Werden Sie Schlossbesitzer für ein Taschengeld und erfreuen Sie sich an Ihrem neuen Status als Schlossherr!“ So wirbt Heiko Nowak Graf von Roit im Internet für ein Geschäftsmodell, mit dem sich offenbar gut Geld verdienen lässt. Im Mittelpunkt steht das baufällige so genannte Alte Schloss in Gereuth, einem Gemeindeteil von Untermerzbach im östlichen Landkreis Haßberge.
Im Mai 2009 kaufte der „Adelsverband“ mit Sitz in Recklinghausen, dessen Geschäftsführer Heiko Nowak ist, als Trägergesellschaft das Alte Schloss. Rund um das Gemäuer wurde dann von Nowak, Chef der „Graf von Roit Liegenschafts- und Verwaltungs-GmbH“, ein Geschäft aufgezogen, das ganz offensichtlich auf die Eitelkeit und die Sehnsucht mancher Menschen abzielt, einmal stolzer Schlossbesitzer oder gar Mitglied des internationalen Jetsets, des Adels und der angeblich besseren Gesellschaft zu sein.
Nowak verkauft als Projektleiter klitzekleine Anteile am Schloss, das er auf seiner Homepage www.schloss-projekt.de als ein „in ganz Europa einmalig vorzufindendes Bau-Ensemble aus der Renaissance und Barockzeit“ bezeichnet und das eine „teilweise hervorragend erhaltene Bausubstanz“ aufweise. Für 199 Euro kann man einen 5000-tel Anteil am Alten Schloss erwerben. Wer nur 99 Euro anlegen möchte, dem gehört zumindest ein 10 000-tel Anteil.
Neben dem Kaufvertrag über den „Schlossbesitzanteil“ ist im Kaufpreis auch noch ein ganzes Paket von Zugaben enthalten. Da ist zum Beispiel das Mitnutzungsrecht am patentrechtlich geschützten „Grafenwappen des Grafen von Roit“. Geworben wird auch mit der Möglichkeit einer einfachen Postweiterleitung gegen geringes Entgelt durch die Deutsche Post AG, was besonders eitlen Zeitgenossen gefallen dürfte. Denn wer sich so einen winzigen Schlossanteil gesichert hat, der darf seine Visitenkarten oder seinen Briefkopf mit der Gereuther Schloss-Adresse schmücken – und erhält seine Korrespondenz trotzdem an seinen eigentlichen (bürgerlichen) Wohnort weitergeleitet.
Als Zugabe zum „Schlossbesitzanteil“ gibt es auch eine „Schlossbesitzer-Urkunde im Großformat“, handschriftlich unterzeichnet von der „Schirmherrin“ Angela Maria Prinzessin von Hohenzollern, die im Mai 2009 zum Auftakt der Aktion extra nach Gereuth angereist kam und dafür ihr „Landschloss an der Cote d'Azur bei Nizza“ verließ. Treuen Lesern der Regenbogenpresse ist die Dame bestens bekannt. Die „schöne Angie“, wie sie gemeinhin in den Klatschblättern genannt wird, kam vor ihrem Aufstieg in den Prinzessinnen-Stand als bürgerliche Angela Stölzle zur Welt und war später dann – wie es das Nachrichtenmagazin Der Spiegel einst schrieb – die „Gespielin“ des Titelhändlers Hans-Hermann Weyer, der wiederum als der „schöne Konsul“ bekannt ist.
1990 eroberte Frau Stölzle dann zunächst den verarmten Adeligen Emanuel Joseph von Hohenzollern (die Bild-Zeitung nannte ihn einst „Müllprinz“), wandte sich dann aber nach kurzer Zeit im Jahr 1991 dessen geistig etwas zurückgeblieben wirkenden Sohn Carl Alexander (Spottname in der Bild-Zeitung: „geiler Depp“), zu. Durch die Eheschließung mit diesem fast 30 Jahre jüngeren Vertreter des deutschen Hochadels erhielt sie den ersehnten Adelstitel. Die Ehe wurde 1997 zwar geschieden, ihren Titel behielt Frau Stölzle selbstredend aber weiterhin.
Von der Cote d'Azur wieder zurück ins beschauliche Gereuth: Weiterhin im Zugabe-Paket enthalten ist ein „Schlüssel zum Schloss an einem goldenen, gravierten Schlüsselanhänger mit Krone“. Mit diesem ominösen Schlüssel soll man dann als Teileigentümer im Alten Schloss in vier so genannte „VIP-Räume“ gelangen. Steht man vor der Ruine in Gereuth, dann sind die vergammelten Türen des Erdgeschosses mit Eisenketten und Vorhängeschlössern gesichert. Wer weiß, vielleicht passen die angepriesenen Schlüssel in diese Vorhängeschlösser?
