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HAßFURT
Ausbildungsmarkt: „Wir dürfen niemanden liegen lassen“
Sonja Helmerich ist die neue Regionalmanagerin des Landkreises. Sie stellte sich nun dem Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Regionalentwicklung des Kreistages vor. Die gebürtige Treinfelderin lebt jetzt in Ebern. Die heute 26-Jährige hat zunächst in Passau den Bachelor in European Studies abgelegt und dann das Master-Studium in Sozial- und Bevölkerungs-Geografie in Bamberg angeschlossen. Ihre Masterarbeit ist derzeit eingereicht.
Foto: Weinbeer | Sonja Helmerich ist die neue Regionalmanagerin des Landkreises. Sie stellte sich nun dem Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Regionalentwicklung des Kreistages vor. Die gebürtige Treinfelderin lebt jetzt in Ebern.
Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 29.10.2017 02:57 Uhr

„Arbeit, Wirtschaft und Regionalentwicklung“, so lautet das Aufgabenfeld eines Kreistagsausschusses. Und dieser befasste sich nun ausführlich mit Zahlen, die alle drei dieser Themen betreffen. Die Rede ist vom Ausbildungsstellenmarkt. Dazu waren Referenten der Agentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer (HWK) eingeladen. Dabei wurde eines klar: Der Fachkräftemangel hat viele Branchen bereits massiv erreicht. Noch immer aber gibt es Bewerber, die ohne Ausbildungsstelle bleiben.

Schon seit Jahren verlassen kleinere Jahrgänge die Schulen. In der Folge habe sich rein rechnerisch die Schere zwischen angebotenen Ausbildungsstellen und Bewerbern geschlossen, berichtete Peter Stretz. Der Teamleiter der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur hatte die aktuellen Zahlen dabei. Jedoch gibt es nach wie vor mehr Bewerber als Stellen in den „Lieblingsberufen“. Zudem haben sich Berufsbilder in den vergangenen Jahren gewandelt, so dass viele Schulabgänger auch nicht die richtigen Voraussetzungen mitbringen. Wie viele Azubis in die großen Betriebe nach Schweinfurt und Bamberg abwandern, ist nicht erfasst. Bei den Pendlern werden die Azubis nicht eigens aufgeführt.

Das Fehlen der Facharbeiter

Wo der echte Bedarf an Nachwuchs besteht, das machten auch Dr. Lukas Kagerbauer, Bereichsleiter Berufsausbildung bei der IHK, und Jörg Brückner von der Handwerkskammer deutlich. Facharbeiter seien stärker gesucht als Akademiker, betonte Kagerbauer. Weil die Facharbeiter aber schon jetzt fehlten, habe die bayerische Wirtschaft im laufenden Jahr Einbußen von 3,5 Prozent der Bruttowertschöpfung erlitten, was 16,9 Milliarden Euro entspreche. Bis 2030 könnte dieser Verlust sich fast verdoppeln. Aufträge seien da, allein es fehle am Personal, das sie abarbeite.

Dies erlebt das Handwerk noch viel stärker als die Industrie. Die Bauwirtschaft boomt, die Ausbildungsplätze in den entsprechenden Berufen sind aber nicht sehr gefragt bei den jungen Leuten. Darunter sind auch sehr anspruchsvolle Ausbildungen wie zum Anlagenelektroniker, hier wird auch durchaus ordentlich bezahlt. „Wir steuern da auf ein echtes Problem zu“, prognostizierte Jörg Brückner. Bäcker und Metzger suchten die Kreisräte vergeblich unter den „Top 10“ der Ausbildungsberufe.

Auf Bauhandwerker wird man künftig lange warten müssen. Und auch die Preise werden ansteigen. Darauf hat man sich im Landratsamt, das ja auch viele Aufträge vergibt, schon eingestellt. „Wenn diese erhöhten Preise dann auch an die Mitarbeiter weitergebeben werden, dann sollten auch diese Berufe im Verhältnis zur Industrie attraktiver werden“, meinte Landrat Wilhelm Schneider. Wer nicht besser bezahle, werde künftig keine Leute mehr finden, erklärte Jörg Brückner ganz klar. Wenn der Facharbeiterlohn nur knapp über Mindestlohn liege, dann habe man eben das Nachsehen gegenüber anderen Tarifen.

Die IHK verzeichnete im laufenden Jahr 249 Ausbildungsverhältnisse im Landkreis Haßberge, davon 107 im gewerblich-technischen und 142 im kaufmännischen Bereich. Seit fünf Jahren führe der Bewerbermangel zu einem Rückgang, der sich nun leicht stabilisiere. Problematisch sei, dass 75 Prozent der Azubis in nur 20 Berufen ausgebildet würden, einige Berufsbilder hätten es schwer. Nicht gefruchtet hätten Aktionen wie girls- und boys-day. Nach wie vor hätten Jungs und Mädchen ihre spezifischen Lieblingsberufe.

Augenmerk auf Studienabbrecher

Die IHK bemüht sich um assistierte Ausbildung, richtet aber auch ein großes Augenmerk auf Studienabbrecher, um ihnen Ausbildungsberufe nahe zu bringen. Auch Abiturienten interessieren sich in einem nicht zu unterschätzenden Maße für Ausbildungen. Etwa 80 seien das im Landkreis Haßberge, schätzte Peter Stretz. Allerdings meldeten sich viele Gymnasiasten gar nicht bei der Arbeitsagentur, sondern suchten selbst – oft am Landratsamt , erklärte Geschäftsführer Horst Hofmann.

Das Bemühen um junge Menschen aus Spanien, wo eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrsche, sei an der Sprachbarriere und am Heimweh der jungen Leute weitgehend gescheitert, erklärte Kagerbauer. Flüchtlinge könnten jedoch durchaus in Handwerksberufe integriert werden, stellte Brückner fest. Doch müsse man zunächst genug Augenmerk auf den Spracherwerb richten. Man habe im Landkreis erste gute Erfahrungen gemacht. 211 Handwerksbetriebe bildeten hier aus, 566 Ausbildungsverhältnisse seien hier heuer geschlossen worden.

Nach wie vor ist das Handwerk vorwiegend männlich (450 junge Männer zu 116 jungen Frauen) und konzentriert sich auf die Meisterberufe. In Berufen (Beispiel: Fliesenleger), in denen die Meisterpflicht als Voraussetzung für die Selbstständigkeit abgeschafft wurde, „ist die Ausbildung praktisch komplett zusammengebrochen“, erklärte Brückner.

Nach wie vor kommen die meisten Auszubildenden im Handwerk von der Mittelschule, immer mehr aber haben Mittlere Reife. „Wir haben anspruchsvolle Berufe, und da müssen die Azubis auch der Theorie gewachsen sein“, wünscht sich Brückner mehr Bewerber mit mittlerem Abschluss. Die Handwerkskammer arbeite intensiv am oft schlechten Image des Handwerks. So gebe es auch Fortbildungsangebote für Betriebe. Denn auch an der Art der Ausbildung messe sich der Ruf des Handwerks, so Brückner.

Im Ausschuss wird man sich jetzt beraten, was die Kommunalpolitik tun kann, um den Ausbildungsmarkt zu unterstützen, damit die wenigen Schulabgänger nicht auch noch außerhalb des Kreises arbeiten, wo sie doch bei den heimischen Firmen händeringend gebraucht werden. „Wir dürfen niemanden liegen lassen. Wenn es uns gelingt, die Basis zu verbreitern, dann haben wir etwas gekonnt“, so Landrat Schneider.

 
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