Dass Joachim Herrmann die „Bandidos“ für gewaltbereite Kriminelle hält, scheint die Rocker nicht zu stören. Selbstbewusst präsentiert man im Internet-Auftritt Aussagen des bayerischen Innenministers. Da spricht Herrmann von „typischen Deliktsfeldern der Organisierten Kriminalität wie dem Rauschgifthandel“, von „Bandenkriegen mit tödlichem Ausgang“ und einer „szenetypischen Gewaltbereitschaft“.
Seit den 90er Jahren gibt es im Freistaat fünf große Clubs mit 1500 Mitgliedern. „Die meisten sind unbescholtene Bürger“, betont das Landeskriminalamt (LKA), aber „wir schätzen, dass ungefähr ein Drittel regelmäßig in Straftaten verwickelt ist.“
Noch 2010 versuchte Bayerns Innenminister im Landtag Bedenken zu zerstreuen, im Freistaat könnte es zu Bruderkriegen zwischen Rockergruppen kommen wie zwischen „Hells Angels“ und „Bandidos“ im Norden Deutschlands. Inzwischen werden blutige Konkurrenzkämpfe auch im Freistaat registriert, in Straubing wie in München.
„Waffenhandel ist bei Rockern überproportional ausgeprägt“, sagte ein führender Ermittler im Freistaat in einem Interview. Ermittler bringen die Rocker in Verbindung mit Drogenhandel, Körperverletzung und Prostitution. Sie versuchen, über Sicherheitsfirmen die Türsteher in Diskotheken – und so den Verkauf von Drogen – zu kontrollieren.
Dies ist nicht der einzige Grund, warum Ermittler nicht nur in Bayern aufmerksam die Männer beobachten, die mit dem Emblem auf ihrer Kutte die Zugehörigkeit zu ihrem Club bekennen: Für viel Wirbel sorgte 2010 die Tatsache, dass Sascha Roßmüller zur Regensburger Chapter (Ortsgruppe) der „Bandidos“ gehört. Der Straubinger betrieb nicht nur eine Sicherheitsfirma, er war Vorstandsmitglied der NPD und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl.
Die Mitgliedschaft bei den Kuttenträgern schien nicht ins Bild von Recht und Ordnung zu passen, das Neonazis gerne von sich zeichnen. Doch Roßmüller ist kein Einzelfall, wie Ermittlungen gegen die rechtsextremen Mörder der Terrorzelle NSU und deren Umfeld zeigten. Beate Zschäpe, die inhaftierte Freundin der mutmaßlichen Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, soll noch 2011 unter falschem Namen einen Prozess gegen „Bandidos“ in Erfurt besucht haben, behauptet ein Zeuge aus dem rechtsextremen Milieu in Thüringen. Ralf Wohlleben, früher NPD-Funktionär und mutmaßlicher Unterstützer des Terrortrios, verkehrte noch im Dezember 2011 im ehemaligen Clubhaus der „Red Devils“ in Saalfeld. Wohlleben ist wie Zschäpe Beschuldigter im bald startenden NSU-Prozess um die Morde des Trios.
Von den Rockern der inzwischen verbotenen Ortsgruppe der „Bandidos“ Neumünster (Schleswig-Holstein) kommen nach Presseberichten über ein Drittel aus der militanten rechten Szene. „Bandido“ wurde auch Peter Borchert, einst Landesvorsitzender der NPD. Rocker berichten auch von logistischer Unterstützung – etwa, indem sie Clubhäuser für Konzerte rechtsextremer Bands zur Verfügung stellen. Ein Zeuge aus dem rechtsextremen Milieu des „Thüringer Heimatschutzes“ – aus dem das Mordtrio stammt – berichtete: 2006 hätten die Bandidos in Thüringen nach Personal in der rechten Szene gesucht. Disziplinierte, gut organisierte Leute hätten die Rocker gebrauchen können, sagte der Zeuge. Er ging am Ende selbst zu den „Bandidos“.
Der Bundesregierung sind die Verbindungen zu braunen Rockerfreunden unangenehm. Es seien nur „einzelfallbezogene Kontakte von Rechtsextremisten zu Angehörigen von Rockerclubs feststellbar“, schreibt das Innenministerium als Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. Teilweise gebe es auf lokaler Ebene „personelle Überschneidungen“ zwischen den Szenen. Ein „bundesweiter Trend zu Eintritten von Rechtsextremisten in Rockerclubs“ sei aber „nicht erkennbar“. Den Rockern gehe es um „kommerzielle Gewinne aus legalen und illegalen Aktivitäten“ – und nicht um Politik.