
Seit Sommer 2020 hängt das Damoklesschwert eines Gerichtsprozesses über Mutter Mechthild Thürmer. Obwohl sich die Äbtissin der Benediktinerinnen-Abtei Maria Frieden in Kirchschletten nichts vorzuwerfen hat. "Ich habe in absoluten Härtefällen so gehandelt, wie Jesus es auch getan hätte. Ich habe nichts falsch gemacht", begründet die 64-jährige Nonne ihre Taten aus Gewissensgründen: Über 30 Mal gewährte sie in der Abtei Kirchenasyl. Und zwar Männern mit kaum vernarbten Wunden von Folterungen, nach Vergewaltigungen traumatisierten Frauen, Flüchtlingen, die die Höllentouren über das Mittelmeer gerade so überstanden. Die in Deutschland auf ein gerechtes Asylverfahren gehofft haben. Oft vergebens. Denn auf Basis der Dublin-Regelung mussten sie mit Abschiebung in Staaten rechnen, die Flüchtlinge eher schlecht behandeln.
Weiterhin Kontakt zu ihren Schützlingen
"Ich bin froh und dankbar, helfen zu können, das ist meine Motivation", sagt die Äbtissin, die auch nach Beendigung des Kirchenasyls Kontakt zu ihren bisherigen Schützlingen hält. "Alle sind noch in Deutschland", weiß sie von Familienzusammenführungen oder Duldungen. Und sie weiß auch, dass "ich notfalls in den Knast gehe, wenn das Urteil negativ ausfällt".
Am Dienstag, 28. Februar, wird ihr ab 15.15 Uhr im Amtsgericht Bamberg wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß des Paragrafen 95 Abs.1 Nr. 2 AufenthG, 27 StGB" der öffentliche Prozess gemacht. Dieser war ursprünglich für den 31. Juli 2020 anberaumt, wurde aber aus "prozessökonomischen Gründen abgesetzt", wie der Gerichtssprecher damals erklärte. Es waren jedenfalls Ermittlungen in einem weiteren Fall von Kirchenasyl in der Abtei, die zur Verzögerung führten. Das Gericht stellte der Äbtissin damals für den Fall einer Verurteilung eine "empfindliche Freiheitsstrafe" in Aussicht.
Dass es nun überhaupt zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass sich Mutter Mechthild weigerte, die im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Bamberg festgesetzte Geldstrafe von 2500 Euro zu bezahlen.
Anwalt hat Erfahrung in Sachen Kirchenasyl
Mit ihrem Münchner Rechtsanwalt Franz Bethäuser, der erfahren ist in Fällen von Kirchenasyl durch Ordensleute und Pfarrer, legte die Äbtissin Einspruch ab: "Ich wäre mir nicht ehrlich vorgekommen, die 2500 Euro zu bezahlen, nur um meine Ruhe zu haben." Bei aller Anspannung sei sie jetzt "voller Hoffnung, dass es gut ausgeht", fügt sie hinzu
Auch ihr Anwalt Bethäuser erhofft sich ihren Freispruch, "weil sie sich nicht strafbar gemacht hat", betont er. Letztlich werde aber der Richter entscheiden, nicht der Staatsanwalt, fügt Bethäuser hinzu. Der Rechtsanwalt will unserer Zeitung nicht bestätigen, was in Unterstützerkreisen kursiert: Dass nämlich die Staatsanwaltschaft in Bamberg besonders rigide gegen die Gewährung von Kirchenasyl vorgehe.
Der Nürnberger Jesuit Dieter Müller, stellvertretender Vorsitzender der "Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" und Koordinator Bayern, relativiert diesen Bamberg-Bezug: "Seit 2017 sind Staatsanwälte nur in Bayern gegen Kirchenasyl tätig, das gibt es in keinem anderen Bundesland." Bisher seien "hunderte Verfahren in solchen Fällen eingestellt worden", sagt Jesuitenbruder Dieter Müller, der Kirchenasyle und von Abschiebung bedrohte Menschen begleitet.
Zwei ähnliche Verfahren endeten mit Freispruch
Äbtissin Thürmer sei nun eine der ersten Kirchenleute, gegen die eine noch diesbezügliche Anklage aufrechterhalten werde – trotz der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landgerichts München, dass die Gewährung von Kirchenasyl keine Straftat ist. Bereits mit Urteil vom 25. Februar 2022 hatte dieses Gericht im Fall von Bruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach klargestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen keine Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt vorliegt. Daraufhin endete auch das Berufungsverfahren von Schwester Juliana Seelmann aus dem unterfränkischen Kloster Oberzell wegen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt am 14. Juli 2022 mit einem Freispruch.
Warum kommt es jetzt dennoch zu der Verhandlung gegen die Äbtissin? Monika Englich, Sprecherin des Amtsgerichts Bamberg, gibt folgende Antwort: "Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat bereits vor der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landgerichts zum Kirchenasyl Anklage beim Amtsgericht Bamberg/Strafrichter als Einzelrichter erhoben. Das Verfahren ist deshalb vom zuständigen Strafrichter weiterzuführen und ein Verhandlungstermin anzuberaumen." Wer seitens der Staatsanwaltschaft Bamberg als Sitzungsvertreter an der Verhandlung teilnehmen werde, sei "aktuell nicht bekannt", erklärt die Sprecherin.
Als mutige Kämpferin für Nächstenliebe bekannt
Mutter Mechthild Thürmer ist inzwischen weit über die deutschen Grenzen hinweg als mutige Kämpferin für die tätige Nächstenliebe bekannt. Sogar aus dem Vatikan erhielt die Äbtissin dankbare Reaktionen. Auch der Bamberger Domberg steht rückenstärkend hinter hier, wie mehrfache Unterstützerbotschaften belegen. Zum bevorstehenden Verhandlungstag macht Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl unmissverständlich klar, dass Kirchenasyl "nicht außerhalb des Rechtstaats steht". Es werde im Rahmen einer Vereinbarung mit der Regierung gewährt, um in Härtefällen alle Möglichkeiten des Rechts auszunutzen. Der Weihbischof befürchtet jedoch, dass ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts diese Vereinbarung in Frage stellen könnte: "Dies hätte natürlich Auswirkungen auf die zukünftige Vorgehensweise bei der Gewährung von Kirchenasyl", so Gössl.
Da zeitgleich mit dem Gerichtstermin die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden stattfindet, könne er leider nicht im Gerichtssaal dabei sein, bedauert der Weihbischof.