„100 Jahre haben wir Waldpraktiker mit Dauerwald wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, dass wir mit dieser anspruchsvollen naturnahen Art der Waldbewirtschaftung einen wichtigen Beitrag für einen zukunftsfähigen Wald im Klimawandel leisten können.“ Dies betonte Hans von der Goltz, der Bundesvorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldbewirtschaftung“ (ANW), bei der Festveranstaltung „100 Jahre Dauerwald“ im Schloss von Rentweinsdorf, die mit einer Exkursion in die Rotenhanschen Wälder verbunden war.
Maximilian von Rotenhan, Schlossherr und Waldbesitzer, hatte die Gäste in Rentweinsdorf willkommen geheißen, bevor ANW-Vorsitzender von der Goltz den Anlass des Treffens nannte. Im Jahre 1920 habe Alfred Möller den Begriff „Dauerwald“ geprägt, der grundlegend für „eine Waldgesinnung mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Waldes als dauerhaftes, vielgestaltiges und dynamisches Ökosystem“ stehe.
Die ANW setze sich seit ihrer Gründung, zum Teil gegen erbitterten Widerstand andersdenkender Forstleute, für diese stabile, strukturreiche, vergleichsweise naturnahe und ökosystemschonende Art der Waldbewirtschaftung ein, so von der Goltz. Aus diesem Grund feiere man das Jubiläum „in dem seit Jahrzehnten nach den Dauerwaldgrundsätzen bewirtschafteten Wald der Familie von Rotenhan in Rentweinsdorf“.
In einer Zeit besorgniserregender Vitalitätsverluste des Waldes durch Witterungskapriolen des Klimawandels rücke Dauerwaldwirtschaft zunehmend in den Fokus. Wichtige Elemente von Dauerwald seien seine Baumartenmischung, dass alt neben jung auf der gleichen Fläche stehe, die weitgehend natürliche Regeneration, die Stetigkeit von Holzvorrat und -struktur, konsequente Jagd sowie bodenschonende Holzernteverfahren. „Natürlich bleibt auch dieser Wald von der Trockenheit oder den Hitzerekorden nicht verschont. Einzelne Bäume sterben, nicht aber – wie in anderen Regionen – der ganze Wald“, betonte Hans von der Goltz.
"Das Wesen und die Perspektiven des Dauerwaldes“ beleuchtete im Festvortrag Professor Christian Ammer von der Uni Göttingen. Er erinnerte daran, dass Alfred Möller schon vor 100 Jahren den Wald als Organismus und Ökosystem gesehen habe. Die Berücksichtigung all seiner einzelnen Elemente, vom Baum bis zum kleinsten Bodenlebewesen, ergebe den Wald. Je mehr Einzelelemente missachtet würden, so seine Überzeugung, desto instabiler werde das Gesamtgefüge.
„Bei unserer Waldpflege müssen wir in vielen Fällen wohl der Entwicklung und dauerhaften Sicherung einer standorttypischen Baumartenmischung mehr Aufmerksamkeit widmen“, meinte Professor Ammer. Der stabile Dauerwald mit seinem kleinflächigen Wechsel von Licht und Schatten sichere ein ausgewogenes und lebendiges Bodenleben, das man nicht durch zu intensive Befahrung stören dürfe.
Ammer kam deswegen zu der Feststellung: „Wenn unsere Bedürfnisse nach Walderholung, sauberem Trinkwasser, Kohlendioxid-Speicherung, Holz und Einkommen nachhaltig befriedigt werden sollen, brauchen wir die einfühlsame, einzelbaumbezogene und das gesamte Ökosystem schützende Dauerwaldwirtschaft. Der Dauerwald als verantwortlich bewirtschaftetes Waldsystem war und bleibt die Antwort für einen stabilen, ertragsbringenden und vor allen Dingen zukunftsfähigen Wald.“
Bei der Exkursion in den Rotenhanschen Wald stellt Tobias Elflein, Förster in der vierten Generation und Nachfolger seines Vaters Wolfgang, den Forstbetrieb vor. Er umfasst in den Haßbergen 1400 Hektar. Er bestehe aus 60 Prozent Laubwald (darunter 29 Prozent Buche und 24 Prozent Eiche) sowie 40 Prozent Nadelholz (16 Prozent Fichte, 17 Prozent Kiefer und 4 Prozent Lärche). „Mit 24 verschiedenen Baumarten haben wir eine recht ausgewogene Mischung. Mit dieser Baumartenzusammensetzung sind wir bisher ganz gut gefahren“, so Förster Elflein.
