Das Bundesverfassungsgericht hält die geltende Erbschaftssteuer in Teilen für verfassungswidrig, das Ringen um eine gesetzliche Neuregelung kommt in eine entscheidende Phase. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sorgt mit seinem Vorschlag für Wirbel, die Erbschaftssteuer zur Ländersache zu machen.
Mit der Begründung, den Generationenübergang im Mittelstand nicht zu gefährden, waren in der Vergangenheit umfangreiche Erleichterungen bei der Vererbung von Unternehmen eingeführt worden. Wer etwa die Firma mindestens sieben Jahre erhält und die Lohnsumme – als Maßstab für die Zahl der Arbeitsplätze – nicht reduziert, bekommt die komplette Steuerschuld erlassen. Die Regelung gilt selbst bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten.
Die Karlsruher Richter halten es für unzulässig, auch Großunternehmen ohne konkrete Bedürfnisprüfung zu verschonen. Bis Mitte 2016 muss eine Neuregelung gefunden werden. Die schwarz-rote Bundesregierung möchte grundsätzlich an den Privilegien für Firmenerben festhalten, Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) will schon bald konkrete Vorschläge unterbreiten.
Nun hat auch der zuständige bayerische Minister klargestellt, dass er nicht nach Leistungsfähigkeit besteuern will. In der Antwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Gisela Sengl (Grüne) heißt es, ein an die Vorgaben des Verfassungsgerichts angepasstes „Verschonungskonzept“ müsse sicherstellen, „dass familiengeprägte Unternehmen als Stabilitätsanker auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht aufgrund von Belastungen durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer in ihrer Investitionsfähigkeit beeinträchtigt werden.“
So gesehen würden auch Erben von Großunternehmen mit Tausenden oder Zehntausenden Mitarbeitern vom Fiskus verschont, sofern das Unternehmen nur eine klare „Familienprägung“ aufweist, etwa noch vom Firmeninhaber geführt wird.
Der Aschaffenburger Abgeordnete Thomas Mütze hält das für unausgegoren. Der finanzpolitische Sprecher der Landtags-Grünen befürchtet, dass eine Neuregelung nach Söders Konzept Firmenerben gegenüber allen anderen Nachlassempfängern begünstigt. Söder wisse weder, wie er den Begriff familiengeprägt definieren wolle, noch wie die Grenze zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen zu ziehen sei.
Richtig ausgestaltet habe die Erbschaftssteuer „das Potenzial zu einer echten Gerechtigkeitssteuer“, so Mütze. Mit dem Geld würden die Bundesländer in die Lage versetzt, die deutsche Bildungsmisere zu beenden, so der frühere Lehrer.
Hohe Wellen schlägt vor allem Söders Vorschlag, die Erbschaftssteuer zur Ländersache zu machen. Dann könne das hoch verschuldete Nordrhein-Westfalen (NRW) die Steuern erhöhen, um seine Kassen zu füllen, sagte Söder im ARD-Morgenmagazin. Im reichen Bayern aber würde die Erbschaftssteuer vermutlich sinken.
Damit provoziere der Finanzminister einen absolut schädlichen Steuerwettbewerb um Erben innerhalb Deutschlands, ärgert sich Thomas Mütze. Glücklicherweise seien die Chancen für Söders Vorschlag gering. Scharfe Kritik am Kollegen äußert NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). „Solidarische Lösungen sind nicht sein (Söders) Ding“, zitiert ihn der „Focus“. Söder wolle wohl reiche Rentner in den Süden locken und die Erbschaftssteuer für in Bayern lebende Millionäre abschaffen, so Walter-Borjans.
Einer wirbt noch ungenierter als Markus Söder um die Gunst der Wirtschaft – und obendrein die aller potenzieller Erben und Wähler: Hubert Aiwanger, Landes- und Bundesvorsitzender der Freien Wähler. Immerhin hält es der Niederbayer „unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung“ für notwendig, auch Privatpersonen von der Erbschaftssteuer zu befreien.
Standpunkt: Eklatant ungerecht