Die Popmusik-Branche, heißt es, macht ihre besten Umsätze längst nicht mehr mit dem Verkauf von Tonträgern. Der ist im Zeitalter der Musik aus dem Internet Schritt für Schritt zurückgegangen. Das Geld müsse verstärkt durch Tourneen hereinkommen.
Das Konzert, das der kanadische Balladenrocker Bryan Adams am Sonntag auf seiner aktuellen Welttournee in Bad Kissingen gab, dürfte die wirtschaftlichen Erwartungen durchaus eingelöst haben. Veranstalter Argo Konzerte sprach hinterher von 10 000 Besuchern der Open-Air-Veranstaltung im Luitpoldpark.
Auch wenn es Leute gibt, die bei über 70 Euro für die einfachere Stehplatzkarte und je vier Euro für eine Bratwurst und ein Bier die Grenzen des wirtschaftlich Herausholbaren langsam kommen sehen: Gefallen hat der Abend besagten 10 000 ganz offensichtlich.
Sabine und Frank, zum Beispiel, aus Sachsen-Anhalt, sind 300 Kilometer angereist, um den 54-jährigen Kanadier zu sehen und zu hören. Sabine wird nächste Woche 51. Das Konzert war ein Vorabgeschenk dafür. Auch wenn's nach eigener Aussage „bei uns beim Mitsingen mit dem Englisch ein bisschen hapert“ steht für Sabine Adams' Hit Summer of 69 auf der Liste jener Titel, die sie auf jeden Fall hören möchte, ganz oben.
Bei Jürgen (65) und Gaby (60) ist das genauso. Und es hat sogar noch einen individuellen Grund: „Wir haben uns im Sommer 69 kennengelernt.“ Live hatte das Paar den Schmuserocker vor dem Kissinger Auftritt nicht gesehen. Eine tragende Rolle im Leben spielen Adams' Lieder aber nach Gabys Worten auch von der Konserve: „Die Musik ist die Supermotivation am Putztag. Da läuft Bryan Adams, bis das Haus sauber ist.“ So ein Kompliment kriegt bestimmt selbst ein Weltstar nicht allzu häufig zu hören.
Nadja (33) aus der Umgebung von Bad Kissingen und ehemals Rosenkönigin der Stadt kam praktisch aus Solidarität in den Luitpoldpark. Wenn schon mal eine Größe wie Bryan Adams hier auftritt, sagt sie, „dann muss man das auch unterstützen“.
Im Schnitt ist der Bryan-Adams-Fan beim Kissinger Konzert zwischen 40 und 50 Jahre alt. Frauen und Männer halten sich die Waage. Bei den Frauen reicht die Bandbreite von der Sprechstundenhilfe bis zur Chefärztin. Bei den Männern sind Kfz-Mechaniker genauso vertreten wie Landtagsabgeordnete.
Gastgeber des Ereignisses war Bad Kissingen übrigens eher überraschend geworden. Ursprünglich sollte Schweinfurt Spielort sein. Wegen logistischer Probleme im Zusammenhang mit dem gleichzeitig angesetzten Volksfest wechselte Argo in die nahegelegene Kurstadt.
Dort war aber jetzt ebenfalls deutlich mehr geboten, als es in der Stadt während der ohnehin recht lebhaften Sommermonate üblich ist. Das Klassikfestival Kissinger Sommer läuft schon. Die Offroad-Messe Abenteuer Allrad mit insgesamt gut 54 000 Besuchern an vier Tagen lief am Sonntag noch. Im Norden der Stadt liefen Fußballer beim internationalen Jugendturnier dem Ball hinterher. Und am Flugplatz nutzten die Kinder den letzten Tag der Zelttheaterwoche.
Vor dem Hintergrund dieser Ballung von publikumsträchtigen Veranstaltungen zählen spätestens seit Sonntag die örtliche Polizeiinspektion und das örtliche Rathaus ebenfalls zu den Anhängern von Bryan Adams. „Im Konzert gab es keinen einzigen polizeilichen Einsatz“, sagt der stellvertretende Inspektionsleiter Elmar Hofmann. Der Abreiseverkehr der Offroad-Messe und die Anreise der Konzertbesucher hätten sich zwar gekreuzt, es habe aber keinen Unfall und keine wesentlichen Probleme gegeben.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg hat das Konzert auch besucht – und weil im Vorfeld geklärt war, dass von der lauschigen Wiese am südlichen Saale-Mäander kein Ton zur Luzerner Gala beim Kissinger Sommer in den Regentenbau dringen würde, tat er das ganz entspannt. Der Abend hat ihn bestätigt: „Einmal im Jahr vertragen wir einen richtigen Kracher.“ Das sagte er schon bei der Ankündigung des Bryan-Adams-Konzerts im Winter.