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HAßFURT
„Aus medizinischer Sicht vertretbar“
Apothekerin Doris Zeltner (rechts) nimmt von einer Patientin ein Rezept durch die Notdienstklappe entgegen. Bisher ist in Haßfurt immer in mindestens einer Apotheke die Versorgung gewährleistet. Das könnte sich jedoch bald ändern.
Foto: Peter Schmieder | Apothekerin Doris Zeltner (rechts) nimmt von einer Patientin ein Rezept durch die Notdienstklappe entgegen. Bisher ist in Haßfurt immer in mindestens einer Apotheke die Versorgung gewährleistet.
Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:09 Uhr

Medizinische Notfälle gibt es auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten von Arztpraxen und Apotheken. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch Notdienste zu diesen Berufen gehören. Klar ist aber auch, dass auch Ärzte und Apotheker einen Bedarf an Freizeit haben, in der sie nicht auf Abruf bereitstehen müssen. Wie groß dieser Bedarf ist und wie viel Fahrerei den Patienten zuzumuten ist, ist schon lange ein heiß diskutiertes Thema. Ab 2018 könnte es eine Zusammenlegung zweier Apotheken-Dienstkreise im Landkreis geben – sehr zum Ärger der Haßfurter Apothekerin Doris Zeltner. „Das bedeutet, dass in Haßfurt nicht immer eine Apotheke im Notdienst offen hat“, beschreibt sie, was aus ihrer Sicht das Problem ist.

Ebelsbach, Eltmann, Knetzgau, Oberaurach, Sand und Zeil sind bereits in einem gemeinsamen Dienstkreis organisiert. Nun geht es um die Frage, ob dieser Kreis mit dem Dienstkreis Haßfurt zusammengelegt werden soll. Alles begann mit einem Brief, den die Haßfurter Apotheker am 2. Juni dieses Jahres erhielten. Darin teilte die Bayerische Landesapothekenkammer mit, diese Zusammenlegung der beiden Dienstkreise sei beantragt worden. Eine Umsetzung dieser Idee sei bis 2018 möglich. Dem Schreiben liegt eine Umfrage bei, in der die Kammer von den Haßfurter Apothekern wissen möchte, ob sie einem solchen Schritt zustimmen würden.

Doris Zeltner, Inhaberin der Einhorn-Apotheke in Haßfurt, widersprach. Dafür kreuzte sie nicht nur auf dem vorgefertigten Umfragezettel an, dass sie mit der Zusammenlegung nicht einverstanden ist. Sie verfasste auch eine Stellungnahme, die sie ihrer Antwort beilegte. Darin nennt sie unter anderem die Entfernungen, die Patienten bei der neuen Notdienstregelung zu fahren hätten. Beispielsweise, so Zeltner in ihrem Schreiben, werden auch Orte, die westlich von Haßfurt liegen vom Haßfurter Notdienst betreut. An einem Tag, an dem eine Apotheke in Ebelsbach Dienst hat, würde beispielsweise auf einen Patienten aus Buch eine Strecke von mehr als 24 Kilometern zukommen – und noch einmal die gleiche Entfernung für den Rückweg.

Ein weiterer Punkt, den sie anspricht, ist die besondere Bedeutung der Kreisstadt für die medizinische Versorgung. „Seit April 2016 gibt es in den Räumen am Krankenhaus in Haßfurt eine Bereitschaftspraxis, die für den ärztlichen Notdienst des ganzen Landkreises Haßberge zuständig ist“, schreibt sie. Oft komme es vor, dass Patienten nach dem Besuch der Bereitschaftspraxis gleich vor Ort in eine Apotheke gehen. „Seit es die Bereitschaftspraxis gibt, haben wir im Notdienst viel zu tun. Und das ist auch gut so“, sagt Zeltner im Gespräch mit dem Haßfurter Tagblatt.

Ein weiterer Punkt, den die Apothekerin anspricht, ist die Situation für die Altenheime, die nach einer Zusammenlegung auch eine weitere Anfahrt zu den Apotheken hätten. „Glauben Sie, dass ein Mitarbeiter des Heimes die Zeit und Möglichkeit hat, einem kranken Bewohner, der vom Arzt im Fahrdienst ein Medikament verordnet bekommen hat, 15 bis 20 Kilometer zur nächsten Apotheke zu fahren?“, schreibt sie der Apothekerkammer. Sie fürchtet, dass Patienten künftig viel schneller ins Krankenhaus eingeliefert werden. Auch dass es im Landkreis gerade abends und an Wochenenden kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt, sieht sie als Problem. „Ohne Auto keine Chance“, äußert sie Bedenken, wie die Patienten zur Apotheke kommen sollen.

