In einem Büro wird gearbeitet. Das sollte man zumindest meinen. Oder sieht es vielleicht manchmal doch anders aus in den Büros in Franken? Mit der langjährigen Chef-Sekretärin Annemarie mit alter Olympia-Schreibmaschine und der Möchtegern-Französin Giselle, die in ihrer digitalen Welt lebt, prallen zwei Bürofrauen aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der Klenze-Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, was die Vermutung aufkommen lässt, dass viele Damen und vielleicht auch Herren ihren Büro-Alltag gerne mit dem vergleichen wollten, was der Erlanger Kabarettist Klaus Karl-Kraus mit seiner Feder für die Bühne erschaffen hat. „Guten Morgen. Es ist 8.06 Uhr. Ich hoffe, Sie hatten guten Sex und jetzt wird gearbeitet“, meldete sich der Radiomoderator. Schon löste sich die Spannung im Saal und alle Blicke waren auf das Büro gerichtet.
Mit der guten alten Olympia-Schreibmaschine, dem Schreiben mit vielen Durchschlägen, dem Stempeln, Ablochen und Abheften in einer Unmenge von Leitz-Ordnern verkörpert Annemarie Dotterweich (Johanna Wagner-Zangl) die aussterbende Spezies in kleinen Unternehmen. „Seit über 36 Jahren schmeiß' ich die Firma Stampfer& Söhne und mein Chef ist immer zufrieden. An Weihnachten bekomme ich von ihm immer eine MonChérie-Packung.“ Und natürlich hat sie auch mit vielen anderen Dingen zu tun, beispielsweise mit ihrer ständigen Migräne. Mit zahlreichen Pillen versuchte sie, „freie Radikale“ zu bekämpfen.
Jetzt aber stellt der Chef eine neue Sekretärin (Gisela Volk) ein, die in der Cyberwelt der E-Mails, Blackberrys und IT-Clouds lebt und all das Lochen, Stempeln und Ablegen aus der grauen Vorzeit des Büros nicht akzeptieren will. Nicht nur von Seiten der altgedienten Chefsekretärin, die ihr keinen Stuhl anbietet, bekommt die junge Frau Gegenwind. Beim ersten Telefonat legt der Anrufer gleich wieder auf, „denn der Doppelname Giselle Langmann-Kurpüschel ist für einen Franken viel zu lang“, klärt Annemarie auf, die „Blaue Zipfel“ liebt, während die „Neue“ als Veganerin das krasse Gegenteil verkörpert. „Ich ernähre mich gesund und von Grünkern“, meint Giselle, was Annemarie mit „a weng weng“ kommentiert. Das sei aber keineswegs eine chinesische Suppe, sondern bedeute: „a ganz klans bissla“. Solche sprachlichen Exkurse entwickelten sich auf der Bühne manchmal bis zu einer Art fränkischem Dialektseminar und sorgte für Lacher beim Publikum.
Der Kontrast zu diesem fränkischen Kosmos waren gekonnt eingestreute Metaphern, mit denen Klaus Karl-Kraus seine Geschichte mit philosophischem Feingeist und Zitaten würzte. „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“ von Arthur Schoppenhauer, „Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken“ und „Erfahrung nennt man die Summe aller unserer Irrtümer“ von Marc Aurel waren nur einige Zitate, die pointiert die Überleitung zu weiteren Szenen lieferten.
Auch die „Liebesgeschichten“ der beiden Sekretärinnen spielten eine besondere Rolle. „Sie müssen ins Internet, wenn sie eine „magic Love“ finden wollen. Internet-Dating ist angesagt und dazu geht man ins Netz“, meint Giselle, während Annemarie sich unter „ins Netz gehen“ etwas ganz anderes vorstellt.
Nachdem sich die beiden nach einigen Monaten endlich duzen, verraten sie sich gegenseitig ihre Erlebnisse mit dem anderen Geschlecht und ihre sexuellen Träume. Giselle hatte lange von ihrem Pierre aus Monaco geschwärmt, der sich plötzlich als „Peter von Marktredwitz“ entpuppte, und Chefsekretärin Annemarie hatte ihrem Chef 36 Jahre lang zu Weihnachten einen Pullover gestrickt. Für die eine steckt darin wahre Liebe, „aber für mich war des a saubere Arbeit, vor allem, weil ich alla Pullover nuch bei mir daham hab“, kommentiert Annemarie, die immer noch für einen schwärmt, der für sie unerreichbar ist: ihren Chef. Giselle tröstete sich selbst mit der Erkenntnis, dass eben Peter nicht die große Liebe gewesen ist. Außerdem krisele es ja auch bei Promis.
Gisela Volk in der Rolle der Giselle und Johanna Wagner-Zangl als Annemarie begeisterten mit ihrem schauspielerischen Talent in allen Situationen. Das Duo vom „Bamberger Theater am Michelsberg“ legte seine Energie dann noch einmal ganz kräftig in eine Einlage zur „Deutschen Meisterschaft im Luftgitarrenspiel“. In bester Heavy-Metal-Manier präsentierten sie sich dabei auf der Bühne und begeisterten die Zuschauer. Die sechs Szenen von „Schoo schee“ endeten in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie. Dort ist die eine schon gelandet und strickt ihren nächsten Pullover unter dem Weihnachtsbaum – und die andere bleibt nach einem Besuch am Ende auch mit einem sogenannten „Côte-d'Azur-Batscher“ zurück.
Aus dem Lautsprecher kam deswegen auch die Frage: „Denken sie, dass Computerarbeit und Technik krank machen?“ Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Wenn man nur in dieser Welt lebt: ja. Wir leben nämlich schon in einer verrückten Zeit und damit wird viel Unsinn getrieben.“
Was auf der kleinen Bühne geboten wurde, war aber „schoo schee“ und die beiden Schauspielerinnen zeigten den Zuschauern deutlich, dass Bürokommunikation trotz technischer Veränderungen so eine Sache ist. Oftmals beherrschen Alltägliches und allzu Menschliches das Arbeitsleben. Ob die Besucher nach diesem Stück das Büro mit anderen Augen sehen und sich vielleicht sogar Sekretärinnen mit Stenoblock und Schreibmaschine vor den Leitzordnern zurückwünschen?