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Hofheim
Auf der Suche nach einem neuen Vorstand: Galgenfrist für TV Hofheim verlängert
Noch im Frühjahr drohte Hofheims größten Verein das Aus, sollte bis Herbst niemand die Zügel übernehmen. Wie es nun mit dem Traditionsclub weitergehen soll.
Der TV Hofheim schreibt das Thema Inklusion groß: Sven übergibt einen Pokal an Günter Dietz, den Initiator des Inklusionssportfestes.
Foto: Martin Schweiger | Der TV Hofheim schreibt das Thema Inklusion groß: Sven übergibt einen Pokal an Günter Dietz, den Initiator des Inklusionssportfestes.
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:52 Uhr

"Tot Geglaubte leben länger" heißt ein Sprichwort, das auch für den TV Hofheim zutrifft. Noch im Frühjahr schien das Ende des Vereins besiegelt, sollte nicht im Herbst ein neuer Erster Vorsitzender in Sicht sein. In einem Brandbrief an die rund 360 Mitglieder versuchte damals die Zweite Vorsitzende Angela Kriegsmann, die Sportlerinnen und Sportler wachzurütteln: "Jetzt ist es fünf vor zwölf", warnte sie in dem Brief, den sie zusammen mit Sylvia Hoh verschickt hatte.

"161 Jahre lang haben sich durch die Zeit viele Menschen im TV Hofheim engagiert, haben viel gearbeitet, haben gelacht, haben sich zusammengerauft und viel bewegt", schrieb Kriegsmann. Sie erinnerte an die legendären Faschingsfeste, Jugendfreizeiten, Vereinsabende, Tanzevents, Kinderturnstunden oder die Schwimmkurse. Mit seinem Inklusions-Sportfest wurde der Verein weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Doch nun stehe er kurz vor der Auflösung. Im Herbst solle die 160-Jahr-Feier nachgeholt werden, "zum Schlüssel rum drehen", fügte Kriegsmann hinzu, falls sich bis dahin niemand findet. "1000 Leute" habe sie angesprochen, einen Vorstandsposten, wie Kassier oder Vorsitzender, zu übernehmen. "Ich bin mit meinem Latein am Ende", gab sie sich damals resigniert.

Der Verein hat seine 160-Jahr-Feier jetzt doch nachgeholt

Am Freitag fand die 160-Jahr-Feier nun statt – ohne dass ein neuer Erster Vorsitzender da ist. Doch der Schlüssel wird in der August-Först-Turnhalle doch noch nicht "rum gedreht". Angela Kriegsmann will mit Sylvia Hoh an ihrer Seite nun bis zum Frühjahr den Interims-Vorsitz behalten. Dann sollen Neuwahlen stattfinden – dann hoffentlich mit einem neuen Vorstand und Kassier.

Die Einradfahrerinnen des TV Hofheim zeigten im Rahmen des Jubiläumsfestes ihr Können.
Foto: Martin Schweiger | Die Einradfahrerinnen des TV Hofheim zeigten im Rahmen des Jubiläumsfestes ihr Können.

Bei der Versammlung am Freitag gab sich Kriegsmann kämpferisch: "Mein großer Wunsch ist es, dass der TV Hofheim auch in 100 Jahren noch existiert", sagte sie. Die Voraussetzungen, in den 22 Abteilungen des Vereins Sport zu treiben, seien bestens. Das Sportangebot werde auch sehr gut angenommen. Die im Jahr 1961 gebaute Turnhalle wurde runderneuert und bietet demnächst sogar eine Fußbodenheizung für die Gymnastikkurse. "Woran liegt es also? Wo sind die potenziellen Nachfolger? Ist der TV so abschreckend?", fragte Kriegsmann fast schon ratlos.

Der TV Hofheim will an seiner Außenwirkung arbeiten - auch über soziale Netzwerke

Eine Mitschuld gab sie dem Trend der "Work-Life-Balance", die den Fokus auf Freizeit und nicht auf ein Ehrenamt legt. "Ein Ehrenamt ist Arbeit, aber man bekommt auch viel zurück", betonte Kriegsmann. Als Beispiel nannte sie die glücklichen Gesichter und den Dank der gehandicapten Sportlerinnen und Sportler bei dem Inklusionssportfest, das in diesem Jahr zum sechsten Mal stattfand. Das Gefühl der Zugehörigkeit sei verloren gegangen, das früher in gemeinsamen Wettkämpfen aufgebaut wurde. Die 35- bis 50-Jährigen würden heute fehlen. Um dem entgegen zu wirken, will der Verein nun an seiner Außenwirkung arbeiten, beispielsweise auch in sozialen Netzwerken. "Dafür freuen wir uns über jede Hilfe", appelliert Kriegsmann vor allem an die jüngere Generation.