Man habe Trockenschäden eigentlich zum ersten Male in diesem Jahr gespürt, mit Borkenkäfer bei Fichte und etwas auch bei Kiefer. Aber es halte sich in Grenzen. „Mit der Eiche haben wir keine Probleme." Elflein verfolgt die deutschlandweite Diskussion um Wald im Klimawandel kritisch, vor allem Überlegungen, durch Pflanzung ausländischer Sorten den Wald fit zu machen. In Rentweinsdorf habe man sich dazu entschlossen, mit den heimischen Baumarten zu arbeiten. Elflein plädiert außerdem für kürzere Umtriebszeiten. Das ist die Zeit zwischen Pflanzung und Fällung eines Bestandes. "Ich wäre für schnellere Umtriebszeiten, weil mit dem Alter auch das Risiko steigt.“
Die Teilnehmer waren begeistert vom Zustand des Rotenhanschen Waldes. Ein Gast meinte: „Man hat hier im Wald den Eindruck, dass alles harmonisch ist. Mein Lob für diese Stetigkeit, die man gar nicht erkennen kann.“ Sebastian von Rotenhan, ehemaliger Vorsitzender der ANW, sagte „je üppiger wir die Mischung machen, desto mehr sind wir auf der sicheren Seite. Aber wesentlich ist die Pflege. Auch die Eiche kann wunderbar mit hochwachsen und weiteres Laubholz setzt sich durch zu einer wunderbaren Mischung. Sollte das Schlimmste passieren, dass der Oberstand kaputtgeht, wäre die neue Generation darunter schon da.“
Bei der Frage nach Überlegungen im Blick auf den Klimawandel, meinte Waldbesitzer Maximilian von Rotenhan: „Wir haben auch schon einmal 3000 Douglasien oder Speierlinge gepflanzt. Aber das sind mehr Spielereien. Meine erste Entscheidung ist es, jetzt nichts zu machen, denn wir haben noch Möglichkeiten Mischung reinzubringen.“ Immer wieder wurde dabei deutlich gemacht, dass Naturverjüngung etwas ganz anderes bedeute als Neu-Pflanzung. Letztere gebe es eigentlich gar nicht im Wald der Rotenhans.
Auch die „Wald-Wild-Debatte“ kam auf den Tisch. „Es ist eine Kombination von Jagd und Forst erforderlich, dann bekommt man solch einen Wald wie bei den Rotenhans“ stellte ANW-Vorsitzender von der Goltz fest. Maximilian Truchseß von Wetzhausen unterstrich dies mit den Worten „da muss erst etwas da sein zum Pflegen und das ist nur da, wenn konsequent gejagt wird.“ Der Wald müsse sich auf der ganzen Fläche verjüngen können, nicht nur durch Pflanzung. Götz von Rotenhan hält in Bayern bei 50 Prozent der Waldfläche der Rehwildbestand für zu hoch. Dabei wurde auch Kritik laut in Richtung der Behörden an den Landratsämtern.
ANW-Vorsitzender Hans von der Goltz bedankte sich bei den Rotenhans für den besonderen Rahmen der Veranstaltung 100 Jahre Dauerwald, „wobei wir viel aus dem Schatz ihrer Erfahrung mitnehmen können, dazu noch mit markigen Sprüchen von Sebastian von Rotenhan".