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Haßfurt
Amtsgericht Haßfurt: Wenn Nachbarn sich das Leben zur Hölle machen
Eine 53-jährige Frau fühlte sich von ihrem Nachbarn terrorisiert. Der muss nun wegen wiederholter Beleidigungen eine Geldstrafe von 9450 Euro bezahlen.
Vor dem Haßfurter Amtsgericht musste sich ein Mann verantworten, der angeklagt war, seine Nachbarn beleidigt und terrorisiert zu haben.
Foto: René Ruprecht | Vor dem Haßfurter Amtsgericht musste sich ein Mann verantworten, der angeklagt war, seine Nachbarn beleidigt und terrorisiert zu haben.
Manfred Wagner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:17 Uhr

Angstzustände, Schlafstörungen, Herzrasen, Zittern - eine 53-jährige Angestellte trug vor dem Haßfurter Amtsgericht mit aufgewühlter Stimme im Zeugenstand vor, wie sie sich von dem Angeklagten (62) bedrängt und verfolgt, eingeschüchtert und terrorisiert fühlt. Fast täglich, schilderte sie dem Gericht, wenn ihr Mann zur Mittagszeit nach Hause gekommen sei oder in den Abendstunden die Hunde ausführt habe, sei der Nachbar auf seinem Grundstück aktiv geworden. Stets habe er laut und deutlich "Verbrecher" gerufen und dazu laut in eine Trillerpfeife geblasen. Bei der zweistündigen Verhandlung ging es um sechs Vorfälle aus dem vergangenen Winter. Strafrichterin Anne Völkl war überzeugt, dass es zu massiven Beleidigungen gekommen war. Das Urteil: Der nicht vorbestrafte Industriemeister muss eine saftige Geldstrafe von 9450 Euro zahlen.

Streit um bellende Hunde

Die von der Staatsanwältin vorgetragenen Anklagepunkte wurden vom Angeklagten und dessen Verteidiger Peter Auffermann vehement bestritten. Der in Altersteilzeit befindliche Mann erklärte, seit neun Jahren mit seiner Frau in dem Haus zu wohnen. Während der angeblichen Tatzeiten sei er entweder mit seiner Frau in der Sauna oder beim gemeinsamen Mittagessen gewesen. Er bestritt nicht, dass er sich von den – manchmal streunenden – Jagdhunden der Nachbarn belästigt gefühlt habe. "Die Hunde bellen wie verrückt, man versteht dann sein eigenes Wort nicht mehr", sagte er wörtlich.

Es sei sogar schon vorgekommen, dass der Dackel gegen sein Scheunentor gepinkelt habe. Im Übrigen habe er nie "Verbrecher" gesagt, sondern höchstens die Hunde auf fränkisch als "Verrecker" beschimpft. Weiterhin behauptete er, gar keine Trillerpfeife zu besitzen. Wenn gepfiffen werde, dann sei es der Nachbar selber mit seiner Hundepfeife. Die Ehefrau des Beschuldigten bestätigte im Zeugenstand die Angaben ihres Mannes und meinte: "Ich bin froh, wenn ich die Nachbarn nicht sehe!"

Auch die Tochter hörte mehrfach die Trillerpfeife

Detailliert schilderte dann die Nachbarin, die Ende Januar dieses Jahres die Anzeige bei der Polizei gestellt hatte, die einzelnen Beschimpfungen und Nachstellungen. Nach ihren Worten fühlte sie sich permanent beobachtet. Als es wochenlang mit der Trillerpfeife und den üblen Ausdrücken weitergegangen sei, habe sie kurz vor Silvester angefangen, die Vorfälle schriftlich festzuhalten. Dieses Protokoll lag nun in der Ermittlungsakte und lieferte die konkreten Zeitpunkte, die in der Anklageschrift verlesen wurden.

Ihre Hunde, erläuterte sie auf Nachfrage, seien immer angeleint und gut erzogen. Aktuell sei es so, dass sie mit ihrer Familie gar nicht mehr in den direkt an das Nachbargrundstück angrenzenden Gartenbereich gehen würden, um den bösen Beschimpfungen aus dem Weg zu gehen. Ihr Ehemann, also der Hundebesitzer, betonte, dass man praktisch immer ein "mulmiges Gefühl" habe, weil man merke, dass der Nachbar einem auflauere. Als weitere Zeugen wurden die beiden erwachsenen Töchter der angsterfüllten Frau gehört. Da eine von ihnen coronabedingt im Home-Office tätig war, gab sie an, ebenfalls mehrfach die Trillerpfeife des Nachbarn gehört zu haben.

Strafe übersteigt die Forderung der Staatsanwältin

Die Staatsanwältin würdigte zwar die Tatsache, dass der Beschuldigte nicht vorbestraft ist, hob jedoch die enorme psychische Belastung der Familie hervor. Sie forderte eine Geldstrafe von 9000 Euro für die Beleidigungen mitsamt einer Körperverletzung. Der Verteidiger sprach dagegen von "massiven Animositäten" und unterstrich: "Es steht Aussage gegen Aussage". Er fügte hinzu, dass eine Körperverletzung nie und nimmer gegeben sei und beantragte einen Freispruch. Der Angeklagte selbst nutzte sein letztes Wort, um die Gegenseite einer "frei erfundenen Falschaussage" zu bezichtigen.

Die Amtsrichterin sorgte mit ihrem Urteil für eine Überraschung, weil sie mit einer Geldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 90 Euro sogar über das von der Staatsanwältin geforderte Strafmaß hinausging. Eine Körperverletzung mit einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit sah auch sie als nicht gegeben, aber die anderweitigen Belästigungen und Beschimpfungen hielt sie in vollem Umfang für erwiesen. Das urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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