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WÜRZBURG
Zentrum für Seltene Erkrankungen: Anlaufstelle bei unklaren Diagnosen
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:06 Uhr

Bei Gerald Brandt war die Diagnose schnell klar. Als er zwei Jahre alt war, erfuhren seine Eltern im Universitätsklinikum Würzburg, dass ihr Kind an Hypophosphatasie leidet – eine angeborene Erkrankung des Knochenstoffwechsels. Betroffenen fehlt ein bestimmter Enzymkomplex, deshalb ist der Knochenaufbau gestört. Das führt zum Beispiel zu Deformationen und zu Brüchen; oder die Schädelknochen verschließen sich zu früh. Eine Heilung ist nicht möglich. Hypophosphatasie zählt zu den Seltenen Erkrankungen.

Gerald Brandt ist heute 44 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Er ist der Vorsitzende des 2006 in Würzburg gegründeten Selbsthilfevereins Hypophosphatasie Deutschland. Er weiß, dass ihm früh geholfen werden konnte. „Manche Menschen warten Jahrzehnte auf eine Diagnose. Oder sie werden falsch behandelt“, so Brandt. Denn wenn die Erkrankung erst im Erwachsenenalter ausbricht, ähnelt sie einer Osteoporose.

Um die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu verbessern, wurde im Dezember am Uniklinikum das Zentrum für Seltenen Erkrankungen (ZESE) gegründet. Laut Professor Christoph Reiners, dem Ärztlichen Direktor des Uniklinikums, hat die neue Einrichtung eine „Leuchtturm-Funktion“: Es sei das Referenzzentrum für Nordbayern und somit nicht nur für Betroffene in Würzburg, sondern für Patienten in der ganzen Region „ein Anker“. Darüber hinaus bilde das Referenzzentrum ein „Netzwerk“, das im Uniklinikum und auch in andere Fachzentren eingebunden sei. Professor Helge Hebestreit, Sprecher des neuen Zentrums, nennt hier zum Bespiel das Würzburger Zentrum für Neurofibromatosen oder das Zentrum für Hypophosphatasie, das weit über die Region hinaus führend sei.

Interdisziplinäre Forschung sei bei Seltenen Erkrankungen „extrem wichtig“, so Professor Hebestreit. Das ZESE sei eine zentrale Anlaufstelle für alle Patienten mit einer gesicherten, aber auch mit einer ungesicherten Diagnose sowie für Ärzte. Das Zentrum bündele die vorhandenen Spezialkenntnisse, um rasch zu einer Diagnose zu gelangen. Zugleich könne eine umfassende Versorgung auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft angeboten werden. Wichtig sei auch die enge Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe.

Konkret beschreibt Helge Hebestreit den Ablauf: Patienten mit einer unklaren Erkrankung erhalten einen Fragebogen, mit dem behandelnden Arzt werden Schlüsselsymptome abgeklärt. Danach erfolgen Gespräche mit dem Patienten. Seit Gründung des Zentrums habe es bereits rund 100 Anfragen gegeben, so Hebestreit. Gemeldet hätten sich sogar Patienten aus Norddeutschland.

Nach Angaben von Professor Hebestreit sind bis zu 8000 Seltene Erkrankungen bekannt, etwa 80 Prozent sind genetisch bedingt. Die komplexen Krankheitsbilder verlaufen meist chronisch. In Deutschland leben schätzungsweise über vier Millionen Betroffene.

Seit acht Jahren gibt es den Tag der Seltenen Erkrankungen. Weltweit wird am 28. Februar auf die „Waisen der Medizin“ aufmerksam gemacht. Das Würzburger Zentrum für Seltene Erkrankungen wird sich an diesem Tag der Öffentlichkeit vorstellen.

Veranstaltung im Würzburger Zentrum

Unter dem Motto „Wir stellen uns vor“lädt das Zentrum für Seltene Erkrankungen – Referenzzentrum Nordbayern (ZESE) direkt am Tag der Seltenen Erkrankungen zu einer Informationsveranstaltung. Sie beginnt am Samstag, 28. Februar, um 10 Uhr im Hörsaal des Zentrums Operative Medizin (ZOM). Bis 14 Uhr gibt es Vorträge über Krankheitsbilder. In der Pause sowie nach 14 Uhr stellen sich Selbsthilfegruppen im Hauptgang des ZOM (Magistrale) vor. Info über das ZESE im Internet: www.zese.ukw.de Zur Veranstaltung: www.zese.ukw.de/ veranstaltungskalender.html

 
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