
Während am Herbsthimmel Nebelbänke und graue Wolken für trübes Wetter sorgen, hellen sich die Gesichter der Angler von Tag zu Tag mehr auf: Das große Fischsterben in den Baggerseen ist dieses Jahr ausgeblieben – trotz Rekordhitze und extremer Wasserwerte.
Ende August hatte, wie berichtet, alles danach ausgesehen, als ob eine Reihe von Seen entlang des Mains nicht mehr zu retten wären und es nur eine Frage von Tagen ist, bis den Lebewesen im Wasser die Luft ausgeht. Mit einer Erklärung, warum dann doch alles glimpflich ausgegangen ist, tun sich die Fachleute schwer.
„Ich bin Naturwissenschaftler, kann mir aber keinen Reim darauf machen“, sagt Dietmar Will, Biologe im Dienste der Stadt Haßfurt. Im Sommer habe er speziell für den Großen Wörthsee (Haucksee) zwischen Haßfurt und Augsfeld „das Schlimmste befürchtet“. Das Wasser sei extrem warm gewesen – am 13. August wurden um 15 Uhr am Wörthsee von der Fischereifachberatung annähernd 29,3 Grad gemessen – und sehr nährstoffreich. Auch für den Messelauer See auf der anderen Mainseite, der ebenfalls zu Haßfurt gehört, sah es ähnlich schlimm aus. Doch die große Katastrophe, das Umkippen der Seen blieb aus. Anders als vergangenes Jahr, als im Großen Wörthsee Tausende Fische starben.
Will, aber auch Werner Müller von der Fischereifachberatung der Regierung von Unterfranken in Würzburg sowie befragte Angler geben für dieses Jahr Entwarnung: Ein Fischsterben durch umkippende Seen ist dieses Jahr nicht mehr zu erwarten. Sie alle nennen übereinstimmend die relativ stabile Wetterlage im Sommer mit viel Sonnenschein sowie den vergleichsweise glatten Wechsel zu kühlerem Herbstwetter als Gründe, die dazu beigetragen haben, dass in diesem Jahr den Seen der Sauerstoff nicht ausging.
So haben die unzähligen Sonnenstunden des Hitzesommers einerseits zwar Wasserpflanzen und Algen in den Seen teils explosionsartig wachsen lassen. Doch solange die Sonne scheint, produzieren die Pflanzen Sauerstoff und den Fischen im Wasser geht es bestens.
Gefährlich wird es, wenn – wie im Sommer 2014 – Gewitter und häufige Wetterwechsel mit trüben und kühlen Tagen Wasserpflanzen bereits im Sommer absterben lassen. Wenn diese sich zersetzen, entstehen Faulgase und der Sauerstoff geht zur Neige.
Doch das Wetter allein bietet für Müller keine schlüssige Erklärung, warum die Seen dieses Jahr vergleichsweise unbeschadet überstanden haben. Am Großen Wörthsee hat er – anders als bei anderen Baggerseen in der Region – wenig Wasserpflanzen beobachtet, dafür jedoch eine extreme Algenblüte.
Dies habe die Sauerstoffwerte im Wasser auf 16 Milligramm pro Liter steigen lassen – ein Wert „weit über 100 Prozent“ des normalen Durchschnitts, wie der Fischereifachberater berichtet. Zugleich sei der pH-Wert, der den Nährstoffgehalt anzeigt, selbst am 8. Oktober mit 9,3 noch hoch gewesen (im Sommer lag er bei bis zu 10,1).
Eine Folge von dieser Kombination beobachtete Müller in den zurückliegenden Wochen: In dem See gibt es sehr viel Fischbrut. Frank Hofmann, der Vorsitzende des Sportanglervereins Haßfurt, der den Großen Wörthsee gepachtet hat, bestätigt dies. „Die Wasserqualität ist so gut, dass in diesem Jahr Karpfen und Schleien abgelaicht haben und die Brut durchgekommen ist.“ So etwas hat er in dem See noch nie erlebt.
