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HOLZKIRCHEN
Willigis Jäger spricht mit „Leerheit“ als „Urgrund“ viele Menschen an
Schweigend marschieren etwa 30 Männer und Frauen im Hof des ehemaligen Benediktinerklosters Holzkirchen (Lkr. Würzburg) im Kreis herum. Seit zwei Tagen meditieren sie bei einem Sesshin, stehen morgens um 4.15 Uhr auf und versenken sich täglich viele Stunden schweigend in ihr Inneres. Was ist der Sinn meines Lebens?
Ein hoher lichter Raum: Willigis Jäger (links) und Dirk Ahlhaus zeigen eine der beiden neuen Meditationshallen im Ostflügel des Benediktushofs.
| Ein hoher lichter Raum: Willigis Jäger (links) und Dirk Ahlhaus zeigen eine der beiden neuen Meditationshallen im Ostflügel des Benediktushofs.
Von unserem Redaktionsmitglied Gerlinde Hartel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:33 Uhr

Schweigend marschieren etwa 30 Männer und Frauen im Hof des ehemaligen Benediktinerklosters Holzkirchen (Lkr. Würzburg) im Kreis herum. Seit zwei Tagen meditieren sie bei einem Sesshin, stehen morgens um 4.15 Uhr auf und versenken sich täglich viele Stunden schweigend in ihr Inneres. Was ist der Sinn meines Lebens? Wo gehe ich hin, wenn ich sterbe?

Das sind Fragen, die die Besucher des Benediktushofs beschäftigen, sagt dessen Gründer, der Benediktinermönch und Zen-Meister Willigis Jäger Kyo-un Roshi. „Wir eröffnen Ihnen hier einen Übungsweg, der versucht zu deuten, wer ich bin in diesem Universum mit Milliarden von Galaxien, welchen Sinn die paar Jahrzehnte meines Lebens haben auf diesem Staubkorn am Rande des Universums“, sagt er. Zu 80 Prozent kämen nach Holzkirchen Christen, die sich von den Amtskirchen abgewendet haben, weil sie dort keine Antwort auf ihre drängenden Fragen bekommen.

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88 Jahre und gar nicht müde

88 Jahre alt wird Jäger an diesem Donnerstag. Die weißen Haare sind etwas schütterer geworden, das Gesicht ein wenig hagerer, aber seine blauen Augen signalisieren Wachheit und Präsenz im Hier und Jetzt. Der Geistliche, Gründer der Zen-Linie „Leere Wolke“, hat sich mit seiner mystischen Deutung von Gott als dem „leeren Grund, aus dem alles fließt“ schon vor Jahren von der Amtskirche distanziert. Ein vom Vatikan verhängtes Schweige- und Lehrverbot ignorierte er, zog 2003 zusammen mit Gleichgesinnten auf den Benediktushof und gründete hier das „Zentrum für spirituelle Wege“.

Der Benediktushof und die dahinter stehende Stiftung „West-östliche Weisheit“ ist die Plattform für das Lebenswerk von Willigis Jäger. Das Tagungszentrum steht kurz vor der Vollendung. Heute wird in Holzkirchen nicht nur Jägers Geburtstag gefeiert, sondern auch ein weiterer Trakt des Benediktushofs seiner Bestimmung übergeben: der „Ostflügel“.

Tagungszentrum mit 175 Betten

Schon jetzt gilt der Benediktushof als Europas größtes Zentrum für Zen und Meditation. 8000 Gäste finden pro Jahr den Weg ins beschauliche Aalbachtal westlich von Würzburg. Bei einer Kapazität von 130 Betten verbucht das spirituelle Tagungszentrum pro Jahr 35 000 Übernachtungen. „Das werden wir nun noch steigern können“, sagt der Geschäftsführer der Benediktushof GmbH, Dirk Ahlhaus, der zusammen mit Willigis Jäger durch den neuen Gebäudekomplex führt. Durch die Erweiterung stehen künftig 175 Betten zur Verfügung.

