
Rechtsanwalt Alexander Wessel vertrat als Pflichtverteidiger einen 23-jährigen Asylbewerber. In seinem Plädoyer sprach er von einer "Tragödie". Damit beschrieb er die Straftat seines Mandanten, der nach Wessels Worten "von Hunger getrieben" an einem einzigen Tag zweimal in Supermärkten Lebensmittel gestohlen hatte. Dass es aber überhaupt so weit gekommen war, dafür gab Richter Patrick Keller eindeutig dem jungen Algerier die Schuld. Unter Berücksichtigung der Vorstrafen verurteilte er ihn zu einer Haftstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung.
Der Reihe nach. 2022 kam der Algerier über Spanien und Frankreich nach Deutschland. Nach einem ersten Aufenthalt in Baden-Württemberg landete er schließlich in einer Gemeinschaftsunterkunft in Geldersheim bei Schweinfurt. Dort sind Menschen aus aller Herren Länder untergebracht und es gab ständig Zoff mit anderen Mitbewohnern.
Aus der Gemeinschaftsunterkunft geflohen
Und in dieser Situation machte der Geflüchtete das, was man als seinen Kardinalfehler bezeichnen kann: Anstatt sich an die zuständigen Betreuer und Sozialarbeiter zu wenden und deren Hilfe und Unterstützung anzunehmen, flüchtete er einfach aus der Unterkunft. Ohne Geld, ohne Unterkunft und ohne Freunde lebte er als Obdachloser mehr als zwei Monate auf der Straße. Mit dem erbettelten Geld schlug er sich mehr schlecht als recht durch.
Und dann kam es, wie es kommen musste: Am 4. Dezember 2023 entwendete er im Eberner Rewe-Markt Lebensmittel für 30 Euro und einige Stunden später im dortigen Lidl-Markt eine Packung Eier für 2,29 Euro. Er wurde erwischt und versuchte vor der alarmierten Polizei zu fliehen. Dabei kletterte er über einen Zaun aus Maschendraht und verursachte dabei einen Schaden von rund 500 Euro. Doch er hatte keine Chance und wurde vorläufig festgenommen.
Der Diebstahl wurde von den Betreibern der Märkte angezeigt und die Justiz setzte bereits im letzten Jahr einen Gerichtstermin wegen des Diebstahls an. Doch die Ladung zu dem Termin erreichte den Algerier nicht, weil er wieder untergetaucht war. Deshalb fehlte er an diesem ersten Gerichtstermin unentschuldigt.
Daraufhin ordnete der zuständige Richter in Haßfurt einen sogenannten Hauptverhandlungs-Haftbefehl an. Das bedeutet, dass der Gesuchte bei der ersten Gelegenheit festgenommen wird. Genau das passierte am 11. März dieses Jahres bei einer Polizeikontrolle in Stuttgart. Seitdem sitzt der Dieb in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Bamberg. Zur Verhandlung in Haßfurt wurde er von Beamten in Fußfesseln vorgeführt.
Schon fünf Einträge im Vorstrafenregister
Unglücklicherweise hat der Beschuldigte bereits fünf Einträge in seinem Vorstrafenregister. Darunter finden sich auch zwei einschlägige Verurteilungen wegen Diebstahls. Weil er im Oktober 2023 vom Schweinfurter Amtsgericht bereits zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, beantragte nun die Staatsanwältin für den Wiederholungstäter wegen der Diebstähle und wegen der Sachbeschädigung eine siebenmonatige Haftstrafe "ohne".
Der Vorsitzende reduzierte das Strafmaß mit fünf Monaten etwas nach unten. In seiner Urteilsbegründung machte er dem Ausländer unumwunden klar, dass es einfach grundfalsch gewesen sei, einfach aus der Unterkunft zu flüchten und sich aus dem Staub zu machen. Er legte ihm ans Herz, sich schon während der Haft an die Betreuer vor Ort zu wenden und nach der Haft zügig mit Hilfe der Sozialarbeiter in der Unterkunft alle notwendigen Anträge zu stellen. "Wir leben hier in einem Behördenland!" schärfte der Richter dem Verurteilten ein.