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Bamberg
Ausstellung "Pest und Cholera" in der Staatsbibliothek Bamberg
Professor Mark Häberlein hat die Ausstellung wissenschaftlich erarbeitet und kuratiert.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Professor Mark Häberlein hat die Ausstellung wissenschaftlich erarbeitet und kuratiert.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 13.05.2023 02:30 Uhr

Der Blick in einer der Vitrinen bleibt an einem schaurig-schönen Holzschnitt hängen: am "Tanz der Gerippe" aus Schedels "Weltchronik" von 1493, den Michael Wolgemut unter dem Eindruck der Pest entwarf. Memento mori: Der Totentanz mahnt an die Gegenwart des Todes, aber auch an die Hoffnung auf Auferstehung.

Überhaupt spart die Staatsbibliothek Bamberg in ihrer neuen Ausstellung bibliophiler Schätze aus dem 15. bis 19. Jahrhundert nicht mit gruseligen Details aus früheren Zeiten, in denen der Ausbruch von Seuchen wie Pest und Cholera als Zorn Gottes über die sündige Menschheit verstanden wurde. Und nur inbrünstige Gebete und fromme Werke Gott wieder gnädig stimmen konnten. "Selbst Ärzte vertraten diese primäre Ansicht", erklärt der Kurator dieser Schau, Professor Mark Häberlein, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte an der Universität Bamberg.

Ausstellung zeichnet verblüffende Parallelen

Unter den Erfahrungen der jüngsten Pandemie, die die Welt seit 2020 in Atem hält, klingen diese Worte natürlich völlig abstrus. Doch die Ausstellung mit dem Titel "Pest und Cholera. Seuchenbewältigung in Bamberg in der Frühen Neuzeit" zeichnet verblüffende Parallelen und ordnet Corona in einen größeren historischen Kontext ein. Ideengeberin ist Professorin Bettina Wagner, Direktorin der Staatsbibliothek, die bereits im Sommer 2020 Pläne schmiedete für eine Ausstellung, deren Fokus auf den Strategien zum Umgang mit Seuchen in Bamberg der frühen Neuzeit liegen sollte. Denn massenhafte Erkrankungen, die durch unbekannte Erreger ausgelöst wurden, waren ein regelmäßiges Phänomen der Vormoderne. Und da die Staatsbibliothek und auch das Staatsarchiv Bamberg einen reichen Fundus an Materialien zu diesem Thema verwahren, lag deren wissenschaftliche Auswertung nahe.

Professor Häberlein leistete diese in einer Lehrveranstaltung zu frühzeitlichen Seuchen: Auf dem Höhepunkt der Covid 19-Pandemie setzte er sein Expertenwissen über die Geschichte des Medizinalwesens im ehemaligen Hochstift Bamberg ein und begeisterte seine Studierenden für die Realisierung einer Ausstellung und ihrer Begleitpublikation.

Lehren aus der Geschichte für die Gegenwart

Etliches, was in den Drucken, Broschüren, Ratgebern mit Rezepten, Bestallungen, Verordnungen oder sogar Zeitungsanzeigen im Schauraum der Staatsbibliothek dargeboten wird – knapp 40 Exponate - drängt sich als Lehren aus der Geschichte auf die Gegenwart auf: Weltweite Seuchenbekämpfung durch Hygienevorschriften, Quarantäne, Isolation von Kranken, Lockdowns, Einreiseverbote gegen Fremden, Warenkontrollen, Kontaktbeschränkungen kannten schon die Altvorderen. Vor allem die geistliche Obrigkeit, die Bischöfe, erließen Maßnahmenkataloge, die "ein yeder vernunfftiger vnnd verstendiger mensch" gewiss einsehen werde. So schrieb etwa Fürstbischof Weigand von Redwitz im Jahre 1543, als die Pest auch in der Stadt Bamberg wütete. Einer seiner Nachfolger, Philipp Valentin Voit von Rieneck, ließ 1669 Fastnachtsfeiern wegen drohender Seuchengefahr verbieten. Umso vehementer wurde die Verehrung und Anrufung von Pestheiligen wie Rochus und Sebastian praktiziert, was die Einordnung von Seuchen in das damalige religiöse Weltbild widerspiegelt.