Auch wenn die Gefahr für dieses Jahr gebannt ist, besteht zur großen Freude kein Anlass. Die Nutzung der Baggerseen entlang des Mains als Angelgewässer bleibt heikel. Die Seen, die größtenteils um die 40 Jahre alt sind, haben durchweg das Problem, dass sich auf dem Grund zu viel Faulschlamm sammelt und zugleich zu wenig frisches Wasser nachfließt. Gerade in trockenen Sommern wie dieses Jahr läuft zu wenig Grundwasser oder Oberflächenwasser in die Seen. Deren Pegel sank in den vergangenen Monaten um etwa einen Meter. Zugleich gelangen zu viele Nährstoffe von Feldern, Ufervegetation und über den Kot von Wasservögeln in die Seen.
Die naheliegende Lösung, den vorbeifließenden Main anzuzapfen, funktioniert kaum, und ist aufwendig und teuer, schildert Frank Pillhofer, am Beispiel des Messelauer Sees.
Der von den Angelfreunden Nassachtal, die den See bewirtschaften, gewünschte dauerhafte Anschluss an den Main – mit einem Überlauf zurück in den Fluss – würde bis zu 200 000 Euro verschlingen, wenn man Rohre legt; eine offene Zuleitung käme noch teurer. „Das kann der Anglerverein nicht stemmen“, sagt Pillhofer, der am Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen für den Landkreis Haßberge zuständig ist. Zudem besteht das technische Problem, dass der Main-Kanal nur ein geringes Gefälle hat, das nicht ausreicht, um abgezweigtes Wasser einen See durchströmen zu lassen.
Bleibt die Möglichkeit, Wasser aus dem Main in die geschrumpften Seen zu pumpen. Dies ist ebenfalls aufwendig, doch technisch zu bewältigen. Auch die Kosten sind überschaubar, meint Roland Johannes von den Angelfreunden Nassachtal. Er hat ausgerechnet, dass gut 30 000 Kubikmeter Wasser – 30 Millionen Liter – benötigt werden, um den Pegel des Messelauer Sees wieder um einen Meter anzuheben.
Mit einer Pumpe, die an der Knetzgauer Kläranlage steht, kann dies gelingen. Die Spritkosten hierfür schätzt Johannes auf 150 bis 200 Euro. Der Verein hoffe aber auch auf Unterstützung der Stadt Haßfurt, die als Besitzer des Sees daran interessiert sein müsste, den See zu retten, meint Johannes. In den kommenden Jahren könnte laut ihm erneut Wasser aus dem Main in den See gepumpt werden, sollte der Pegel wieder auf ein kritisches Niveau fallen.
Eine Dauerlösung ist dies freilich nicht. Doch eine solche ist auch für die Fachleute nicht in Sicht. Müller von der Regierung setzt auf mögliche präventive Maßnahmen: das Zurücknehmen von Ufergehölzen, um den Laubeintrag in die Seen zu verringern, und (mittelfristig) das Verringern der Nährstoffeinträge von Feldern. Er befürwortet auch das nicht unumstrittene Kalken von Gewässern, das seiner Meinung nach zumindest dem Großen Wörthsee im vergangenen Jahr geholfen hat.
Für Müller und Will von der Stadt Haßfurt sind am Großen Wörthsee noch nicht alle Möglichkeiten der Prävention ausgeschöpft. Vor knapp einem Jahr beschlossene Maßnahmen und Ideen, allen voran das Ausholzen des Ufers, seien vom Pächter des Sees, den Sportanglern Haßfurt, nicht wie geplant umgesetzt worden. „Dabei sind die Maßnahmen aktueller denn je“, meint Will.
Der Vorsitzende des Sportanglervereins sieht das anders: „Das Entholzen des Ufers hat nichts mit der Wasserqualität zu tun.“ Das Naturschutzgebiet, in dem der Große Wörthsee liegt, schränke die Möglichkeiten, den See präventiv vorm Umkippen zu schützen, ein. Dies gelte auch fürs Kalken, das vergangenes Jahr den See in letzter Minute retten sollte, das massenhafte Fischsterben jedoch auch nicht (mehr) verhindern konnte.