher an den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Bucher, Vorsitzender des Arbeitskreises Ukraine der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in der Erzdiözese Bamberg, verweist auf den entsprechenden Artikel in der Bamberger Kirchenzeitung "Heinrichsblatt" des Journalisten Sterzl, der die KLB alarmiert habe, blickt Bucher zurück.
Der Diözesanvorstand habe eine Delegationsreise in die Karpaten beschlossen. Maßgebliche Organisatorin dieser Reise sei Elvira Eckschmidt gewesen, die zwei Jahre zuvor aus der Bistumsstadt Mukatschewo nach Baunach gezogen war: "Sie konnte für uns wichtige Kontakte vor Ort knüpfen", erzählt Bucher.
Was die Bamberger Delegation in den Schönborndörfern antraf, verblüffte die Teilnehmer: "Die Bewohner pflegen die deutsche Sprache und deutsche Kultur in entsprechenden Vereinen!" Mit den Verantwortlichen der Dörfer wurden Vorschläge für die künftige Partnerschaft mit der KLB Bamberg erarbeitet. Wichtige Themen waren dabei humanitäre Hilfe, Begegnung, Schaffung von Arbeitsplätzen und wirtschaftliche Kontakte, Kulturaustausch und mehr.
Längst sind die partnerschaftlichen Beziehungen keine Einbahnstraße mehr: Auf Studienfahrten der KLB mit Dutzenden Franken nach Transkarpatien folgen Gegenbesuche im Erzbistum Bamberg. An "Deutschen Kulturtagen" in Mukatschewo oder den Schönborndörfern wirken fränkische Stubenmusiker mit, Schüleraustausch, Begegnung von sportbegeisterten Jugendlichen, neue Arbeitsplätze durch Firmen aus der Region Bamberg in Transkarpatien, Aupair-Mädchen aus den Schönborndörfern in Franken: Die Liste beiderseitiger Kontakte ist lang und selbst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht zunichte gemacht.
Von der Geschichte der Schönbornfranken mit ihren Beweggründen für eine Auswanderung aus der Heimat bis hin zum Leben als deutsche Minderheit in Transkarpatien heute erzählt diese Ausstellung im Rathaus am Maxplatz. Landkarten, Grafiken, Fotografien illustrieren die gut verständlichen Texte. Es ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die maßgeblich von Dr. Rudolf Distler konzipierten Infotafeln im Auftrag der "Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland" (Bayreuth) durch verschiedene fränkische Städte auf Wanderschaft gehen, anstatt nun den engen Bezug speziell Bambergs zu Transkarpatien zu erwähnen.
Für das Verständnis, warum sich Bamberg in diesen Sommerwochen den Schönbornfranken widmet, wäre ein Begleittext oder zumindest ein ausliegender Handzettel hilfreich. Und eine freundschaftliche Geste in Richtung der neuen Partnerstadt Mukatschewo.