Dass es zwischen Geschwistern großen Ärger und Verdruss gibt, ist gar nicht so selten. Aber dass eine solche Zwistigkeit zu einem strafrechtlichen Nachspiel führt, ist gottlob die Ausnahme. Am Dienstag saß eine 62-jährige Hausfrau auf der Anklagebank des Amtsgerichts Haßfurt. Weil sie die Haustüre ihres Bruders vernagelt hatte, wurde sie wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 40 Euro, also zu insgesamt 800 Euro verurteilt.
Im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, dass die Familienverhältnisse zwischen den beiden Geschwistern völlig zerrüttet sind. Die Angeklagte hatte von ihren Eltern ein Haus geerbt, in dem der Bruder wohnte. Lange Zeit lebte auch der Vater der beiden verfeindeten Geschwister in dem Haus. Als der Senior immer gebrechlicher wurde, pflegte der Bruder seinen Vater – dafür, so die Schwester, habe sie ihm die Miete von 180 Euro monatlich erlassen.
Beschimpfungen auf dem Friedhof
Nachdem der Vater jedoch verstorben war, verlangte sie erneut die Mietzahlung von ihrem Bruder. Inwieweit dieser im Mietrückstand war, kam vor Gericht gar nicht zur Sprache. Klar war dagegen, dass das Tischtuch zwischen den beiden endgültig zerschnitten ist. Auf dem Friedhof, erzählte die aufgebrachte Frau, habe ihr Bruder sie als "Drecksau" beschimpft und ihr gewünscht, sie solle "verrecken". Auch ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Hubertus Benecke, meinte, dass der Bruder seine Mandantin "bis aufs Blut gequält" habe.
Am 14. Oktober letzten Jahres eskalierte die Situation. Da beschloss die Angeklagte, ein "Zeichen zu setzen" und ihm "einen Denkzettel zu verpassen". Als ihr Bruder unterwegs war, lief sie zu dem Haus, in dem dieser zur Miete wohnte. Mit Dachlatten, einem Akkuschrauber und Schrauben bewaffnet, verrammelte sie die Haustüre.
Rote Linie zur Selbstjustiz überschritten
Strafrichter Patrick Keller zeigte durchaus Verständnis dafür, dass die Frau genervt war. Allerdings habe sie mit ihrer Aktion "eine rote Linie" überschritten, machte er unmissverständlich klar. "Niemand darf zur Selbstjustiz greifen", sagte er.
Für die Höhe eines Tagessatzes sind die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend. Dabei werden neben dem Einkommen auch die Vermögenswerte berücksichtigt. Und in dieser Hinsicht hat die Angeklagte durch ihr Erbe einiges aufzuweisen. Von daher müsste die Frau mit einem wesentlich höheren Tagessatz rechnen, würde man ihr gesamtes Vermögen einbeziehen. Unter diesem Vorzeichen nahm sie den gutgemeinten Ratschlag des Vorsitzenden an und zog ihren Einspruch gegen den Strafbefehl zurück.
Der Zoff mit ihrem Bruder, der zwischenzeitlich ausgezogen ist, ist damit allerdings nicht ausgestanden. Im Streit um das Erbe haben sich alle Seiten einen Rechtsanwalt genommen. Dieser Konflikt wird jedoch beim Zivilgericht ausgefochten.