zurück
WÜRZBURG
Wie viel Ostern noch im Alltag steckt
Von Schokohase bis Osterei: Viele Feiertage haben längst ihre eigentliche Bedeutung verloren. Was bleibt, sind religiöse Bräuche. Der Würzburger Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs erklärt, wo sich Spuren des kirchlichen Osterfestes in unserem Alltag finden lassen.
Glockenläuten gehört zu Ostern: Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs erklärt, warum die Glocken, wie hier im Würzburger Dom, von Gründonnerstag bis zur Osternacht schweigen.
Foto: Daniel Peter | Glockenläuten gehört zu Ostern: Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs erklärt, warum die Glocken, wie hier im Würzburger Dom, von Gründonnerstag bis zur Osternacht schweigen.
Von unserem Redaktionsmitglied Franziska Jünger
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:19 Uhr

Der Schokohase mit dem Glöckchen, bunt bemalte Eier oder ein Feuer in der Osternacht: Es gibt viele Dinge, die wie selbstverständlich zu Ostern gehören – selbst für Menschen, die Ostern gar nicht mehr als höchstes christliches Fest feiern. Guido Fuchs ist Professor am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg. In seinem „Institut für Liturgie- und Alltagskultur“ spürt der katholische Theologe religiösen Alltagsphänomenen nach.

Frage: Den Schokoladenhasen mit dem Glöckchen verbinden viele genauso mit Ostern wie die Osterglocken im Garten. Wieso gehören Ostern und das Glockenläuten zusammen?

Guido Fuchs: „Was wäre Ostern ohne Glockenläuten?“, hieß es in der Werbung für einen Schokohasen. Weil die Glocken vor Ostern zwei Tage schweigen und erst im Gottesdienst der Osternacht wieder mit vollem Geläut einsetzen, ist das ein Zeichen des Neuen, der Auferstehung. „Durch das Tal, im Wind herwogend, kam der Osterglocken Auferstehungsruf“, heißt es in einem Gedicht von Emanuel Geibel. Und in einem Osterlied wird gesungen: „Der Jubel durch die Lüfte zieht, und Freude füllt das Erdenrund.“ Wer denkt da nicht an das frohe österliche Geläute? Allerdings haben die Weihnachtsglocken mehr Spuren im Lied hinterlassen.

Am Gründonnerstagabend wird letztmals geläutet. Bis zum Gloria in der Osternacht setzt es aus und wird in katholischen Kirchen durch Klappern ersetzt. Woher kommt dieser Brauch?

Fuchs: An besonderen Tagen haben sich im Gottesdienst der Kirche oft sehr alte Bräuche erhalten. Das Schweigen der Glocken lässt sich auch daher erklären, dass sie erst gegen Ende des 1. Jahrtausends gottesdienstlich Verwendung fanden – zuvor hatte man mit Klappern und anderen akustischen Zeichen die Menschen zur Kirche gerufen. Die Ratschen und Klappern sind eine Erinnerung daran. Dass die Glocken gerade zum Gloria-Gesang einsetzen, hat mit dessen Stellung in der früheren Osternachtfeier zu tun; das Verstummen zum Gloria am Gründonnerstag ist gewissermaßen das spiegelbildliche Pendant.

Was verbindet unsere Gesellschaft allgemein mit Glockenläuten? Hat sich das Verhältnis dazu verändert?

Fuchs: Das Läuten der Glocken hat auch eine Hinweisfunktion auf bestimmte Gottesdienste und deren Rang; es gibt dazu eine entsprechende Läuteordnung. Ihr Schlagen verweist auch auf Gebete wie den „Engel des Herrn“, die man um 6, um 12 und um 18 Uhr spricht, freitags zur Todesstunde Christi um 15 Uhr. Wer nichts mehr mit dem Klang der Glocken verbinden kann, fühlt sich vielleicht durch die Lautstärke belästigt – manche Menschen gehen sogar gerichtlich dagegen vor, meist allerdings ohne Erfolg, weil das Glockenläuten als zumutbar angesehen wird. Aber man kann sich auch darüber freuen, weil es etwas Besonderes ist, das wir vermissen würden, wenn es das nicht mehr gäbe.

Eier symbolisieren Ostern wie kaum etwas anderes. Warum essen wir an Ostern ausgerechnet bunt bemalte Eier?

Fuchs: Eier waren und sind in diesen Tagen um Ostern verschiedentlich im Brauch, auch als Zinsabgabe an Gründonnerstag. Sie sind ein Zeichen des Lebens schlechthin. Schon im 4. Jahrhundert hat der Theologe und Dichter Ephräm der Syrer das Zerbrechen der Eierschalen als Bild der Auferstehung gesehen. Bei den orthodoxen Christen erhalten die Gläubigen am Ende des Osternacht-Gottesdienstes ein rot gefärbtes Osterei. Die Färbung kann eine Kennzeichnung sein – sie ist vor allem Schmuck und Ausdruck der Freude. Auch die Palmbuschen werden damit geschmückt und die Osterbrunnen. Heute gibt es allerdings das ganze Jahr über gefärbte Eier im Handel, die als „Brotzeiteier“ bezeichnet werden. So kann man das Besondere auch relativieren.

