
Nach gut 100 Jahren geht in diesen Tagen in Hofheim die Geschichte des Familienunternehmens Ehrlinger zu Ende. Die Obstkelterei, dem Vernehmen nach die einzige im Landkreis Haßberge, schließt Ende März ihre Türen. "Aus Altersgründen", wie Bernhard Ehrlinger erklärt. Gemeinsam mit seiner Frau Marion führt er in vierter Generation den Familienbetrieb, der nicht nur selbst Säfte produzierte, sondern auch für Privatpersonen aus der Region Obst presste.
"Wir gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sind sich die Ehrlingers mit Blick auf den nun nahenden Abschied von der Obstkelterei, deren Grundstein einst 1923 mit der Produktion von Holzfässern gelegt wurde, einig. Die drei Kinder der beiden haben eigene Wege eingeschlagen, jenseits des Familienbetriebs. Das sei aber vollkommen in Ordnung, erklären die Eltern.
Apfelsaft und 17 weitere Saftsorten im Sortiment
Sie werde vor allem den Kontakt zu den Kundinnen und Kunden vermissen, sagt Marion Ehrlinger, die 1984 in den Betrieb der Familie ihres Mannes einstieg. "Ich gehe gerne mit Leuten um, deswegen habe ich immer gerne als Verkäuferin hier auf dem Hof gearbeitet", erzählt sie. Auch Schulklassen führte sie regelmäßig durch die Obstkelterei und zeigte den Schülerinnen und Schülern, wie aus Äpfeln Saft gewonnen wird und dass zum Beispiel naturtrüber Apfelsaft zwar weniger einladend aussieht, aber trotzdem gut schmeckt.

Der regionale Apfelsaft, klar und naturtrüb, war das Kernprodukt der Hofheimer Obstkelterei. Insgesamt zählten jedoch 18 verschiedene Sorten Saft zum Sortiment – von ACE über Kirsch-Banane bis Orange. Wenn neue Sorten ausprobiert wurden, waren Familienrat und Freundeskreis sozusagen die ersten Kontrollinstanzen, wie Marion Ehrlinger erzählt. Während ihr Mann Bernhard vor allem die Produktion verantwortete, kümmerte sie sich um die Büroarbeit und damit zum Beispiel um den Verkauf der Säfte an Super- und Getränkemärkte.

Das werde sie nicht vermissen, sagt Marion Ehrlinger und gibt einen Einblick in die Branche. So seien in den vergangenen fünf Jahren zum Beispiel die Preise für Saftkonzentrat deutlich gestiegen. So schnell, dass sie sich über die Einkaufspreise des Handels für die Säfte der Obstkelterei kaum noch gegenfinanzieren ließen. Auch sei es immer schwieriger geworden, Personal zu finden. Denn in der Hochsaison würden zwei, drei Leute zum Abfüllen benötigt. Und nicht zuletzt habe die Bürokratie immer mehr zugenommen, was es gerade kleinen Betrieben schwer mache.
Gutscheine sind noch bis Ende März einlösbar
Bis zum 31. März hätten Kundinnen und Kunden noch die Möglichkeit, ihre Gutscheine in der Obstkelterei einzulösen, erklären die Ehrlingers. Und während die ersten Monate des Jahres sonst eher ruhig verlaufen, haben angesichts der nahenden Schließung wohl einige noch einmal ihre Schubladen durchforstet und die Obstkelterei aufgesucht. Der älteste aktuell eingelöste Gutschein stammte noch aus D-Mark-Zeiten und dem Jahr des Mauerfalls: Er datiert von 1989, wie Marion Ehrlinger mit einem Schmunzeln verrät.
Nicht alles sei zum Stichtag Ende März vorbei, ergänzt sie indes. "Mit der Betriebsauflösung haben wir auch danach noch viel zu tun. Es ist nicht so, dass uns jetzt plötzlich langweilig wird", erklärt Marion Ehrlinger. Eines ist ihr und ihrem Mann dann noch ein Anliegen: "Wir möchten uns bei allen Kundinnen und Kunden, aber auch allen anderen Wegbegleiterinnen und -begleitern zum Abschied noch einmal ganz herzlich bedanken für das über Jahre und Jahrzehnte entgegengebrachte Vertrauen."
