Grenzenloser Jubel bei der US-Raumfahrtbehörde NASA: Nach rund sechs Jahren Entwicklung und mehr als acht Monaten Flug durch das Weltall hat der Forschungsroboter Curiosity (übersetzt: Neugier) den Mars erreicht – und gleich erste Fotos gesendet. „Landung bestätigt“ tönt es in der Nacht zum Montag (Ortszeit) durch das Kontrollzentrum im kalifornischen Pasadena, dann bricht unter den Wissenschaftlern lauter Jubel aus. Minutenlang klatschen die Forscher und liegen sich in den Armen. Viele haben vor Freude und Erleichterung Tränen in den Augen. „Ich saß die ganze Zeit wie auf glühenden Kohlen“, sagt NASA-Direktor Charles Bolden. „Es ist einfach unglaublich.“
US-Präsident Barack Obama lobt die Landung als eine „beispiellose Technologie-Leistung“. „Heute haben die USA auf dem Mars Geschichte geschrieben“, sagt er. Erste grobkörnige Bilder, die Curiosity an die Erde schickt, lösen Begeisterungstürme aus. Der Schatten des Rovers, der steinige Boden des fernen Planeten und viel Staub, den die Landung aufgewirbelt hat, sind auf den Fotos zu erkennen. „Es kommt mir vor, als wären wir bei den Olympischen Spielen“, sagt der Direktor des Kontrollzentrums, Charles Elachi. „Dieses Team hat gerade Gold gewonnen.“
Die NASA hatte dieses Erfolgserlebnis herbeigesehnt, nachdem Budgetkürzungen und das politisch durchgesetzte Ende der rund 30-jährigen Raumschiff-Ära gewaltig am Selbstbewusstsein der Behörde genagt hatten. „Viele haben gesagt, dass die NASA ihren Weg verloren hat, dass wir nicht mehr wissen, wie man forscht und keinen Mut mehr haben“, sagt NASA-Manager John Grunsfeld. „Jetzt können wir sagen, die NASA weiß, wie man forscht. Wir haben geforscht und wir sind auf dem Mars.“ Die rund 1,9 Milliarden Euro teure Mission soll die Grundlagen für einen Flug auf den Nachbarplaneten in etwa 20 Jahren legen – mit Menschen an Bord.
Die Erleichterung ist auch deshalb riesengroß, weil das extrem komplizierte Landemanöver des rund 900 Kilogramm schweren Rovers nur allzu leicht hätte schiefgehen können. Nach dem Eintritt in die Mars-Atmosphäre musste Curiosity innerhalb von nur sieben Minuten von rund 21 000 Stundenkilometern auf null abbremsen. Unter anderem ein Fallschirm und Korrekturdüsen ermöglichten die weiche Landung – für eine Luftkissen-Technik wäre der Rover viel zu schwer gewesen. NASA-intern war das programmierte Manöver, in das von der Erde aus nicht mehr eingegriffen werden konnte, längst nur noch als die „sieben Minuten des quälenden Bangens“ bekannt gewesen. „Aber jetzt sind daraus die sieben Minuten des Triumphs geworden“, sagt Grunsfeld.
Curiosity befindet sich nun im sogenannten Gale-Krater, einem der tiefsten Punkte auf dem Mars. In den nächsten Tagen wird der mit einer Atombatterie betriebene Rover seine Systeme aktivieren und mit der Arbeit beginnen: Er kann zum Beispiel Bodenproben entnehmen und in einem eigenen Labor gleich analysieren. Außerdem hat er unter anderem mehrere Kameras, einen Laser (aus Gerbrunn im Landkreis Würzburg), eine Wetterstation, ein Strahlenmessgerät und ein Gerät zur Aufspürung von Wasserstoff an Bord. Schon von dem Landeplatz erhoffen sich Wissenschaftler viel, denn sie glauben, dass hier einst Wasser geflossen ist. „Der Platz, an dem wir gelandet sind, sieht ganz schön interessant aus, also wollen wir da erstmal gar nicht so schnell wieder weg“, sagt NASA-Manager Peter Theisinger.
In etwa einem Jahr könnte das rollende Forschungslabor dann an den Hängen eines rund fünf Kilometer hohen Berges sein, der mitten im Krater steht. Insgesamt soll der Rover, der von einer Atombatterie betrieben wird, etwa zwei Jahre lang auf dem Mars nach Spuren von Leben suchen – Fortsetzung erhofft. NASA-Manager Grunsfeld ist sicher: „Der Rover wird Entdeckungen machen, die jenseits unserer Vorstellungskraft sind.“
Auch bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt gab es Beifall und strahlende Raumfahrt-Experten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gratulierte: „Mit der Landung hat die NASA ein neues Kapitel der Raumfahrtpolitik aufgeschlagen.“ Zugleich verwies er auf die Technik für Curiosity aus Deutschland. So hat Curiosity eben einen Laser aus Gerbrunn an Bord, ein Strahlungsmessgerät aus Kiel und Köln.
Der Siemens-Konzern lieferte Software zur Entwicklung des Rovers. Die Firma Sensitec aus dem hessischen Lahnau baute magnetische Sensoren zur Überwachung der Räder, der Roboterarme und der Antenne. Die europäische Sonde „Mars Express“ markierte den Landepunkt mit einer hochauflösenden Stereokamera HRSC des Unternehmens Astrium in Friedrichshafen am Bodensee.
Die ESA hatte die Landung überwacht. Curiosity hat mit rund 900 Kilogramm das Gewicht eines Kleinwagens und ist damit mehr als viermal so schwer wie seine Vorgänger Spirit und Opportunity. Den deutschen Astronauten und ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb, Thomas Reiter, packte in Darmstadt das Fernweh:„Natürlich könnte ich mir vorstellen, selbst bei einer Mars-Mission mitzumachen“, sagte er. Er ist sich sicher: „In zwei oder drei Jahrzehnten wird ein Mensch auf dem Mars stehen, daran habe ich keine Zweifel.“
Das ist der Mars
Der Mars ist, von der Sonne aus gesehen, der vierte Planet in unserem Sonnensystem und der äußere Nachbar der Erde. Von der Sonne ist er 227,7 Millionen Kilometer entfernt, von der Erde 54,5 Millionen bis 401,3 Millionen Kilometer. Der Durchmesser misst etwa 6780 Kilometer – womit er etwa halb so groß ist wie die Erde. Die Umlaufzeit beträgt 687 Erdtage, die Tageslänge dauert 24 Stunden und 40 Minuten. Die Temperatur auf dem Mars liegt zwischen minus 128 Grad Celsius und plus 27 Grad Celsius. Den ersten Landeversuch startete die Sowjetunion 1962 – doch Sputnik 24 zerbrach schon beim Start. Die erste Landung auf dem Mars gelang 1971 der sowjetischen Sonde Mars 3, bereits nach 20 Sekunden versagten aber die Instrumente.