Bürgermeister Borst: Verein hat schon "ganz andere Probleme bewältigt"

Bürgermeister Wolfgang Borst machte der Versammlung Mut. Der Turnverein habe in seinen mittlerweile 161 Jahren seines Bestehens bereits ganz andere Probleme bewältigt, sagte er. Als Ersatz für die in die Jahre gekommene Ölheizung stellte er eine Nahwärmeversorgung in Aussicht, die in Planung ist und neben Hallenbad und den Schulen auch den Turnverein mit Nahwärme versorgen könnte.

Angela Kriegsmann (links) und Sylvia Hoh führen den TV Hofheim kommissarisch fort.
Foto: Martin Schweiger | Angela Kriegsmann (links) und Sylvia Hoh führen den TV Hofheim kommissarisch fort.

Ehrenvorsitzender Günter Dietz, der mit Gustav Bühler immer noch zu den Stützen des Vereins gehört, rief dazu auf, die "Institution des Turnvereins zu erhalten". Tina Scheller von den Rummelsberger Anstalten dankte dem TV dafür, dass hier jeder willkommen sei, was nicht selbstverständlich sei. Der TV Hofheim sei ein "Vorreiter" für Inklusion im Sport. BLSV-Vertreter Hubert Derra überreichte eine Spende und zwei Taschen.

Die Feier wurde umrahmt von sportlichen Darbietungen. Eine beeindruckende Leistung zeigten die Einradfahrerinnen unter der Leitung von Michaela Ott. Mitglieder wurden für langjährige Mitgliedschaft von 25 Jahren bis über 80 Jahre geehrt.

BLSV-Kreisvorsitzender hält nichts vom hauptamtlichen Vorstand

BLSV-Kreisvorsitzender Gerald Makowski sagte im Gespräch mit der Redaktion, dass die Vereine selbst dafür verantwortlich seien, einen Nachfolger für den Vorsitz aufzubauen. Viele Vereine würden hier zu wenig tun. Einen Ersten Vorsitzenden oder Vorsitzende hauptamtlich anzustellen und zu bezahlen, davon hält Makowski nichts. Dies sei nicht respektvoll gegenüber einem Ehrenamt. "Was kann ein Hauptamtlicher besser machen als Ehrenamtlicher?", fragt er rhetorisch.

Diese Mitglieder, die 60 Jahre und länger 'an Bord sind' hat der TV Hofheim im Rahmen seines Jubiläums geehrt.
Foto: Martin Schweiger | Diese Mitglieder, die 60 Jahre und länger "an Bord sind" hat der TV Hofheim im Rahmen seines Jubiläums geehrt.

Es sei möglich, einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende im Rahmen einer Ehrenamtspauschale für den Aufwand zu entschädigen. Der BLSV biete Schulungen an, um Vereinsführungen unter die Arme zu greifen. Wenn er Einladungen verschicke, wie jetzt zum kommenden BLSV-Kreistag am 4. November im Zeiler Rudolf-Winkler-Haus, höre er oft: "Ich habe keine Zeit." Dabei müsse ja nicht der Vorstand selbst kommen, sondern könne es einem seiner Mitglieder anbieten, der vielleicht Interesse und Freude daran habe.

Die Vereine müssten Mitglieder mit ins Boot holen nach dem Motto: "Ihr dürft jetzt mal". Er habe festgestellt, dass es in kleinen Vereinen eine größere Bereitschaft gibt, mitzuhelfen. Die Mitglieder in kleineren Vereinen würden sich stärker mit "ihrem" Verein identifizieren als in größeren Vereinen.

 
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  • M. S.
    Zitat BLSV-Kreisvorsitzender Gerald Makowski: "Was kann ein Hauptamtlicher besser machen als Ehrenamtlicher?"

    Wie weltfremd ist diese Frage? Ein Haumtamtlicher wird bezahlt und MUSS somit ca. 35 Stunden im Sinne des Vereins arbeiten bzw. ist ein Ehrenamterl bei allenm Herzblut kaum in der Lage eine ähnliche Zeit aufzubringen.

    Zitat BLSV-Kreisvorsitzender Gerald Makowski: "Es sei möglich, einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende im Rahmen einer Ehrenamtspauschale für den Aufwand zu entschädigen."

    Das ist ein guter Vorschlag, scheitert aber oftmals daran, dass wenige Ehrenamtlicher bereits alles mögliche im Verein schultern und sich dann nicht noch mehr aufhalsen möchten (Papierkram, rechtliche Vorgaben etc.).
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