Der Adelsverband will, so verspricht er es auf der Homepage, zwei Drittel der bei der Schlossanteile-Verkaufsaktion eingenommenen Gelder auf einem Sonderkonto deponieren, um sie direkt für Sanierungsmaßnahmen am Schloss zu verwenden. Damit solle sichergestellt werden, dass der Zahlungsfluss transparent bleibt und das Geld auch tatsächlich zweckbestimmt eingesetzt wird. Wie man um der angekündigten Transparenz willen aber Einblicke auf dieses Sonderkonto nehmen kann, wird nicht erläutert. Auch wie viele Schloss-Anteile in Gereuth der Geschäftsmann Nowak letztlich schon verkauft hat, bleibt unbekannt – und damit auch die Summe, die für die Sanierungsmaßnahme auf dem Sonderkonto schon bereitstehen müsste. Die auf der Homepage angegebene Kontaktnummer mit Heiko Nowak ist tot („kein Anschluss unter dieser Nummer“). Auf eine schriftliche Anfrage per Mail kam bislang nur die offenbar automatisch generierte Bestätigung zurück, dass die Mail eingangen sei.
„Erste Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen“ hätten auch begonnen, heißt es auf der Homepage des Schlossprojekts. Einer der vier geplanten VIP-Räume sei bereits fertig. Auf mehreren Bildern im Internet ist zu sehen, wie Arbeiter die fleckigen Wände im Erdgeschoss des Gebäudes mit weißer Farbe anstreichen.
Denkmalschützer sind empört
Von einer fachgerechten Renovierung könne aber überhaupt keine Rede sein, schimpft Theodor Weiß von der Unteren Denkmalschutzbehörde am Landratsamt Haßberge. Die unprofessionellen Arbeiten seien zudem ohne Wissen und ohne Beteiligung der Denkmalschutzbehörden durchgeführt worden. Das Landratsamt Haßberge habe, so Weiß weiter, die Bauarbeiten deshalb umgehend einstellen lassen. Denn bei einem derart hochwertigen Baudenkmal wie dem Alten Schloss habe der Eigentümer bei der Renovierung mit den Fachbehörden zusammenzuarbeiten und habe dabei meist auch mit zahlreichen Auflagen der Denkmalbehörde zu rechnen. Dazu gehöre, so Theodor Weiß weiter, die Räume nach der Sanierung der Mauern mit speziellen Mineral- oder Kalkfarben zu streichen, statt einfach Farbe hinzupinseln. „Bei solchen wertvollen Objekten kann man damit mehr Schaden anrichten, als dass man etwas gut macht.“
Im Gegenzug zu den hohen Auflagen könnten dann aber auch, so Weiß, großzügige Fördermöglichkeiten mit öffentlichen Geldern angeboten werden. Man habe dem Eigentümer schriftlich mitgeteilt, dass er erst einmal eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis beantragen muss, bevor irgendwelche Arbeiten ausgeführt werden. Eine derartige Erlaubnis sei bislang aber nicht beim Landratsamt beantragt worden. Auch auf das Angebot, verschiedene Fördertöpfe für die Sanierung ausfindig zu machen, habe niemand reagiert.
Überhaupt ist der Denkmalschützer nicht gut auf den Adelsverband und Heiko Nowak Graf von Roit zu sprechen. Offenbar brauche man das Alte Schloss nur, um Geschäfte zu machen. „An einer Sanierung habe man offenbar kein echtes Interesse“, sagt Weiß. Denn seit Heiko Nowak das Schloss vom Memmelsdorfer Unternehmer Roland Rösler gekauft habe, sei abgesehen von der unsäglichen Anstreichaktion überhaupt nichts getan worden, um den zunehmenden Verfall des Denkmals insbesondere im Bereich der Dächer zu stoppen. Die Balkenkonstruktion für die statische Sicherung der Fassade habe noch Rösler vornehmen lassen.
Wer steht nun aber hinter dem Geschäftsmodell mit dem Verkauf von Schlossanteilen? Nowak und sein Geflecht aus mehreren Unternehmen ist nicht nur im abgeschiedenen Gereuth tätig. Im Internet können weitere Projekte von Nowak besichtigt werden. Seine „Graf von Roit Liegenschafts- und Verwaltungsgesellschaft mbH“ hat zum Beispiel eine 127 972 Quadratmeter große Moorfläche in Niedersachsen als ein „privates Naturschutzgebiet“ ausgewiesen. Die nowalit GmbH (dahinter steht ebenfalls Heiko Nowak) verkauft jeweils 300 Quadratmeter kleine Parzellen „Moorland inklusive Adelsnamen“ für 299 Euro. Auch hier soll ein Großteil des Geldes – so wird versprochen – für gemeinnützige Zwecke eingebracht werden. Wird in Gereuth der Erhalt eines kulturhistorisch wichtigen Bauwerks versprochen, so soll in Norddeutschland die Moorlandschaft und „die Schönheit einer sagenumwobenen, fast schon gespenstisch anmutenden Urnatur“ erhalten werden.
