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Welkendorf
Ärger im Haßbergkreis: Wird wegen des Bibers Unterfrankens wichtigster Edelkrebs-See zerstört?
Der Nager hat einen Damm beschädigt, das Gewässer muss nun aufwändig saniert werden. Die Anhänger des Edelkrebses fürchten sein Ende – und fordern den Abschuss des Bibers.
Der Edelkrebs, hier am Ufer des Weißfichtensees, gehört zu den gefährdeten heimischen Arten.
Foto: Lukas Reinhardt | Der Edelkrebs, hier am Ufer des Weißfichtensees, gehört zu den gefährdeten heimischen Arten.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 09.09.2023 03:01 Uhr

Eigentlich ist der Weißfichtensee nahe Welkendorf ein Ort der Idylle: Abseits der Zivilisation im nord-östlichen Landkreis Haßberge gelegen und von saftig-grüner Vegetation umgeben, beherbergt das Gewässer einen ganz besonderen Bewohner. Einen, der hierzulande vom Aussterben bedroht ist: den Edelkrebs. Doch seit drei Jahren ist es vorbei mit der Idylle. Zumindest wenn es nach Volker Germann geht. "Hier, das ist sein Werk", sagt der Vorsitzende der Hegefischereigenossenschaft (HFG) Nassach und zeigt auf ein Loch am Steilufer, eine eingestürzte Höhle.

Dort hat sich ein anderes, ebenfalls streng geschütztes Tier in die Böschung gegraben. Es ist: der Biber. Und der sorgt unter den Anhängern des Edelkrebses für Unmut. Geht es nach Germann und seinen Unterstützern, gefährdet der seltene Nager das ebenso seltene Krustentier im Weißfichtensee. Sie fordern den Abschuss des Bibers, damit der Edelkrebs überleben kann. Doch es geht auch um mehr als das.

Aber von vorn. 

Anfang der 2000er erstmals Besatz mit Edelkrebsen

Der Weißfichtensee, gespeist vom Wasser des Dorfgrundbaches, ist eigentlich kein See, sondern ein künstlicher Teich mit einer Fläche von rund einem halben Hektar. Vor einem halben Jahrhundert als Naherholungsgebiet angelegt, erfolgte Anfang der 2000er erstmals der Besatz mit Edelkrebsen. Die Initiatoren – die Fischereifachberatung Unterfranken und die Bayerischen Staatsforsten als Eigentümer – hatten sich damals zum Ziel gesetzt, aus dem Gewässer eine Kinderstube für die bis zu 20 Zentimeter großen Tiere mit ihren kräftigen Zangen zu machen. Mit ihnen sollten heimische Bäche und Flüsse besetzt werden, aus denen der Edelkrebs aufgrund eingeschleppter Krankheiten und der zunehmenden Wasserverschmutzung beinahe verschwunden war.

Offenbar mit Erfolg.

Kurt Fröhlich, Werner Müller und Volker Germann (von links) kämpfen für den Edelkrebs im Weißfichtensee.
Foto: Lukas Reinhardt | Kurt Fröhlich, Werner Müller und Volker Germann (von links) kämpfen für den Edelkrebs im Weißfichtensee.

"Der Weißfichtensee ist heute der wichtigste Standort für den Edelkrebs in Unterfranken", sagt Volker Germann von der HFG Nassach. Die Genossenschaft hatte im Jahr 2016 die Pacht und damit die Verantwortung für die Aufzucht der Edelkrebse übernommen. "Wir haben die Nassach und ihr Nebensystem mit tausenden Flusskrebsen besetzt, die aus diesem Biotop stammen", sagt der 67-Jährige. Schon ohne ihre Zuflüsse eine Strecke von gut 24 Kilometern. Inzwischen habe sich dort eine eigene Population etabliert. 

Und geht es nach Kurt Fröhlich, dem Obmann des Fischereiverbands Unterfranken, ist das erst der Anfang. "Alleine in Unterfranken gibt es Fließgewässer mit einer Gesamtlänge von mindestens 1500 Fluss- und Bachkilometern, die alle vom Weißfichtensee profitieren könnten", erklärt er. Auch Fröhlich setzt sich für den Edelkrebs ein.

Sorge vor Zerstörung des Lebensraums für den Edelkrebs

Doch all das sehen Germann, Fröhlich und ein weiterer Unterstützer nun in Gefahr: "Es droht die Zerstörung des gesamten Gewässers", mahnt Werner Müller, der dritte im Bunde. Müller, ehemaliger Fachberater für Fischerei, war Anfang der 2000er Mitinitiator des Aufzuchtprogramms im Weißfichtensee. Entsprechend sorgt sich der 68-Jährige um die Zukunft seines Herzensprojekts. Alle drei betonen die gute Beziehung zu den Staatsforsten.