Neben dem Ostersonntag ist auch der Montag ein Feiertag. Was ist der Hintergrund dieses zweiten Ostertages?

Fuchs: Ostern hat, wie Weihnachten, eine kirchliche Nachfeier von acht Tagen, Oktav genannt. Im Mittelalter betraf sie auch das Leben der Menschen: Sie sollten sich von aller knechtlichen Arbeit frei halten. Das war wirtschaftlich nicht aufrechtzuerhalten, so hat man diese Oktav immer weiter verkürzt, bis es schließlich nur noch den zweiten Feiertag gab. Der ist heute mehr ein Ausdruck der Bedeutung eines Festes – wie sehr man daran festhält, zeigte die Diskussion um den Pfingstmontag, Rest einer alten Pfingstoktav, den man im Zusammenhang der Pflegeversicherung und ihrer Finanzierung aufgeben wollte.

Auch das Osterfeuer gehört in vielen Gemeinden traditionell zum Osterfest. Wofür stehen die Flammen?

Fuchs: Es gibt verschiedene Osterfeuer: eines, das man in der Natur entzündet und daran feiert, und eines, das vor der Kirche brennt und an dem man die Osterkerze entzündet. Letzteres ist womöglich aus „Frühlingsfeuern“ im Mittelalter entstanden. Über das rein Praktische hinaus werden die Flammen des kirchlichen Osterfeuers auch als das Licht, das die Nacht durchbricht, gedeutet, als unsere Sehnsucht nach dem Leben in Gott. Mancherorts wird das „weltliche“ Osterfeuer am Sonntagabend mit dem Licht der Osterkerze entzündet – so werden beide Feuer in Zusammenhang gebracht.

Der Ostermarsch ist vor allem ein Kind der Friedensbewegung. Hat die Bezeichnung nur etwas mit dem Zeitpunkt der Demonstration zu tun, oder stecken womöglich sogar religiöse Motive dahinter?

Fuchs: Auch, wenn es in der Kirche österliches „Unterwegsein“ gibt, zum Beispiel die Prozession in der Osternacht oder die Emmaus-Gänge am frühen Morgen: Die Ostermärsche haben damit nichts zu tun, sie entstanden in den 1950er-Jahren in England als Ausdruck des Protestes gegen Atomwaffen und haben sich auch bald in Deutschland verbreitet. Sie sind keine kirchliche Aktion – aber die Motive des Friedens, der Verständigung unter den Völkern, des Abbaus von Waffen und allem, was das Leben bedroht, sind urreligiöse Motive. Für den Frieden wird auch in den Gottesdiensten an Ostern gebetet, viele Christen nehmen auch an den Ostermärschen teil.

Wie viel vom ursprünglichen Gedanken des Osterfestes ist in unserem Alltag noch prägend geblieben?

Fuchs: Es gibt sicher eine große Diskrepanz zwischen kirchlichem Stellenwert und öffentlicher Einschätzung. Die kirchliche Thematik ist in der Öffentlichkeit oft wenig zu spüren – man kann das besonders an Karfreitag und Karsamstag erleben. Viele Menschen nutzen die Tage zum Urlaub, worunter auch die Gemeinden und ihre Gottesdienste leiden. Ähnlich wie Weihnachten wird auch Ostern immer stärker vermarktet, es gibt ja inzwischen auch einen österlichen Straßenschmuck. Aber anders als Weihnachten berührt Ostern die Menschen nicht so emotional, die Botschaft der Auferstehung Christi vom Tod ist für den heutigen rational denkenden Menschen auch nur schwer fassbar. Aber wenn man genau hinschaut, kann man durchaus viele Spuren der kirchlichen Osterfeier, über die wir ja gesprochen haben, im Alltag erkennen.

Guido Fuchs

Der katholische Theologe hat auch Musikwissenschaft und Byzantinistik an der Universität Würzburg studiert. Nach dem Magisterabschluss promovierte und habilitierte er sich im Fach Liturgiewissenschaft. Fuchs ist Professor am Institut für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg. 2003 gründete er den Verein „Institut für Liturgie- und Alltagskultur e. V.“ in Hildesheim (www.liturgieundalltag.de) und ist seit 2004 Mitglied der „Deutschen Akademie für Kulinaristik“. Der Vater von drei Kindern ist mit der Diplom-Theologin Monika Fuchs verheiratet. Er lebt in Hildesheim und Würzburg.

„Wie Weihnachten wird auch Ostern immer stärker vermarktet.“
Guido Fuchs, Liturgiewissenschaftler
Da staunt das Huhn: Eier gelten als Zeichen des Lebens, deshalb dienen sie an Ostern als Schmuck.
Foto: Wüstneck, dpa | Da staunt das Huhn: Eier gelten als Zeichen des Lebens, deshalb dienen sie an Ostern als Schmuck.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Allgemeine (nicht fachgebundene) Universitäten
Alltagskultur
Brauchtum
Byzantinistik
Christi Auferstehung
Franz Emanuel August Geibel
Jesus Christus
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Liturgie
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top