In Gädheim feierte Dorothea Hermann ihren 90. Geburtstag. Eine bewegende und bewegte Zeit liegt hinter ihr, aber sie hat ihren Humor nicht verloren.
Am 1. Juli 1927 in der Gemeinde Keisd im Kreis Mures in Siebenbürgen/Rumänien ist sie geboren und mit zwei Schwestern aufgewachsen. Nach dem Abschluss der siebten Klasse hieß es für sie, in der Landwirtschaft ihrer Eltern mitzuarbeiten. Als die schönsten Jahre ihres Lebens bezeichnet die Jubilarin ihre Dienstjahre als Kindermädchen und Haushaltsgehilfin, die sie 1942 in Hermannstadt antrat.
Aber nach dem erfolgreichen Umsturz im Königreich Rumänien 1944 und dem Militärbündnis mit dem Deutschen Reich ging sie in ihren Heimatort zurück. Dort hatten sich mittlerweile Russen angesiedelt vor denen sie sich aus Angst versteckte, denn sie war eine Deutsche mit Vorfahren aus dem Rhein/-Moselgebiet; und diese wurden nicht gerne gesehen.
Für die heute rüstige Jubilarin kam die schwerste Zeit ihres Lebens ab Januar 1945. Alle sächsisch-deutschen Mädchen und Jungen wurden per Güterzug „verladen“. Die 90-Jährige erinnert sich, dass zum Abschied alle Glocken im Ort läuteten. Bei Eis und Schnee begann die schwere Arbeit in einem russischen Kohlebergwerk. 1947 kam die Abreise in ein größeres Lager, und die Arbeit – das Bauen von Steinmauern – wurde noch schwerer.
Die junge Dorothea hat durchgehalten, denn vom ersten Tag an glaubte sie, dass die Zeit schnell vergehen würde. Im November 1949 kam die Erlösung, und es ging heim. Dort hatte sich alles verändert. Ihre Eltern wurden enteignet, die Landwirtschaft war weg. Dorothea hatte Glück und fand eine Anstellung im Hopfenanbau.
Ihre große Liebe fand sie in ihrem Heimatort. „Ihren“ Michael, der exakt am gleichen Tag geboren worden war, kannte sie schon aus Kindheitstagen. Geheiratet wurde am 31. Dezember 1955. Durch die Geburt von Sohn Michael 1957 und Tochter Dorothea im Jahr 1960 wurde die Familie komplett.
Doch die Zeit in Rumänien wurde nicht besser, denn Deutsche hatten es immer noch schwer. Nach langen Diskussionen entschloss sich das Ehepaar, 1994 nach Deutschland zu gehen. Dabei war es schwer, die alte Heimat aufzugeben, obwohl beide Kinder bereits in Deutschland eine neue Heimat gefunden hatten.
Tochter Dorothea wohnt in Grettstadt und Sohn Michael in Obertheres. Im Jahr 2009 verstarb Michael Hermann. Seitdem wohnt die Jubilarin allein, versorgt sich selbst und kümmert sich um ihren Garten. Für die 90-Jährige ist es wie eine Befreiung, dass sie über ihre Vergangenheit reden darf. Ein Buch könnte sie schreiben – angefangen hat sie schon.
Ihr Hobby ist das Nähen von Trachtenhemden für die Tracht aus Siebenbürgen, und sie strickt gerne Socken. Obwohl sie schlimme Zeiten erlebt hat, zeigt sich Dorothea zufrieden mit ihrem Leben und freut sich über ihren 90. Geburtstag. Dazu gratulierten neben Tochter und Sohn auch ihre vier Enkel.