„Der Mut und die Opferbereitschaft dieser jungen Menschen lassen uns noch heute erschauern und sind aber gleichzeitig eine Mahnung“, das erklärte Katrin Hiernickel, Geschichtslehrerin am Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt, als am Donnerstag im Hexenturm in Zeil eine Ausstellung zur „Weißen Rose“ eröffnet wird. Mit dieser bekanntesten der Widerstandsbewegungen im Dritten Reich können sich Interessierte bis zum 16. Juli jeweils zu den Öffnungszeiten des Dokumentationszentrums befassen.
Bürgermeister Thomas Stadelmann bezeichnete den Ausstellungsort als genau den richtigen, denn auch wenn zwischen Hexenverbrennungen und Drittem Reich eine große Zeitspanne läge, gebe es doch unübersehbare Parallelen „Und wir erleben derzeit Dinge, die dem ähneln, ob in der Türkei, den USA oder Nordkorea“. Toleranz und Demokratie zu stärken, das sei die Zielrichtung des Hexenturms und somit passe diese Ausstellung ideal in den Kontext. „Es geht darum, die Stimme zu erheben“.
So sieht das auch Katrin Hiernickel, die es als wichtige Aufgabe sieht, zur Demokratie zu erziehen – ob in der Schule oder durch ihr politisches Engagement. In ihrem Referat zur Vernissage wollte sie den Zeitzusammenhang herstellen und die Frage klären, ob die Deutschen willige Volksgenossen waren. Diesen Vorwurf machten die Geschwister Scholl ihren Mitbürgern, um sie aufzurütteln.
Auch Hiernickel bezeichnete den Hexenturm als besonderen Platz für eine solche Ausstellung, denn es gebe auffallende Parallelen immer wieder in der Geschichte: „Da ist immer eine leidenschaftlich erregte Masse. Und da sind Vereinfachungen, die dort auf fruchtbaren Boden fallen. Es gibt immer den einen Schuldigen“. Das habe funktioniert, ob im alten Rom mit „panem et circenses“ (Brot und Spiele), bei den Juden-Pogromen schon vor dem Dritten Reich und auch bei der Hexenverbrennung. In Zeiten von Krieg, Entwurzelung, Verstädterung „hört die Masse gern Versprechungen von Segnungen, ohne zu hinterfragen“. Auch die NS-Propaganda sei auf den fruchtbaren Boden dieser Masse gefallen. „Auch Hitler setzte auf Vereinfachung – aktuelle Parallelen bieten sich an“. Doch nicht die Weiße Rose allein verdiene Respekt, sondern alle Widerstandskämpfer. Katrin Hiernickel warnte auch davor, zu urteilen über diejenigen, die nicht offen Widerstand leisteten. Sehr schnell nach der „Machtübergabe“ an Hitler sei es kaum noch möglich gewesen, Opposition zu betreiben, „die Demokratie stand in der Ecke“.
Und dennoch gab es überall mutige Menschen, die Widerstand leisteten „auf vielfältige Weise und aus allen Schichten“. Das Ziel der Weißen Rose wie aller anderen Widerständler sei gewesen „die Wiederherstellung von Anstand und Moral. Und so haben sie der ganzen Welt gezeigt, dass es nicht nur willige Volksgenossen gab“, so Katrin Hiernickel. Sie lenkte den Blick auch auf viele Einzelpersonen, die Flüchtende unterstützten, die Verfolgte versteckten, oder Gruppen Jugendlicher wie die „Edelweißpiraten“ oder die „Rote Kapelle“.
Die Ausstellung solle auch den Blick schärfen für die Schicksale, die hinter dem allgemeinen Begriff „Der Widerstand“ steckten. Es rühre sie zutiefst, wenn die Geschwister Scholl schreiben, sie kämpften für die Kinder – Kinder, die sie selbst nicht mehr haben sollten. „Sie haben das für uns und unsere Kinder getan“, betonte Katrin Hiernickel. Hans Scholl sei die Gefährlichkeit seines Tuns sehr wohl bewusst gewesen, deshalb habe er auch versucht, seine Schwester so lange als möglich aus der Bewegung rauszuhalten. Sie selbst hätten ja anfangs zur Hitler-Jugend gehört, dann aber gemerkt „dass da Leben verheizt wird“. Mit ihren Flugblättern hätten sie aufrütteln wollen, denn „die Kraft der Masse hätte auch positiv wirken können“. Das sei auch dem Regime bewusst gewesen, das die Geschwister und Christoph Probst vier Tage nach ihrer Verhaftung aburteilte und drei Stunden nach der Verhandlung das Todesurteil vollzog, wie auch kurze Zeit später an zahlreichen Mitstreitern.
Alle Anwesenden waren sich einig, dass es heute besonders wichtig sei, deutlich zu machen, wie Regime erstarken, wie wichtig es ist, sich zu Wort zu melden, bevor dafür Gefängnis oder sogar die Todesstrafe drohen. Und dass es fahrlässig ist, solchen Entwicklungen tatenlos zuzusehen, ob im eigenen oder in anderen Ländern. Demokratie sei zu keiner Zeit selbstverständlich und müsse immer wieder neu erarbeitet und auch verteidigt werden.
Die Ausstellung im Hexenturm bietet geballte Information, ganz viel Text und Begleitmaterial, deshalb sollten die Besucher Zeit mitbringen, empfahlen Petra Hohenberger und Birgit Geißler vom Hexenturm-Team.