Verschiedene Dokumente beleuchten die Rolle der Hof- und Leibärzte sowie der viel zu wenigen Stadtärzte, der Apotheken, Barbiere, sesshaften und reisenden Heiler, Krankenwärterinnen und Siechenhäuser, der Scharfrichter als Kenner von Anatomie und Wundversorgung nach Folter. "Nicht zu vernachlässigen sind externe Einflüsse", sagt Professor Häberlein. Denn landesherrliche Mandate sowie Schriften der Ärzte griffen häufig auf Vorbilder aus anderen Städten und Territorien zurück. So ist zum Beispiel die Pestordnung der Reichsstadt Nürnberg von 1562 in einer Bamberger Abschrift überliefert. Ein 1713 in Nürnberg erschienener Seuchenratgeber wurde auch in Bamberg verteilt.

1789 wird das Allgemeine Bamberger Krankenhaus eröffnet

Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts war das Medizinalwesen in Nürnberg im Vergleich zu Bamberg ohnehin effektiver und schlagkräftiger. Eindrucksvoll belegt die Staatsbibliothek jedoch, wie die Bischofsstadt Bamberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen großen Schritt nach vorn ging: Unter Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim erhielt die Universität Bamberg eine eigene medizinische Fakultät. Als Lehrkrankenhaus für den klinischen Unterricht, vor allem aber für eine zeitgemäße Versorgung und Therapie heilbarer Krankheiten konzipierten Seinsheims Nachfolger Franz Ludwig von Erthal und sein Leibarzt Adalbert Friedrich Marcus das 1789 eröffnete Bamberger Allgemeine Krankenhaus: "ein Umbruch im Medizinalwesen, der überregional Aufmerksamkeit fand", wie Mark Häberlein weiß.

Top aktuell erscheint die öffentliche Debatte zu sein, die Impfgegner vor 200 Jahren lostraten: gegen die Pockenschutzimpfung, die der englische Landarzt Edward Jenner 1796 erstmals erfolgreich anwandte. Auch der Bamberger Krankenhausdirektor Marcus impfte Kinder und trug zur Weiterverbreitung der Impfung in Franken sowie im benachbarten Böhmen bei. 1801 publizierte er in den Fränkischen Provinzialblättern eine ausführliche "Nachricht über die Kuhpockenimpfung in Bamberg", in der er sich mit Vorbehalten gegen die Impfung auseinandersetzte. Alle führenden Köpfe, Ärzte und Nichtärzte würden die Impfung "als ein Sicherungsmittel gegen die Ansteckung empfehlen", schrieb Marcus. Doch es gebe eine Minderheit, welche schädliche Gerüchte in die Welt setze, um unschlüssige Eltern und Erzieher zu verunsichern und sie davon abzuhalten, ihre Kinder impfen zu lassen.

1807 allgemeine Impfpflicht gegen Pocken

Als erstes europäisches Land führte das Königreich Bayern 1807 eine allgemeine Impflicht gegen die Pocken ein. Die Staatsbibliothek zeigt einen "Beglaubigungsschein", den der Impfarzt ausfüllen musste. Eine ähnlich drastische Vorsichtsmaßnahme war die Gebrauchs-Anweisung für ein eigens konstruiertes Schwitzbad, dem sich an Cholera Erkrankte aussetzen sollten. Professor Häberlein zur Gesamtschau: "Die Auswahl der Objekte soll die enge Verschränkung von Glauben und Wissen im Denken frühneuzeitlicher Ärzte und Laien, das Kaleidoskop medizinischer Angebote in einer vormodernen Stadt sowie Kontinuitäten und Zäsuren im Umgang mit Epidemien exemplarisch veranschaulichen."

Öffnungszeiten

Die Ausstellung in der Staatsbibliothek Bamberg, Neue Residenz Domplatz 8, ist bis zum 15. Juli bei freiem Eintritt zu sehen. Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, Samstag 9 bis 12 Uhr, Sonn- und feiertags geschlossen. Jeden Donnerstag (außer feiertags) Führungen um 17 Uhr. Zur Ausstellung und den Begleitvorträgen mehr im Netz unter wwww.staatsbibliothek-bamberg.de
(mkh)
 
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