Waren die 17 Rumänen Arbeitnehmer oder Unternehmer? Alleine um diese Frage drehte sich die dreistündige Verhandlung beim Haßfurter Amtsgericht. Trotz dreier Zeugen ließ sich die komplizierte Beweislage nicht abschließend klären. Im November wird es einen Fortsetzungstermin geben – mit der Maßgabe, dass sechs weitere Zeugen geladen werden.
Die Anklageschrift, die Staatsanwalt Peter Bauer verlas, bezieht sich auf Vorgänge zwischen Juni 2009 und Oktober 2010. Damals suchte ein heute 50-jähriger Handwerker aus dem Maintal Fachkräfte, die in der Steinmetzbranche bzw. im Verlegen von Natursteinen und Fliesen versiert sind. Fündig wurde er in Sibiu, auf deutsch Hermannstadt, dem Vorzeigeort im rumänischen Siebenbürgen.
Mit Hilfe einer Mittelsfrau, die sowohl die deutsche als auch die rumänische Sprache beherrscht, gab er dort eine Zeitungsanzeige auf. In dieser Anzeige stand, dass er im Rahmen einer „offiziellen selbstständigen Tätigkeit“ Männer suche, die in dieser Branche erfahren seien und in Deutschland arbeiten wollten. Als sich bei der rumänischen Agentin etwa zwei Dutzend interessierte Personen meldeten, machte sich der Deutsche auf den weiten Weg nach Transsilvanien und führte dort die Bewerbungsgespräche.
Und tatsächlich wurde er fündig. Etliche der Rumänen, die sich auf die Anzeige hin gemeldet hatten, waren qualifiziert und – nach Darstellung des Angeklagten – auch bereit, Teilhaber einer bestehenden und im Haßbergraum ansässigen GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) zu werden. Dieses Geschäftsmodell, betonte Anwalt Roland Meixner, sei seinem Mandanten von der örtlichen Handwerkskammer als zulässige legale Gestaltungsmöglichkeit empfohlen worden.
Dass es sich um eine echte Firma mit echten Gesellschaftern handele, so der Verteidiger weiter, sehe man daran, dass auch sein Klient als gleichberechtigter Teilhaber eingetragen sei. Als solcher trage er ein erhebliches Haftungs- und Gewährleistungsrisiko. Vertraglich sei damals vereinbart worden, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust in gleichem Maße beteiligt wären.
In der Folge arbeiteten die rumänischen Kräfte bei Neubauten im Frankfurter Raum. Und da, schilderte der Beschuldigte, habe es etliche Kontrollen des dortigen Zollamtes gegeben – alle seien ohne Beanstandung über die Bühne gegangen. Erst als das Hauptzollamt Schweinfurt auftauchte, habe es richtig Ärger gegeben. Bei zwei Durchsuchungen wurden sowohl die Geschäfts- als auch die Privaträume des Deutschen gründlich gefilzt.
Ein Mitarbeiter der Schweinfurter Zollbehörde erläuterte diese Vorgänge im Zeugenstand. Dass es sich hier um eine Scheinselbstständigkeit handele, so der Zollbeamte, ergebe sich vor allem aufgrund der Angaben der verhörten Rumänen. Die Osteuropäer hätten nichts davon gewusst, auf selbstständiger Basis zu arbeiten, sie hätten Arbeitsanweisungen erhalten, seien in dem Betrieb eingegliedert gewesen, hätten monatlich einen Lohn von 1000 bis 1300 Euro bekommen und seien während der Urlaubszeit leer ausgegangen. Einer habe gar von „Sklavenarbeit“ gesprochen.
Auf Nachfrage des Staatsanwalts sagte der Beamte, dass er hier keinen Grenzfall, sondern einen glasklaren Fall von Scheinselbstständigkeit sehe. Die vorliegende Gewerbeanmeldung, die Meldung beim Finanzamt und die Abführung der Gewerbesteuer seien als Verschleierungsmaßnahmen zu werten. Diese Sichtweise deckt sich mit der Ansicht der Deutschen Rentenversicherung.
Die Rentenversicherung errechnete fein säuberlich die Summe, die sich die GbR durch die nicht abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung während der 1,5 Jahre „erspart“ hatte: Über 150 000 Euro. Gegen diese Forderung hat der Handwerker Einspruch erhoben Deshalb läuft in dieser Sache derzeit noch ein paralleles zivilrechtliches Verfahren vor dem Würzburger Sozialgericht.
Vor Gericht konnten sich die Prozessbeteiligten nicht auf einen gemeinsamen Nenner zur Beendigung des seit Jahren schwelenden Rechtsstreits einigen. Mit der Vorgabe, dass sechs weitere Zeugen geladen werden, vereinbarte man einen Fortsetzungstermin. Der Ausgang, erklärte Strafrichterin Ilona Conver, sei offen, denn: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand!“