Erst seit 60 Jahren gibt es in Bayern Sozialgerichte als eigenständige Gerichtsbarkeit. Irmgard Kellendorfer, Präsidentin des Sozialgerichts Würzburg, blickte anlässlich eines Mediengesprächs auch auf die Zukunft der Sozialgerichtsbarkeit. „Ich denke, dass wir viel mit europäischem Recht befasst sein werden.“ Im Zentrum aber standen die aktuellen Zahlen des Gerichts, das für ganz Unterfranken zuständig ist. Und diese Zahlen können sich sehen lassen.
„Da sind wir bayernweit Spitze.“ Der Satz war mehrfach zu hören aus dem Mund der Gerichtspräsidentin. Unter anderem gilt das für die Verfahrensdauer. Ein Hauptsacheverfahren dauert in Würzburg derzeit durchschnittlich 10,2 Monate, und das eingedenk der Tatsache, dass der zuständige Richter in der Regel Gutachter einschaltet. Bayernweit betrachtet dauern Verfahren vor den Sozialgerichten drei Monate länger.
Die Verfahrensdauer habe sich innerhalb der letzten zehn Jahre halbiert, betonte Kellendorfer und lobte das Engagement der Richterkollegen. Das Würzburger Gericht ist mit 18 Kammern und rechnerisch 17 vollen Richterstellen das drittgrößte in Bayern.
„Wir sind angemessen ausgestattet“, sagte Kellendorfer. Es sei wieder ein gutes Arbeiten möglich. Die Zahl der erledigten Verfahren (5058) liegt deutlich über der der Neueingänge. Bei Hauptsacheverfahren liegt die Quote der Berufungen bei nur acht Prozent, für Kellendorfer „ein Indiz für die Qualität“ der Würzburger Richter.
2013 ging erstmals seit langem die Zahl der neuen Verfahren zurück. 4624 Hauptsache- und Eilverfahren gingen ein, 2012 waren es noch neun Prozent mehr (5111). Hier wirkt sich wohl die gute Beschäftigungssituation in der Region aus, glaubt die Präsidentin.
Signifikant weniger geworden sind Rechtsstreitigkeiten um die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Auch bei der Pflegeversicherung ging die Zahl der Streitfälle zurück, im Bereich Krankenversicherung wurde mehr gestritten. Hier sei zu spüren, dass die Klinikbetreiber teilweise unter enormem finanziellen Druck stehen.
Weniger Verfahren machen nicht unbedingt weniger Arbeit, betonten die Präsidentin und der für die Medienarbeit verantwortliche Richter Ulrich Wagner. Die Rechtsmaterie sei im Laufe der Jahre im Durchschnitt komplexer geworden. Kellendorfer nannte als einen Grund die weiter zunehmende Geltung von europäischen Rechtsnormen. Zum anderen beklagte sie Versäumnisse des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf die Zuwanderung aus EU-Staaten.
Bis Januar 1954 waren insbesondere für versorgungs- und unfallrechtliche Streitigkeiten die sogenannten Versicherungsämter und Oberversicherungsämter zuständig, die als Spruchkammern nicht Teil der Judikative, sondern der Exekutive waren. Das Sozialgerichtsgesetz des Bundes und das entsprechende Ausführungsgesetz im Freistaat waren dann der Startschuss für die Sozialgerichte.
Die beschäftigten sich in den Anfangsjahren in rund drei Viertel der Verfahren mit der Kriegsopferversorgung, also Zahlung von Versorgungsrenten für körperlich und seelisch verwundete Soldaten sowie um die Versorgung von Hinterbliebenen. Seit 1980 hat die Zahl dieser Fälle kontinuierlich abgenommen, heute sind in Würzburg noch zwei dieser Verfahren anhängig.