Etwa ein Jahr ist es her, dass Abdul Rahman Issa aus Syrien flüchtete. Zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester kam er nach Deutschland und lebt heute in Eltmann. Mittlerweile kann er sich gut auf Deutsch verständigen, zeigt sich offen und freundlich. Nun geht es dem 20-Jährigen darum, einen Weg ins Berufsleben zu finden.
„Arbeiten ist immer besser als nicht arbeiten“, sagt Abdul Rahman Issa. Dirk Schuhmacher, Leiter der Personalentwicklung bei der Firma Uponor in Haßfurt, beschreibt den Flüchtling als „ehrgeizigen jungen Mann“.
Gerade hat Issa ein zweiwöchiges Praktikum im Logistikbereich des Rohrherstellers hinter sich gebracht. Seine Arbeit besteht darin, mit einem Mittelhub-Kommissionierer, also einem der Gabelstapler, die Uponor in der Logistik einsetzt, Waren aus den hohen Regalwänden zu holen. Anschließend muss er sie versandfertig machen, indem er die Palette mit der Ware darauf mit Folie umwickelt. Anschließend bringt er sie mit dem Stapler zu den Toren, an denen sie schließlich von Lkw-Fahrern abgeholt werden.
Die Mitarbeiter bei Uponor zeigen sich sehr zufrieden mit dem jungen Mann, der sehr motiviert wirkt. So möchte ihn das Unternehmen gerne übernehmen. Dafür müssen nun aber einige offene Fragen geklärt werden.
„Wir haben schon zwei Azubis. Damit haben wir unser Budget ausgeschöpft“, sagt Dirk Schuhmacher. Dennoch wolle das Unternehmen den Flüchtling gerne als dritten Auszubildenden aufnehmen. „Die Frage ist jetzt: Wer zahlt dann sein Gehalt“, meint Schuhmacher.
Nun spielt die Personalabteilung des Unternehmens verschiedene Möglichkeiten durch, wie der junge Araber weiterbeschäftigt werden könnte. Auch eine Anstellung auf 400-Euro-Basis könnte sich Dirk Schuhmacher für Abdul Rahman Issa vorstellen. Doch auch hier gibt es noch offene Fragen zu klären. „Das sind lauter Aufgaben, vor denen wir stehen: Wie viel darf er als anerkannter Flüchtling dazuverdienen?“, fragt Schuhmacher.
Am Freitag, dem letzten Tag seines Praktikums, erhielt Abdul Rahman Issa im Betrieb Besuch von Personalchef Schuhmacher und der Sozialpädagogin Linda Söllner von der Haßfurter Berufsschule. Dabei erzählte der junge Mann auch seine Geschichte. Schon die Frage nach der Abstammung des 20-Jährigen ist etwas komplizierter zu beantworten.
Abdul Rahman Issa ist palästinensischer Abstammung, lebte allerdings bis zu seiner Flucht in Syrien. Das ist nicht ungewöhnlich. Der Großteil der Palästinenser lebt nicht in den konfliktbelasteten Autonomiegebieten, sondern als Emigranten in anderen, vorwiegend arabischen Staaten. So sind auch unter den Asylbewerbern, die durch den Krieg in Syrien nach Europa kamen, einige der rund 400 000 dort lebenden Palästinenser.
Issa erzählt auch von seinem Leben in Syrien, von Bomben, die nur wenige Meter von ihm entfernt einschlugen, und von seiner Flucht. Bei seinem ersten Versuch, über die Türkei nach Europa zu gelangen, wurden er und seine Begleiter an der Grenze von der Türkei aus beschossen. „Einen Mann haben sie erschossen“, erzählt Issa. Er und andere wurden nach Syrien zurückgeschickt. Beim zweiten Versuch gelangten er, seine Mutter und seine Schwester dann über Griechenland und andere europäische Länder nach Deutschland.
In Syrien hatte Abdul Rahman Issa einen Schulabschluss gemacht, der unserer Mittleren Reife entspricht. Eigentlich wollte er weiter die Schulbank drücken bis zur Hochschulreife, doch die Flucht verhinderte das. In Deutschland hat er jetzt einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss gemacht und besucht aktuell die Berufsintegrationsklasse an der Berufsschule. „Ich will jetzt eine Ausbildung machen“, meint der Palästinenser. Auf lange Sicht könnte er sich aber auch vorstellen, später noch einen höheren Bildungsabschluss zu machen.
Auf Dirk Schuhmachers Frage, ob er sich denn vorstellen könne, die Ausbildung bei Uponor anzufangen, entgegnet Abdul Rahman Issa: „Ich möchte noch ein bisschen überlegen.“ Zwar ist er sich sicher, dass er arbeiten und Geld verdienen möchte. Ein paar Wochen will der 20-Jährige noch darüber nachdenken, was für ihn der richtige Beruf und damit der richtige Ausbildungsbetrieb sein könnte.
Insgesamt läuft die Berufsintegration von Flüchtlingen in kleinen Handwerksbetrieben wesentlich besser als in großen Betrieben, berichtet Sozialpädagogin Linda Söllner. Dirk Schuhmacher hofft nun darauf, dass von Uponors Entscheidung, dem jungen Palästinenser eine Chance zu geben, eine Signalwirkung ausgehen könnte, so dass bald auch andere Unternehmen im Haßfurter Industriegebiet Asylbewerber einstellen. Von einem Kongress, den er kürzlich besucht hat, berichtet er: „Der Tenor war, dass die Unternehmen dafür offen sind.“ Ein bremsender Faktor sei aber, dass die Industrie- und Handelskammer sowie die Berufsschulen noch zu unflexibel bei der Integration seien.
Unter anderem kritisiert Schuhmacher: „Die Lerninhalte müssten an die Arbeitsrealität angepasst werden.“ So werde an den Berufsschulen viel unterrichtet, das zwar einerseits prüfungsrelevant sei, aber andererseits nichts mit dem zu tun hat, was die jungen Menschen im Arbeitsleben brauchen. Besonders durch die schnell voranschreitende Digitalisierung werde diese Kluft derzeit immer größer.
Auch Söllner bestätigt, es gebe manchmal Fälle, in denen ein Auszubildender im Betrieb gute Arbeit leistet, aber an Lernfächern scheitert. „Und wenn jemand die Berufsschule nicht bestanden hat, dann hat er auch die Ausbildung nicht bestanden“, sagt Schuhmacher. „Das hat erst mal nichts mit Flüchtlingen zu tun“, betont er, dass sich dieses Problem auch bei deutschen Jugendlichen ergebe. „Aber dadurch poppt es jetzt noch mal auf.“