Der Schokohase mit dem Glöckchen, bunt bemalte Eier oder ein Feuer in der Osternacht: Es gibt viele Dinge, die wie selbstverständlich zu Ostern gehören – selbst für Menschen, die Ostern gar nicht mehr als höchstes christliches Fest feiern. Guido Fuchs ist Professor am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg. In seinem „Institut für Liturgie- und Alltagskultur“ spürt der katholische Theologe religiösen Alltagsphänomenen nach.
Guido Fuchs: „Was wäre Ostern ohne Glockenläuten?“, hieß es in der Werbung für einen Schokohasen. Weil die Glocken vor Ostern zwei Tage schweigen und erst im Gottesdienst der Osternacht wieder mit vollem Geläut einsetzen, ist das ein Zeichen des Neuen, der Auferstehung. „Durch das Tal, im Wind herwogend, kam der Osterglocken Auferstehungsruf“, heißt es in einem Gedicht von Emanuel Geibel. Und in einem Osterlied wird gesungen: „Der Jubel durch die Lüfte zieht, und Freude füllt das Erdenrund.“ Wer denkt da nicht an das frohe österliche Geläute? Allerdings haben die Weihnachtsglocken mehr Spuren im Lied hinterlassen.
Fuchs: An besonderen Tagen haben sich im Gottesdienst der Kirche oft sehr alte Bräuche erhalten. Das Schweigen der Glocken lässt sich auch daher erklären, dass sie erst gegen Ende des 1. Jahrtausends gottesdienstlich Verwendung fanden – zuvor hatte man mit Klappern und anderen akustischen Zeichen die Menschen zur Kirche gerufen. Die Ratschen und Klappern sind eine Erinnerung daran. Dass die Glocken gerade zum Gloria-Gesang einsetzen, hat mit dessen Stellung in der früheren Osternachtfeier zu tun; das Verstummen zum Gloria am Gründonnerstag ist gewissermaßen das spiegelbildliche Pendant.
Fuchs: Das Läuten der Glocken hat auch eine Hinweisfunktion auf bestimmte Gottesdienste und deren Rang; es gibt dazu eine entsprechende Läuteordnung. Ihr Schlagen verweist auch auf Gebete wie den „Engel des Herrn“, die man um 6, um 12 und um 18 Uhr spricht, freitags zur Todesstunde Christi um 15 Uhr. Wer nichts mehr mit dem Klang der Glocken verbinden kann, fühlt sich vielleicht durch die Lautstärke belästigt – manche Menschen gehen sogar gerichtlich dagegen vor, meist allerdings ohne Erfolg, weil das Glockenläuten als zumutbar angesehen wird. Aber man kann sich auch darüber freuen, weil es etwas Besonderes ist, das wir vermissen würden, wenn es das nicht mehr gäbe.
Fuchs: Eier waren und sind in diesen Tagen um Ostern verschiedentlich im Brauch, auch als Zinsabgabe an Gründonnerstag. Sie sind ein Zeichen des Lebens schlechthin. Schon im 4. Jahrhundert hat der Theologe und Dichter Ephräm der Syrer das Zerbrechen der Eierschalen als Bild der Auferstehung gesehen. Bei den orthodoxen Christen erhalten die Gläubigen am Ende des Osternacht-Gottesdienstes ein rot gefärbtes Osterei. Die Färbung kann eine Kennzeichnung sein – sie ist vor allem Schmuck und Ausdruck der Freude. Auch die Palmbuschen werden damit geschmückt und die Osterbrunnen. Heute gibt es allerdings das ganze Jahr über gefärbte Eier im Handel, die als „Brotzeiteier“ bezeichnet werden. So kann man das Besondere auch relativieren.
Fuchs: Ostern hat, wie Weihnachten, eine kirchliche Nachfeier von acht Tagen, Oktav genannt. Im Mittelalter betraf sie auch das Leben der Menschen: Sie sollten sich von aller knechtlichen Arbeit frei halten. Das war wirtschaftlich nicht aufrechtzuerhalten, so hat man diese Oktav immer weiter verkürzt, bis es schließlich nur noch den zweiten Feiertag gab. Der ist heute mehr ein Ausdruck der Bedeutung eines Festes – wie sehr man daran festhält, zeigte die Diskussion um den Pfingstmontag, Rest einer alten Pfingstoktav, den man im Zusammenhang der Pflegeversicherung und ihrer Finanzierung aufgeben wollte.
Fuchs: Es gibt verschiedene Osterfeuer: eines, das man in der Natur entzündet und daran feiert, und eines, das vor der Kirche brennt und an dem man die Osterkerze entzündet. Letzteres ist womöglich aus „Frühlingsfeuern“ im Mittelalter entstanden. Über das rein Praktische hinaus werden die Flammen des kirchlichen Osterfeuers auch als das Licht, das die Nacht durchbricht, gedeutet, als unsere Sehnsucht nach dem Leben in Gott. Mancherorts wird das „weltliche“ Osterfeuer am Sonntagabend mit dem Licht der Osterkerze entzündet – so werden beide Feuer in Zusammenhang gebracht.
Fuchs: Auch, wenn es in der Kirche österliches „Unterwegsein“ gibt, zum Beispiel die Prozession in der Osternacht oder die Emmaus-Gänge am frühen Morgen: Die Ostermärsche haben damit nichts zu tun, sie entstanden in den 1950er-Jahren in England als Ausdruck des Protestes gegen Atomwaffen und haben sich auch bald in Deutschland verbreitet. Sie sind keine kirchliche Aktion – aber die Motive des Friedens, der Verständigung unter den Völkern, des Abbaus von Waffen und allem, was das Leben bedroht, sind urreligiöse Motive. Für den Frieden wird auch in den Gottesdiensten an Ostern gebetet, viele Christen nehmen auch an den Ostermärschen teil.
Fuchs: Es gibt sicher eine große Diskrepanz zwischen kirchlichem Stellenwert und öffentlicher Einschätzung. Die kirchliche Thematik ist in der Öffentlichkeit oft wenig zu spüren – man kann das besonders an Karfreitag und Karsamstag erleben. Viele Menschen nutzen die Tage zum Urlaub, worunter auch die Gemeinden und ihre Gottesdienste leiden. Ähnlich wie Weihnachten wird auch Ostern immer stärker vermarktet, es gibt ja inzwischen auch einen österlichen Straßenschmuck. Aber anders als Weihnachten berührt Ostern die Menschen nicht so emotional, die Botschaft der Auferstehung Christi vom Tod ist für den heutigen rational denkenden Menschen auch nur schwer fassbar. Aber wenn man genau hinschaut, kann man durchaus viele Spuren der kirchlichen Osterfeier, über die wir ja gesprochen haben, im Alltag erkennen.
Guido Fuchs
Der katholische Theologe hat auch Musikwissenschaft und Byzantinistik an der Universität Würzburg studiert. Nach dem Magisterabschluss promovierte und habilitierte er sich im Fach Liturgiewissenschaft. Fuchs ist Professor am Institut für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg. 2003 gründete er den Verein „Institut für Liturgie- und Alltagskultur e. V.“ in Hildesheim (www.liturgieundalltag.de) und ist seit 2004 Mitglied der „Deutschen Akademie für Kulinaristik“. Der Vater von drei Kindern ist mit der Diplom-Theologin Monika Fuchs verheiratet. Er lebt in Hildesheim und Würzburg.