"Es geht auch um die öffentliche Sicherheit."
Heiko Stölzner, Leiter Forstbetrieb Bad Königshofen

Die Höhlen, die der Biber auch in den Damm auf der Talseite des Teiches gegraben hat, haben das Gebilde instabil gemacht. Und weil ein für die Forstwirtschaft wichtiger Weg über eben diesen Damm in den Wald führt, sehen sich die Eigentümer des Gewässers zu einer drastischen Maßnahme gezwungen. Der See muss abgelassen und das Ufer massiv befestigt werden, bis zu 100.000 Euro könnte das kosten. Denn: "Es geht auch um die öffentliche Sicherheit", erklärt Heiko Stölzner, Leiter des Forstbetriebs Bad Königshofen. Und nicht nur die Biberburg bedrohe die Stabilität des Erdwalls. Auch den sogenannten Mönch, ein künstlicher Überlauf, habe der Nager inzwischen verstopft. "Bei Starkregen könnte der Weißfichtensee volllaufen, der Damm platzen", so Stölzner weiter. Mit möglichen Folgen für das bachabwärtsliegende Welkendorf. 

Wasser ablassen, um Schaden am Damm zu begutachten

Heiko Stölzners Blick auf die mitunter emotionale Angelegenheit ist vor allem ein nüchterner: "Auch wenn alle Anliegen legitim sind, können wir nicht eines voranstellen." Der voraussichtliche Plan der Bayerischen Staatsforsten sehe nun vor, das Wasser abzulassen um das tatsächliche Ausmaß des Schadens, den der Biber am Damm hinterlassen hat, zu erfassen. Anschließend soll der künstliche Wall im unteren Bereich mit einem verzinkten Drahtgeflecht geschützt und mit Wasserbausteinen befestigt werden, die so groß sind, dass der Nager sie nicht wegräumen kann.  All das solle gut vorbereitet und in enger Absprache mit den entsprechenden Fachberatungsstellen und Behörden geschehen, so Stölzner. "Der Edelkrebs soll diese Maßnahme gut überstehen."

Der Biber hat sich am Ufer des Weißfichtensees in die Böschung gegraben. Die Höhle ist eingestürzt. 
Foto: Lukas Reinhardt | Der Biber hat sich am Ufer des Weißfichtensees in die Böschung gegraben. Die Höhle ist eingestürzt. 

Doch daran wollen Germann, Fröhlich und Müller nicht so recht glauben. "Wenn die Talseite verbaut ist und der Biber im Gewässer bleibt, weicht er auf die anderen Uferseiten aus", vermutet der ehemalige Fischereifachberater Müller. An der nord-östlichen Böschung hat der Nager bereits eine zweite Burg errichtet. Sollten neben dem Damm auch die drei anderen Uferseiten massiv befestigt werden müssen, würde nur ein Bruchteil der seltenen Krustentiere diesen Eingriff überleben, fürchtet Volker Germann. "Und am Ende wäre das gesamte Gewässer für den Krebs unbewohnbar." Denn als Lebensraum bevorzuge das Tier neben Wurzelstrukturen als Versteck auch freie Steilufer aus Lehm und Löss, in die sie ihre Wohnröhren graben.   

"Es braucht eine dauerhafte Entnahmegenehmigung."
Volker Germann, Vorsitzender HFG Nassach

"Wir befinden uns hier nicht in der Wildnis, sondern in einer Kulturlandschaft", sagt Fischereiobmann Kurt Fröhlich. Um den Weißfichtensee als Kinderstube für den Edelkrebs zu erhalten, bleibe laut dem Trio nur eine Möglichkeit: "Der Biber muss nachhaltig und fortlaufend ferngehalten werden", wird Germann deutlich. "Es braucht eine dauerhafte Entnahmegenehmigung." Gemeint ist der Abschuss.

