Waren etliche Rumänen am Bau abhängig beschäftigt oder scheinselbstständig? Auch nach dem zweiten Prozesstag konstatierten die Juristen einen „komplexen Sachverhalt“, wie sich die Vorsitzende Richterin Ilona Conver ausdrückte. Nach ausführlicher Beratung und trotz „erheblicher Bedenken“ stimmte Staatsanwalt Peter Bauer einer Einstellung des Verfahrens zu. Damit wurde der 50-jährige Handwerker aus dem Maintal, der Arbeiter aus Rumänien geholt hatte, nicht verurteilt. Auflage: Er zahlt 2000 Euro an die Lebenshilfe.
Wie berichtet, hatte der Kleinunternehmer 2009 die Leute per Zeitungsanzeige im siebenbürgischen Hermannstadt angeworben. In der Folge arbeiteten die rumänischen Fachkräfte bei Neubauten im Frankfurter Raum und verlegten Natursteine und Fliesen. Bei einer Kontrolle des Hauptzollamtes Schweinfurt und zwei darauffolgenden Hausdurchsuchungen gab es dann richtig Ärger. Die Behörde verdächtigte den Firmenchef, die Rumänen nur formal als Mitgesellschafter einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) angemeldet zu haben, frei nach der Redewendung: Papier ist geduldig.
In Wirklichkeit aber, so das Zollamt, habe es sich um abhängig Beschäftigte gehandelt, mithin um sogenannte Scheinselbstständige. Diese Konstruktion, so die Anklage, sei bewusst gewählt worden, um keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abführen zu müssen. Der so entstandene Schaden betrug laut Anklageschrift rund 150 000 Euro.
Wie beim ersten Termin betonte Rechtsanwalt Roland Meixner, dass es sich sehr wohl um eine echte Firma mit echten Gesellschaftern gehandelt habe. Sein Mandant als gleichberechtigter Teilhaber habe ein erhebliches Haftungs- und Gewährleistungsrisiko getragen und sich in keiner Weise persönlich bereichert. Vertraglich sei damals vereinbart worden, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust in gleichem Maße beteiligt wären.
Der als Zeuge geladene Beamte der Rentenversicherung erläuterte die Prüfung durch seine Behörde. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Mitarbeiter des Zollamtes sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht nicht abgeführt worden seien. Auf Nachfrage eines Schöffen versicherte er, dass solche künstlichen Firmen-Konstruktionen leider immer mehr um sich griffen. Entscheidend sei aber nicht, was in einem Vertrag schriftlich fixiert sei, sondern das tatsächliche Geschehen am Arbeitsplatz. Strittig war weiterhin die etwaige Schadenshöhe. Die Rentenversicherung hatte die entgangenen Beiträge für alle Rumänen auf der Grundlage der Steuerklasse sechs errechnet. Bei Zugrundelegung der richtigen Steuerklasse dagegen, rechnete der Verteidiger vor, liege die Schadenshöhe bei etwa einem Drittel der in der Anklageschrift genannten Summe. Inzwischen hat der Handwerker über 20 000 Euro bereits nachbezahlt und ist bereit, als Wiedergutmachung die Restsumme in Raten zu begleichen.
Lange wurde darüber diskutiert, ob der Angeklagte bedingt vorsätzlich oder nur bewusst fahrlässig gehandelt habe, auf gut deutsch: ob er sich über sein unrechtmäßiges Verhalten im Klaren war und nach dem Motto „Augen zu und durch“ weitergemacht habe. Nach drei Stunden rangen sich alle Prozessbeteiligten zu dem Kompromiss durch. Diese Form der Einstellung kommt bei geringer Schuld für Fälle der kleinen oder mittleren Kriminalität in Betracht. Dabei kommt es zu keinem Urteil und die Schuldfrage bleibt sozusagen offen. Da der Angeklagte weder freigesprochen noch verurteilt wird, behält er damit seine „weiße Weste.“