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HASSFURT
25 Afghanen nach Kabul abgeschoben
Beim Besuch von Angela Merkel in Würzburg gab es vor dem CCW eine Demonstration gegen die Abschiebung nach Afghanistan.
Foto: Patrick Wötzel | Beim Besuch von Angela Merkel in Würzburg gab es vor dem CCW eine Demonstration gegen die Abschiebung nach Afghanistan.
Sarah-Sophie Schmitt
Sara Sophie Fessner
 |  aktualisiert: 28.01.2017 03:48 Uhr

Als 14-Jähriger floh Hasib Afzali aus Afghanistan. Er hat sich in Deutschland eingelebt, spielt Fußball im Verein, arbeitete als Baggerfahrer. Jetzt, nach sechs Jahren in Deutschland, ist er wieder geflohen – vor der Zwangsabschiebung.

Seit Dezember gewährt ihm die evangelische Kirchengemeinde Haßfurt (Lkr. Haßberge) Kirchenasyl. „Wir achten darauf, dass Hasib das Haus nicht verlässt“, sagt Pfarrer Gerhard Barfuß, der mit Pfarrerin Doris Otminghaus die Kirchengemeinde leitet. Afzali wohnt im Pfarrhaus mit der Pfarrerin sowie zwei jesidischen Kurden. Solange er im Haus ist, befinde er sich in Sicherheit, meint Barfuß, er werde von dort nicht gewaltsam herausgeholt – dafür sorge das ungeschriebene Gesetz des Kirchenasyls.

Ein sicheres Herkunftsland?

Derzeit ist Afghanistan Nummer zwei der Herkunftsländer, in die die meisten Menschen zurückgebracht werden. Nach der Verschärfung des Asylrechts und dem neuen Rücknahmeabkommen hat die Bundesregierung begonnen, abgelehnte Asylbewerber dorthin auszuweisen. In einem ersten Sammelflug wurden Mitte Dezember 34 Menschen zurückgeführt, am Montag folgte die zweite bundesweite Sammelabschiebung: 25 Afghanen wurden nach Kabul gebracht.

Unter ihnen waren auch fünf Männer aus Unterfranken. Neben drei Personen aus Würzburg und einem aus Schweinfurt wurde auch ein Afghane aus Haibach (Lkr. Aschaffenburg) abgeschoben. „Es werden weitere Zwangsausweisungen folgen“, ist sich der Würzburger katholische Hochschulpfarrer Burkhard Hose sicher.

„Insgesamt leben in Unterfranken derzeit 40 vollziehbar ausreisepflichtige, afghanische Flüchtlinge“, teilt die Regierung von Unterfranken mit. Sie haben kein Asyl bekommen und können, wenn sie bis zu einer gewissen Frist nicht freiwillig ausreisen, abgeschoben werden.

Ausgewiesen in ein Land, in dem es vielerorts Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Taliban sowie immer wieder Anschläge gibt. Ein sicheres Herkunftsland? Ja, sagt das Bundesinnenministerium (BMI). „Die von den Taliban verübten Anschläge richten sich gezielt auf Angehörige der internationalen Gemeinschaft und gerade nicht auf die Zivilbevölkerung.“ Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) stimmt dem zu: „Solche Rückführungsmaßnahmen sind richtig und notwendig, um unser Asylsystem funktionsfähig zu halten.“ „Die, die kein Bleiberecht haben, müssen zurückkehren“, sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag beim Diözesanempfang in Würzburg.

Die beiden großen Kirchen hingegen kritisieren die Sammelabschiebungen nach Afghanistan. „Kein Mensch darf in eine Region zurückgeschickt werden, in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist.“ Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), fordert einen sofortigen Stopp dieser Abschiebungen. „Ich bin persönlich durchaus grundsätzlich dafür, dass abgeschoben wird, wer keinen Anspruch auf Aufenthalt hat und abschiebefähig ist, sofern die Lage in seinem Herkunftsland sicher ist“, erklärt Stephan Reichel, Referent für Kirchenasyl der evangelischen Landeskirche in Bayern. „Aber nach Afghanistan kann man derzeit nicht abschieben.“

Selbst innerhalb der Grünen führt dieses Thema zu heftigen Debatten. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat in einem Facebook-Post behauptet, das Leben in der US-amerikanischen Stadt Chicago sei gefährlicher als in Afghanistan. Die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm widersprach ihrem Parteikollegen. „Wenn es so viel sicherer ist als in Chicago, geh ich gern ein Jahr nach Chicago, wenn Boris Palmer im Gegenzug ein Jahr in Afghanistan verbringt“, schrieb sie.

Unterdessen wartet Hasib Afzali in Haßfurt auf eine Entscheidung. Sein Chef hat eine Petition im Landtag eingereicht, um ihn im Land zu halten. Bislang ist sie noch nicht angenommen. „Wie es weitergeht, ist offen“, sagt Reichel.

Mitarbeit: mim, dpa

 
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  • F. S.
    sondern neuerdings auch in Würzburg, Ansbach, Bonn, München, Berlin usw. ....
    Darf ich jetzt auch einen Asylantrag in Neuseeland stellen.... ???
    Ich würde sogar meinen Pass mitbringen.

    PS: Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat. Ein Asylverfahren, das alle Instanzen erfolglos durchlaufen hat, durch illegales "Pfarrhaus-Asyl" - nicht "Kirchenasyl" - zu hintergehen, halte ich persönlich für äußerst fragwürdig.
    Aussage: Die Kirche ignoriert die deutschen Gesetze und Gerichte - wo ist da der Unterschied zu den "Reichsbürgern" ?
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