Entnahmegenehmigung beim Landratsamt beantragt

Den haben Volker Germann und seine Mitstreiter inzwischen beim Landratsamt Haßberge beantragt. "Der Ausgang des Verfahrens kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht abgesehen werden", heißt es dazu auf Nachfrage dieser Redaktion. Dort sei man sich der jeweiligen Belange der betroffenen Arten bewusst. Dennoch sieht die untere Naturschutzbehörde, die mit diesem Fall befasst ist, den Abschuss offenbar kritisch: "Auf Grund der bisherigen Abstimmungen, insbesondere mit dem Biberberater des Landkreises Haßberge und der Bibermanagerin Nordbayern, wird eine Entnahme des Bibers auf längere Sicht nicht zielführend sein", heißt es in der Stellungnahme weiter. Die Vermutung: Bei einer Entnahme würde sich in kürzester Zeit ein neuer Biber am Weißfichtensee ansiedeln.

Am nord-östlichen Ufer hat der Nager einen Baum gefällt und eine kleine Biberburg errichtet. 
Foto: Lukas Reinhardt | Am nord-östlichen Ufer hat der Nager einen Baum gefällt und eine kleine Biberburg errichtet. 

"Wir brauchen uns nicht einreden, dass das Gewässer biberfrei bleibt. Alle Reviere in der Umgebung sind bereits besetzt", sagt auch Heiko Stölzner von den Bayerischen Staatsforsten. Doch Biber sei nicht gleich Biber. "Manche sind grabfreudiger als andere", so der Forstbetriebsleiter. Deshalb sollte ein möglicher Abschuss immer eine Einzelfallentscheidung sein, je nach Ausmaß des Schadens, "flankierend zu anderen Maßnahmen". 

Edelkrebs-Population mit hoher genetischer Diversität

Dennoch: Die Sorge am Weißfichtensee, der Edelkrebs könnte dem Nager als Leittier und Aushängeschild des erfolgreichen Naturschutzes zum Opfer fallen, ist groß. Wie berechtigt sie ist, bleibt offen. Klar aber ist: Während sich der Biberbestand bundesweit erhole, zeige sich beim Edelkrebs ein negativer Trend. Das sagt Michael Kolahsa, Leiter der Fischereiberatung Bezirk Unterfranken. Umso wichtiger seien Refugien, wie es der Weißfichtensee ist. Das hat im Juli dieses Jahres auch das Institut für Umweltwissenschaften an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern festgestellt, wonach das Gewässer eine Population mit "hoher genetischer Diversität" beheimate. Die seien besonders schützenswert und ideal, um Wiederansiedlungsprojekte voranzubringen.

Edelkrebs-Nachwuchs aus einer Zucht: Bis zu 20 Zentimeter lang und mitunter 20 Jahre alt können die Tiere werden. 
Foto: Lukas Reinhardt | Edelkrebs-Nachwuchs aus einer Zucht: Bis zu 20 Zentimeter lang und mitunter 20 Jahre alt können die Tiere werden. 

"Ich weiß, dass die Behörden und der Naturschutz es nicht leicht haben", sagt Michael Kolahsa, "aber wenn ich müsste, würde ich mich für den Edelkrebs entscheiden." Doch kann es am Ende wirklich nur einen Gewinner geben? Den Biber – oder – den Edelkrebs? Aus dem Landratsamt jedenfalls kommen auch hoffnungsvolle und zugleich beschwichtigende Töne. Die weitere Prüfung könne durchaus ergeben, "dass sowohl Biber als auch Edelkrebs geschützt werden können", heißt es aus der Behörde. Wie das konkret aussehen könnte, bleibt offen. 

 
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  • Helga Scherendorn
    Der Biber hat dort nichts zu suchen, abschießen oder umsiedeln!
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Als der Weißfichtensee angelegt wurde war der Biber hierzulande noch durch menschliches Verhalten ausgerottet.

    Der Edelkrebs wurde durch menschliches Zutun in diesem See angesiedelt, der Grund, warum Edelkrebse nicht mehr häufig in sämtlichen Fließgewässern und Seen anzutreffen sind hat ebenfalls sehr viele menschengemachte Ursachen.

    Okay, den talseitigen Damm Biber-fest abzusichern ist vernünftig, weil dieses Tier jetzt im See heimisch ist und der See auch nicht leerlaufen sollte.

    Aber mit einer notwendigen Absicherung der anderen Seeufer zu argumentieren und die Wiederausrottung des Bibers zu fordern ist doch ziemlich konstruiert.

    Ich hoffe darauf, daß die Naturschutzbehörde bei Ihrer Sichtweise bleibt und beide Spezies nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden.

    Sehr wahrscheinlich kommen Krebs und Biber nachbarschaftlich besser miteinander aus als der Mensch mit Arten, die zu nichtkommerziellen Zwecken einfach nur ihr Leben leben.
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