Gerade in Zeiten von Versandapotheken hält Zeltner eine weitere Einschränkung der Versorgung vor Ort für eine schlechte Idee. Wichtig ist ihr auch die Verantwortung, die mit ihrem Beruf verbunden ist. „Er gehört zum Beruf dazu“, sagt sie über den Notdienst. Als Antwort auf ihre Stellungnahme erhielt die Apothekerin von der Kammer ein Schreiben, in dem die rechtlichen Grundlagen erläutert werden. Darin heißt es: „Der Notdienst stellt keine reguläre Versorgung dar.

“ Es gehe nur um Notfälle, dafür sei die Versorgung sichergestellt, „wenn im Umkreis von circa 15 Kilometern eine Apotheke erreichbar ist, unabhängig von der Frage, ob beispielsweise ein ärztlicher Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen wird oder nicht.“ Auch dass beispielsweise das Vorhandensein von öffentlichen Verkehrsmitteln bei den Vorgaben keine Rolle spielen, wird darin erwähnt. Doris Zeltner ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Mir geht es nicht um das Rechtliche, sondern um das Menschliche“, sagt sie.

Etwas anders sieht es Uwe Mainka, dem die Stadt-Apotheke gehört. Er hat in der Umfrage für die Zusammenlegung gestimmt und begründet das auch gegenüber der Heimatzeitung. Seiner Ansicht nach gebe es zu wenige Apotheken in der Stadt, um eine durchgehende Versorgung aufrecht zu erhalten. „Es ist schon schwer zu besetzen“, sagt er über die zusätzlichen Dienste außerhalb der regulären Arbeitszeiten.

Auch das Argument, dass dann in der Stadt, in der sich die Bereitschaftpraxis befindet, zeitweise keine Apotheke mehr geöffnet hätte, lässt er nicht gelten. „Das gibt es an vielen Orten“, sagt er und verweist auf die Situation im Norden des Landkreises. „Es gibt gesetzliche Regelungen, an die sich die Apothekerkammer hält“, sagt Mainka.

Mit dieser Meinung steht der Apotheker offensichtlich nicht alleine da. Haßfurts Bürgermeister Günther Werner versuchte, nachdem ihn Doris Zeltner über die Zusammenlegungspläne informiert hatte, mehr in Erfahrung zu bringen und sprach dafür mit der Apothekerkammer sowie mit den Haßfurter Apothekern. „Die Stadt wäre nicht mit eingebunden gewesen“, erklärt er. Die Apothekerkammer habe ihn ihm gesagt, es handle sich um eine reine Verbandssache.

Aus den Gesprächen mit den Apothekern erfuhr der Bürgermeister, dass die meisten eine Zusammenlegung befürworten. Begründet werde dies vor allem mit der personellen Belastung. „Für uns ist es natürlich ärgerlich“, sagt Werner auf die Frage, was das für die Stadt bedeute. Eine wirkliche Möglichkeit, etwas an der Situation zu ändern, hat die Stadt aber nicht.

Von der Apothekerkammer erfuhr der Bürgermeister auch, dass erst die Umfrage bei den Haßfurter Apothekern gestartet wurde, bevor sich auch deren Kollegen in Ebelsbach, Eltmann, Knetzgau, Oberaurach, Sand und Zeil zu der Sache äußern dürfen. Hätte sich in der Kreisstadt die Mehrheit gegen den Zusammenschluss ausgesprochen, wäre die Idee vom Tisch gewesen. Dass nun offenbar die Befragung der Apotheker in den anderen Kommunen gestartet wurde, zeigt, dass von den sechs Haßfurter Apotheken mindestens vier den Zusammenschluss befürwortet haben.

Und was sagen die Ärzte dazu? „Ich stehe dem ganzen kritisch gegenüber“, sagt Dr. Arman Behdjati-Lindner. Der Kinderarzt ist Vorsitzender der Bereitschaftspraxis Haßberge. „Für den Patientenkomfort ist es doof“, meint er. Ähnlich wie Apothekerin Doris Zeltner sieht er das Problem, dass Menschen in Haßfurt die Bereitschaftspraxis besuchen, dort Medikamente verschrieben bekommen und dann in einen anderen Ort fahren müssen, um diese abzuholen.

Andererseits sagt der Arzt: „Aus medizinsicher Sicht ist es nicht so wichtig, ob jemand seine Medikamente eine halbe Stunde früher oder später bekommt.“ Es handle sich also um eine Komforteinbuße für die Patienten, aus der aber keine Gesundheitsgefährdung entstehe. Die politischen Ziele und die Motivation, die hinter der Zusammenlegung stehen, seien ihm nicht ganz klar. Medizinisch gesehen sei eine Zusammenlegung aber vertretbar.

 
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