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HASSFURT
„Aushängeschild der Klinik würde geopfert“
Neugeborenes Kind       -  Es geht nicht nur um den Ort der Entbindung, sondern auch um die umfassende Hebammenbetreuung vor und nach der Geburt, die im Heimatkreis in Gefahr ist – sagen die Haßfurter Hebammen.
Foto: DPA | Es geht nicht nur um den Ort der Entbindung, sondern auch um die umfassende Hebammenbetreuung vor und nach der Geburt, die im Heimatkreis in Gefahr ist – sagen die Haßfurter Hebammen.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:16 Uhr

„Mit Eurer Unterschrift tretet Ihr für den Erhalt der Haßfurter Geburtshilfe ein.“ So steht es auf den Listen, die die von der möglichen Schließung der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses betroffenen Hebammen seit Dienstag unter Freunden, Bekannten und Unterstützern verteilen. Wie viele Männer und Frauen inzwischen mit ihrem Namen Solidarität bekundet haben, lässt sich gegenwärtig kaum abschätzen.

Aber die zehn Haßfurter Hebammen kämpfen multimedial für ihre Interessen: Sie haben eine Online-Petition gestartet, und auch hier heißt es: „Helfen Sie, dass die Geburtshilfe am Standort Haßfurt erhalten bleibt!“ Und der Erfolg der Petition, die von Hebamme Stefanie Urlaub initiiert wurde und die an Landrat Wilhelm Schneider gerichtet ist, lässt sich zu jeder Sekunde auf der Plattform Open Petition Deutschland ablesen: Am Mittwochabend um 19.00 Uhr hatte das Begehr der Haßfurter Hebammen bereits 2542 Unterstützer, davon 1590 aus dem Landkreis Haßberge – auch das ist online ablesbar.

Die Heimatzeitung hätte gerne von Landrat Schneider (CSU) erfahren, ob er mit derartigem Gegenwind aus der Bevölkerung gegen das Wegrationalisieren der Geburtshilfe gerechnet hatte – und ob die große Protestaktion möglicherweise zu einem Umdenken führen könnte; aber der Kreischef war gestern für die Redaktion nicht zu erreichen. Wie mehrfach berichtet, müssen die stark defizitär arbeitenden Haßberg-Kliniken sparen. Dem Sparzwang soll nicht nur die Geburtshilfe am Krankenhaus Haßfurt zum Opfer fallen, sondern auch der Krankenhausstandort Hofheim; er soll zum Medizinischen Versorgungszentrum werden.

Bereits am Dienstag hatte die Wahlkreisabgeordnete Dorothee Bär (Ebelsbach, CSU) versprochen, ein offenes Ohr für die Hebammen zu haben. Am Mittwoch hatte die Redaktion Gelegenheit, mit MdB Sabine Dittmar (SPD) zu sprechen, die frei heraus zugab, dass sie „total überrascht“ war, dass es im Zuge von Strukturmaßnahmen ausgerechnet die Geburtshilfe erwischt. „Ich kenne den guten Ruf der Geburtsabteilung in Haßfurt“, sagte die Ärztin und Gesundheitspolitikerin aus Maßbach. Da müssten sich die Haßberg-Kliniken sehr genau überlegen, „ob sie wirklich dieses Aushängeschild opfern“, deutet Dittmar an, dass sie für den Opfer-Fall „eine Sogwirkung nach unten befürchtet“.

Auch Dittmar will sich erst einen Überblick über die Lage verschaffen, ehe sie die Einschnitte beurteilt. Sie wird sich hierzu mit der SPD-Kreistagsfraktion treffen und Einblick in alle Unterlagen nehmen. Dass angesichts des jährlichen Defizits von zuletzt annähernd drei Millionen Euro entschiedenes Gegensteuern nötig ist, zweifelt sie nicht an.

Was die Sozialdemokratin nicht gelten lässt, ist die oft wiederholte Klage der Haßberg-Kliniken, die Bundespolitik setzte nur auf große Kliniken und lasse die kleinen Krankenhäuser im Regen stehen. „Das stimmt nicht“, behauptete Dittmar und verwies unter anderem auf die mit dem Krankenhausstrukturgesetz von 2015 verabschiedete bessere Behandlungs- und Betriebskostenstabilisierung hin. Diese Stabilisierung fange einen Großteil der „Tarifschere“ auf, die sich durch immer höhere Personalkosten öffne. Der Personalkostenanteil am Betrieb der Haßberg-Kliniken belief sich zuletzt auf knapp 80 Prozent.

Dittmar empfahl dem Kommunalunternehmen ferner zu prüfen, ob es nicht in den Genuss von Sicherungszuschlägen gelangen könne, die Krankenhäusern, die in ihrer Region einen unverzichtbaren Versorgungsauftrag erfüllen, aus der Bredouille helfen können.

Für Grundsatzdiskussionen in Sachen Gesundheitspolitik fehlt den Haßfurter Hebammen die Zeit – schon am 6. Juni soll der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken das Urteil über die Geburtshilfe fällen. „Ist es dem Landkreis wert, seinen Frauen und zukünftigen Müttern eine liebevolle, individuelle und einfühlsame Geburtshilfe vor Ort zu bieten?“ fragen sie in ihrer Online-Petition. Es gehe nicht nur um den Ort der Entbindung, sondern auch um die umfassende Hebammenbetreuung vor und nach der Geburt, die dadurch im Landkreis Haßberge gleichfalls bedroht sein könnte, und gleichzeitig um den Erhalt eines attraktiven Standorts für Familien.

Die Onlinepetition ist zu finden unter:

www.openpetition.de/petition/online/helft-den-hassfurter-hebammen

Der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken

• Die Geschicke der Haßberg-Kliniken lenken als Vorstand der Vorstandsvorsitzende Stephan Kolck und Vorstandskollege Wilfried Neubauer.

• Da die Kliniken ein Kommunalunternehmen sind, bedürfen wichtige Entscheidungen der Zustimmung des nicht öffentlich tagenden Verwaltungsrates, der sich aus Mitgliedern des Kreistages zusammensetzt.

• Vorsitzender des Verwaltungsrates ist Landrat Wilhelm Schneider (CSU).

• Dem Verwaltungsrat gehören neben Schneider 14 Kreisräte an, die jeweils einen 1. und einen 2. Stellvertreter haben (ebenfalls Kreisräte). Und das ist die aktuelle Liste:

Als ordentliche Mitglieder gehören dem Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken an:

• CSU: Siegmund Kerker, Steffen Vogel, Dr. Peter Jung, Wolfgang Borst, Günther Geiling; • SPD: Susanne Kastner, Dr. Alfred Hahn, Wolfgang Brühl;

• Wählergemeinschaft (WG): Birgit Bayer, Peter Klein;

• Junge Liste (JL): Dr. Alexander Ambros;

• Grüne: Rita Stäblein;

• FDP: Dr. Heinrich Goschenhofer;

•ÖDP: Klemens Albert.

 
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