
Hoch interessierte Zuhörer hatte Mariam Martirosyan aus Yerewan an zwei Abenden, an denen sie über ihre Heimat Armenien erzählte. Die Germanistik-Studentin ist derzeit zu Gast bei Familie Mohler-Riegel in Haßfurt und wurde eingeladen, beim Herrenhofbund und im Lions-Club Haßberge über das Land im Kaukasus zu berichten und über das Volk, das schlimme Zeiten überstehen musste.
3,1 Millionen Menschen leben in Armenien, 1,3 Millionen allein in der Hauptstadt Yerewan. Der Heilige Berg der Armenier, der Ararat, liegt in der Türkei. Doch die Grenze dorthin ist geschlossen. Der Weg dorthin führt nur über Georgien im Norden. Im Osten liegt Aserbeidschan. Dorthin ist das Verhältnis noch schlechter als zur Türkei. Eigentlich hat Armenien derzeit nur halbwegs gute diplomatische Beziehungen nach Süden, und zwar in den Iran.
Harry Riegel und seine Frau Heike Mohler-Riegel wurden bei einem Besuch im Nationalmuseum in Yerewan auf Mariam aufmerksam, die dort als Museumsführerin Geld für das Studium verdient. Ihre hervorragende deutsche Sprache hat die beiden sehr fasziniert. Als sie dann erfuhren, dass die Grundlage für diese Sprachkenntnisse in einer einklassigen Volksschule in einem kaum 1000 Einwohner zählenden Dorf und der dortigen Lehrerin lag, waren sie fasziniert. Weil Marian sehr hart arbeitet, um ihr Studium finanzieren zu können, und weil sie die deutsche Sprache so liebt, ist sie in diesem Jahr zum Internationalen Lions-Youth-Camp eingeladen.
Der älteste Lederschuh der Welt
Die Clubmitglieder, wie schon am Abend vorher die Zuhörer beim Herrenhofbund, ließen sich von ihr in ein sehr schönes, aber leidgeprüftes Land entführen. Der vielleicht bekannteste Armenier in Deutschland ist der Boxer Artur Abraham. Dass Charles Aznavour kein Franzose, sondern eigentlich Armenier war, überraschte die Zuhörer. Sie erfuhren auch, dass in Armenien der älteste Lederschuh der Welt gefunden wurde, er ist über 5500 Jahre alt. Und aus dem 8. Jahrhundert vor Christus stammen die ältesten Biergefäße. Zum Kloster Tatev führt die längste Seilbahn der Welt. Und bekannt sind Schach-Großmeister aus Armenien.
Mariam zeigte Bilder aus ihrer Schule. Die ist zwar sehr kärglich eingerichtet, doch an Tischen mit eingelassenen Schachbrettern mangelt es nicht.
Sie bemühte sich, ein Bild ihrer Landsleute zu zeichnen, die kreativ seien, die für Gastfreundschaft früher sogar einen eigenen Gott hatten, die für ihren christlichen Glauben Schlimmes erdulden mussten und die sich durch Fleiß auszeichnen, aber auch durch Unpünktlichkeit.
Mariam blickte zurück nach Groß-Armenien, das bis ans kaspische Meer reichte. Doch war das Land immer Zankapfel der Großmächte. Sie ging auch auf den Genozid ein, der 1915 seinen Höhepunkt erreichte. Diese Verfolgung der Armenier ist wohl der Hauptgrund dafür, dass heute mehr als neun Millionen Armenier in der Diaspora überall auf der Welt leben. Exemplarisch für den Genozid erzählte Mariam die Geschichte ihres Urgroßvaters, der vor dem Genozid nach Frankreich floh, dort der Arzt von Charles de Gaulle war, 1946 nach Armenien zurückkehrte und als Arzt in das kleine Dorf ging, in dem später Mariam aufwuchs. 70 Sowjetjahre prägten das Land, das seit 1991 zwar zum zweiten Mal Republik und parlamentarische Demokratie ist. „Doch da muss sich noch viel entwickeln“, berichteten Besucher Harry Riegel und Hans-Joachim Brandt, der mit seinem Ingenieurbüro auch in Armenien tätig ist.