Wie oft sie diese Treppe bereits heruntergegangen ist? Ilse-Marie Weiß lacht und sagt: „Ach Gott, zumindest vier Jahre lang, jeden Schultag“. Hinuntergestürmt sind die Rügheimer Mädchen und Jungs diese Holztreppe im ehemaligen Schulhaus. „Kein Wunder, dass sie so ausgetreten ist“, schmunzelt die Rügheimerin. Die Treppe knarrt, ihre fast 150 Jahre Vergangenheit ist den Stufen anzusehen. Nur wenige Meter weiter geben sich Vergangenheit und Moderne die Klinke in die Hand. Im wahrsten Sinne des Wortes: Chromblitzende Türklinken am neuen Windfang. Neuer Bodenbelag auf dem Weg zu den Räumen, die Türen aber haben die Jahrzehnte überdauert. Das Bild ist symptomatisch für Rügheims ehrwürdiges Schulgebäude, in das nach Jahrzehnten des Leerstands wieder Leben einkehren soll. Am Samstag,12. Juli, wird es ganz offiziell als Dorfgemeinschaftshaus seiner Bestimmung übergeben.
Dass dieser Tag Wirklichkeit werden würde, war nicht unumstritten. Gar aus Rügheim hatte es geheißen, „reißt sie weg, die Wanzenburg“. Zwei, die sich von Beginn an für den Erhalt ausgesprochen hatte, sind am Mittwoch beim Gang durch das sanierte Gebäude zusammen mit Bürgermeister Wolfgang Borst und Ilse-Marie Weiß, dabei: Helmut Treuter und Günter Denninger. Wie Weiß, haben auch die beiden hier die Schulbank gedrückt (wir berichteten). Noch bevor deutlich wurde, was für ein „Schmuckstück“ (O-Ton Weiß) es einmal werden würde, wandten sich Denninger und Treuter gegen den ebenfalls diskutierten Abriss. Ihr Argument: „Erhalten, weil es den Ort prägt“.
Auch wenn ihn das Thema „ehemaliges Schulhaus“ seit Beginn seiner Amtszeit beschäftigte, hätte er nicht gedacht, dass es so schnell Wirklichkeit werden würde, so Bürgermeister Borst. Verschiedene Faktoren allerdings sorgten für Beschleunigung: Zum einen hatte sich überraschend vor rund zwei Jahren ein Fördertopf der Regierung aufgetan. Dabei kam zugute, dass man für das Rügheimer alte Schulgebäude ein Konzept parat hatte. Vor allem aber auch: Dass es eine lebendige Dorfgemeinschaft in Rügheim gibt, die sich verpflichtete, „das Haus mit Leben zu erfüllen, für alle Altersstufen“. Die Regierung war vom Rügheimer Konzept überzeugt und so gibt es bei veranschlagten Kosten von gut einer Million Euro einen Fördersatz von knapp 80 Prozent. Mit gut 100 000 Euro wird sich die Stadt am Vorhaben beteiligen, der gleiche Betrag ist durch Spenden aus der Dorfgemeinschaft eingeplant.
Die Dorfgemeinschaft brachte zudem Eigenleistung ein – zu Beginn, wie nun auch am Ende: Damit die Handwerker überhaupt erst loslegen konnten, entrümpelten Mitglieder das Haus, blitzblank wurde es jetzt für die Eröffnung hergerichtet.
Kritik hatte es bei Bekanntwerden der Sanierungspläne auch daran gegeben, ob denn neben Schüttbau und Martin-Luther-Haus die Ortschaft noch ein weiteres Veranstaltungsgebäude benötige. Borst sieht hier keinen Konflikt: „Der Schüttbau ist ganz anders aufgebaut. Er hat einen Konzertsaal und kleine Tagungsräume“, so Borst. Und auch das Martin-Luther-Haus sei für bestimmte Versammlungen nicht geeignet. „Darum hat sich auch die Kirche hier eingebracht“, so Borst, weil so das vorhandene Raumangebot sinnvoll ergänzt werde. Zudem, so der frühere Stadtrat Helmut Treuter: Der Stadtrat habe immer hinter dem Projekt gestanden.
Ursprünglich sollte das neue „lebendige Zentrum“ Rügheims ja bereits zur 1200-Jahr-Feier fertiggestellt sein, „das hätten wir auch eingehalten“, so Borst, aber angesichts des Arbeitsaufwands, in den die Dorfgemeinschaft zum Festwochenende eingebunden war, wollte man die Helfer nicht noch weiter belasten.
Die Eröffnung des Dorfgemeinschaftshauses findet am Samstag, 12. Juli, statt. Beginn ist um 10.30 Uhr. Gleichzeitig startet an diesem Tag auch die erste Veranstaltung: Eine Ausstellung mit Luther-Fabeln von Otmar Alt.