Wo einst die Stallungen des Klosters waren, gibt es zwei neue Zendos (Meditationshallen, Anm. d. Red.), einen zusätzlichen Speisesaal mit Küche und einen abgeschlossenen Meditationsgarten. Hofgänge wie eingangs beschrieben finden dann nicht mehr unter den Augen der Öffentlichkeit statt, sondern im östlichsten Winkel des denkmalgeschützten einstigen Klosterensembles. Dort ist außerdem eine Kapelle entstanden, ein kleiner hoher Raum, dessen einziger Schmuck ein Glasfenster des ehemaligen Pfarrers und Künstlers Franz Höchstötter ist. Willigis Jäger, der bisher im sogenannten Prälatenbau im Eingangsbereich der Anlage wohnte, hat im Ostflügel eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Balkon im ersten Stock bezogen.

Die Zimmer sind hell, schlicht und qualitätvoll eingerichtet. Zuschnitt und Ausstattung ähneln den Räumen im Westflügel. Hier wie dort hat der Würzburger Architekt Thomas Mensing Regie geführt, der seit zehn Jahren Aus- und Umbau des Klosterensembles begleitet.

„Bisher mussten wir immer einen Spagat vollführen zwischen den unterschiedlichen Konzepten der Kontemplations- und Zenkurse auf der einen Seite und den Seminarangeboten zur Ausbildung und Persönlichkeitsentfaltung auf der anderen Seite“, sagt Ahlhaus. Diese beiden Bereiche seien nun baulich entzerrt in ein Haus der Stille im „Ostflügel“ und den mehr dem Weltlichen zugewandten „Westflügel“.

Die Entzerrung ermöglicht auch Veränderungen im westlichen Gebäudekomplex. Hier eröffnet an Ostern ein öffentliches Restaurant, das „Troand“, benannt nach dem Gaugrafen, der, urkundlich belegt, im Jahr 750 das Kloster Holzkirchen gegründet hat. Speisen können hier nicht nur auswärtige Gäste, sondern auch die Teilnehmer von Tagesfortbildungen, für die es bisher kein derartiges Angebot gab.

Derzeit werkeln noch die Handwerker in dem künftigen Gasthaus mit offener Schauküche, wo die Gäste dem mehrfach ausgezeichneten Küchenchef Jonah Ramos bei der Zubereitung von vegetarischen Gerichten zusehen können. Im Sommer kann man draußen sitzen, und auf der Getränkekarte stehen auch Wein und Bier – ein Novum im bisher alkoholfreien Benediktushof. „Wenn unsere Seminarteilnehmer abends noch zusammensitzen wollten, war das bisher schwierig, denn es gibt ja sonst nichts im Ort“, sagt Ahlhaus. Die Kapazitätserweiterung gehe einher mit einer Aufstockung des Personals von derzeit 46 Personen auf mindestens 56. Über die Kosten für die baulichen Erweiterungen und Umbauten, die erneut die vermögende Kosmetik-Unternehmerin und Besitzerin des Benediktushofs, Gertraud Gruber, trägt, hüllt sich Geschäftsführer Ahlhaus in Schweigen. Die 91-jährige Geschäftsfrau aus Rottach-Egern ist seit vielen Jahren eine spirituelle Schülerin und Unterstützerin von Willigis Jäger. Sie wird diesen Donnerstag zur Einweihung von Ostflügel und Kapelle in Holzkirchen erwartet.

Porträt Gertrud Gruber

Das „Troand“: Am Benediktushof gibt es bald eine öffentliche Gaststätte. Hier kann man ab Ostern vegetarisch essen.
Foto: Fotos (2): Norbert Schwarzott | Das „Troand“: Am Benediktushof gibt es bald eine öffentliche Gaststätte. Hier kann man ab Ostern vegetarisch essen.
 
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