Einige Zeilen weiter unten in dem Werbetext für das Moor-Projekt relativiert Nowak dann den Begriff „Adelsname“. Jedem Käufer einer Parzelle werde als Anerkennung, sich bei dem Naturschutzprojekt beteiligt zu haben, ein „im Klangbild einem Adelsnamen ähnlicher Namenszusatz“ zugesprochen. Im Angebot ist der Namenszusatz „Graf von Roit zu Hoya“. Dies sei im Sinne des Namensrechts ein Künstlername und ein Pseudonym und könne im Personalausweis und Reisepass als Namensergänzung eingetragen werden.
Künstlernamen als eingetragene Marken
Seinem bürgerlichen Namen hat Heiko Nowak selbst den Künstlernamen „Graf von Roit“ zugefügt. Er ist einer von mehreren Titelhändlern in Deutschland, die sogar beim Internetanbieter Ebay ihre Angebote ins Netz stellen. Seinen Künstlernamen „Graf von Roit“ erklärt Nowak laut stern.de übrigens damit, dass seine geistigen Wurzeln in Roit im rumänischen Transsylvanien liegen – wo bekanntermaßen die Blutsauger herkommen.
Die Idee ist immer die gleiche. Die Titelhändler haben sich Burgen, Schlösser oder ehemalige Grafschaften ausgesucht. Diesem Namen wird dann noch ein „Graf von“ vorgestellt. Der so neu kreierte Name wird als neue Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) registriert. Diese Registrierung wird von den Titelhändlern gerne als „Beglaubigungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet. Kauft nun ein zu höheren Weihen berufener Bürgerlicher sich so einen Grafen-Titel aus dem Land der Fantasie, so ist rechtlich gesehen der Vorgang recht einfach: Der Titelhändler als Inhaber der beim DPMA eingetragenen Wortmarke gestattet es seinem Kunden, dass auch dieser die geschützte Marke benutzen darf, also den Künstlernamen an seinen richtigen Namen anhängen oder ihn als Pseudonym verwenden darf. Diese Verwendungserlaubnis der Marke wird in der Regel symbolträchtig dargestellt durch die Übergabe einer „Ernennungsurkunde“, was nichts anderes ist als die Kopie der Eintragungsurkunde beim DPMA. Alleiniger Inhaber der Marke und damit auch alleinig berechtigter Vermarkter bleibt aber ausschließlich der Titelhändler.
Heiko Nowak wirbt auch damit, dass seine Titel durch den Adelsverband und durch das Institut für die Anerkennung von Adelsnachweisen (kurz IFAA) zertifiziert seien. Das überzeugt nicht. Adelsverband und das IFAA sind rechtliche Gebilde, hinter denen Nowak selbst steht.
Das Verwenden von patentrechtlich geschützten Markennamen und Pseudonymen ist insbesondere bei Künstlern gang und gäbe. Wer kennt schon einen Christian Klusacek? Denn Klusacek nennt sich in der Öffentlichkeit „Chris Roberts“. Ein Ludwig Franz Hirtreiter sicherte sich die Marke „Rex Gildo“, Gerhard Höllerich lief unter „Roy Black“ und hinter der Marke „DJ Ötzi“ steht ein Gerhard Friedle.
In Gereuth gibt es nun aktuell eine neue Entwicklung: Das Alte Schloss wurde offenbar verkauft, wie aus dem Landratsamt Haßberge zu erfahren ist. Neuer Eigentümer ist Friedrich Wilhelm Senff aus dem Raum Bochum. Denkmalschützer Theodor Weiß hat Senff vor rund vier Wochen mit der Bitte um Kontaktaufnahme angeschrieben, gemeldet hat sich der neue Eigentümer jedoch noch nicht. Auch von dieser Zeitung konnte Senff telefonisch nicht erreicht werden.
Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Friedrich Wilhelm Senff ist laut Internet (dort wird er „Seniff“ geschrieben) der Managing Director (Geschäftsführer) der Firma Schloss Berga Inc. mit Sitz in Florida (USA). Das macht stutzig. Schloss Berga in Ostthüringen als Firmierung eines Unternehmens aus Florida? Richtig. Die Firma ist Eigentümerin der nach einem Großbrand maroden, unter Denkmalschutz stehenden Schlossruine oberhalb von Berga. Und auch dort wurden in der Vergangenheit kleine Anteile mit je einem Quadratmeter Ruine in Ebay für 299 Euro verkauft. „Schirmherr“ der ganzen Aktion: Heiko Nowak Graf von Roit. Er steuerte – im Preis inbegriffen – den Künstlernamen „Graf zu Berga“ bei.
Rund 420 Schloss-Anteile samt Künstlername wurden nach einem Bericht der Thüringer Allgemeine und stern.de in der Folgezeit in Berga verkauft, so dass also schon ganze Heerscharen dieser Pseudo-Grafen Berga unterwegs sein müssen. Bei der Vorstellung der Aktion hatten die Verantwortlichen der Öffentlichkeit dort ihr Finanzierungsmodell vorgestellt: Die US-Firma sollte je verkauften Anteil 79 Euro erhalten, Heiko Nowak sollte für die Bereitstellung der Grafen-Titel ebenfalls je 79 Euro kassieren. Der verbleibende Rest von den 299 Euro (also ungefähr jeweils 140 Euro) sollte – so wurde auch dort versprochen – in die Sanierung der Ruine fließen - und zweckgebunden der Interessengemeinschaft Schloss Berga e.V. zur Verfügung gestellt werden. Die dortige Interessengemeinschaft setzt sich, ähnlich wie in Königsberg die Schlossberggemeinde, für den Wiederaufbau der Burg ein.
Das Geld kam nicht
Bei einem medienwirksamen Auftritt im Mai 2008 wurde von den selbst ernannten Burg-Sanierern ein großer Scheck an den örtlichen Bürgermeister überreicht, auf dem der Betrag von 20 000 Euro stand. Als die Fernsehkameras des MDR aber ausgeschaltet waren, sah die Sachlage ganz anders aus. Überwiesen wurden bislang nur 15 000 Euro. Eigentlich hätten es – bei schon 420 verkauften Schlossanteilen - rund 60 000 Euro sein sollen. Leere Versprechungen.
Von den 15 000 Euro habe die Interessengemeinschaft rund 8000 Euro für Aufräumarbeiten an der Ruine ausgegeben, erklärt deren Vorsitzende Helmut Müller am Telefon. Die übrigen 7000 Euro habe man noch auf dem Konto. Inzwischen hat Müller die Hoffnung aufgegeben, das restliche versprochene Geld noch zu bekommen. Ganz im Gegenteil: Mittlerweile will die US-Firma sogar auch die restlichen 7000 Euro wieder zurück haben. Möglicher Hintergrund: Der Verein denkt laut darüber nach, sich aufzulösen. Laut Satzung käme dann, so Müller, das verbliebene Geld in der Vereinskasse einem gemeinnützigen Zweck in Berga zugute.
Hat der Vorsitzende überhaupt noch Hoffnung auf insgesamt 60 000 Euro? „Wir haben ja keinen Rechtsanspruch darauf“, sagt Müller und er klingt resigniert. Die Abmachungen mit den Vertretern der Schloss Berga Inc. seien „sehr verworren formuliert“ gewesen, außerdem habe man nichts schriftlich fixiert, sondern alles sei ja nur per Handschlag abgemacht worden. In Berga sind die Träume geplatzt.
Wie aber geht es weiter mit dem Alten Schloss in Gereuth? Das Landratsamt will dem neuen Eigentümer nun einen zweiten Brief schicken – jetzt allerdings mit einer Fristsetzung für einen gemeinsamen Ortstermin. Sollte er sich erneut nicht melden, „werden sich die Juristen des Landratsamtes Gedanken machen müssen“, sagt Theodor Weiß. Im Raum steht dann eine Ersatzvornahme: Der Landkreis gibt die Dachsanierung in Auftrag und stellt die Kosten dem Eigentümer in Rechnung. Ob der dann zahlt, ist eine andere Frage.
Das Alte Schloss
Altes Wirtschaftsgebäude Das Alte Schloss steht rechts neben der Kirche und darf nicht verwechselt werden mit dem so genannten Neuen Schloss auf der anderen Straßenseite, das seit dem Jahr 2000 von Rupert Fechner und Birgit Richter saniert wird. Das Alte Schloss wurde um 1530 erbaut. Als Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenklau von 1706 bis 1714 zugleich die Kirche und das Neue Schloss errichtete, hatte das Alte Schloss seine bisherige Funktion verloren. Es wurde schon zu Zeiten des Barock zum auch landwirtschaftlich genutzten Wirtschaftsgebäude umgebaut.