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Wenn ein Roboter den Opa badet
Altenpflege: In 50 Jahren gehören Roboter in der Pflege dazu, sagt die Würzburger Informatikerin Birgit Lugrin. Ein Ausblick.
Forschungsteam: Medieninformatikerin Birgit Lugrin und Roboter Reeti
Foto: P. Varasano | Forschungsteam: Medieninformatikerin Birgit Lugrin und Roboter Reeti
Sarah-Sophie Schmitt
Sara Sophie Fessner
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:50 Uhr

Mit abgehackten Bewegungen hebt ein menschenhohes, grünes, kegelförmiges Konstrukt einen älteren Herrn aus dem Bett. Auf seinen grobgliedrigen Armen trägt er ihn in gleichmäßigem Tempo in die Badewanne. Kein Wackeln, kein Ruckeln.

Im Nebenzimmer sitzt eine ältere Dame auf dem Sofa. Eine kleine, puppenähnliche Figur sitzt neben ihr und erinnert seine Besitzerin mit mechanischer Stimme daran, ein Glas Wasser zu trinken. So könnte es aussehen, das Leben im Pflegeheim der Zukunft. Nicht nur Menschen würden sich um die Senioren kümmern, sondern auch Roboter.

Was nach Science-Fiction-Film klingt, könnte schon in fünfzig Jahren Realität sein, schätzt Birgit Lugrin. Die 34-jährige ist seit April Professorin für Medieninformatik am Institut für Informatik der Uni Würzburg. „Wenn man mal zwanzig Jahre zurückblickt und realisiert, wie weit damals Computer und mobile Anwendungen waren, wird deutlich wie schnell sich die Technik entwickelt.“ Schon heute übernehmen Automaten das Staubsaugen, Fensterputzen oder Rasenmähen.

Auch in Pflegeheimen gibt es bereits erste Versuche mit Robotern, wie etwa dem Care-O-Bot 3, einer L-förmigen Maschine mit einem gelenkigen Arm. Er kann beispielsweise sprechen, Getränke servieren und Musik spielen.

Und das ist erst der Anfang. Diese Entwicklung wird zukünftig mit großen Schritten weiter voranschreiten. Lugrin ist Teil dieser Entwicklung: An der Universität Würzburg möchte die junge Frau zukünftig erforschen, unter welchen Bedingungen Roboter in der Pflege eingesetzt werden können. Sie wird dabei eng mit japanischen Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Das Land am Pazifik ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Nicht umsonst stammen viele der technischen Neuerungen dort her. Aufgrund der demographischen Situation zeichnete sich schon vor Jahren ab, dass die Versorgung der Senioren allein durch menschliche Mitarbeiter auf lange Sicht schwer zu bewältigen sein wird. Roboter sollten Abhilfe schaffen.

Derzeit gibt es zwei Forschungsschwerpunkte. Zum einen die Entwicklung von Robotern, die mechanische Aufgaben wie einen Menschen aus dem Bett heben, in die Badewanne setzen oder ihm ein Glas Wasser servieren, übernehmen können.

Zum anderen gibt es die Erforschung sozialer Roboter. Jener Roboter, die zwischenmenschliche Aufgaben übernehmen könnten. Etwa daran erinnern, ein Glas Wasser zu trinken oder mal an die frische Luft zu gehen. Ein sozialer Begleiter, der rund um die Uhr mit den Leuten leben soll, so beschreibt es Lugrin und genau an diesem Punkt setzt sie an. Sie untersucht, wie eine solche Maschine aussehen muss, wie sie sich bewegen muss, wie sie sprechen muss.

Möchten Sie ein Glas Wasser trinken? Sie sollten ein Glas Wasser trinken! Trinken Sie ein Glas Wasser! Die Empfehlung der Maschine ist jedes mal gleich, nur die Art der Formulierung variiert. Die Forscher untersuchen nun, welche Formulierungen die Menschen, in welcher Situation bevorzugen. Nur einer von vielen Aspekten, der derzeit im Fokus der Entwickler ist. „Der Roboter an sich ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Software. Wie der aussieht, wie er sich verhält, ist im Endeffekt egal“, sagt Lugrin. Theoretisch. Denn ganz so egal ist es doch nicht.

Viele Senioren sind unsicher bei moderner Technik, all die Knöpfe und Tasten. Ein Roboter, mit dem sie sprechen können, ist da leichter zu bedienen. Humanoide, menschenähnliche Roboter verhindern oftmals Berührungsängste der Menschen, so Lugrin.

Wird es also in hiesigen Seniorenheimen zukünftig zugehen wie in Hollywood-Filmen? Werden Maschinen mit menschengetreu nachmodellierten Körpern und Gesichtern aus Silikon das Abendessen servieren oder die Bridgerunde einläuten? Nein, sagt Lugrin. Wichtig ist, dass ein Roboter stets eindeutig als Maschine zu erkennen ist, sonst entstehen neue Ängste. Dennoch neigen Menschen dazu, Maschinen zu personifizieren. Studien belegen, dass viele gegenüber dem Computer bestimmte Höflichkeitsformen einhalten. Eine Tatsache, die Lugrins Arbeit maßgeblich beeinträchtigt. Denn wenn der Roboter kein Neutrum ist, hat das frappierende Auswirkungen auf den Alltag. „Die Stereotypen, die wir aus dem menschlichen Leben kennen, werden auch auf Roboter übertragen“, erklärt sie. Eine ältere Dame wird es bevorzugen, von einem weiblichen Roboter gebadet zu werden. Es ist ein schmaler Grat. Wie viel Mensch darf erkennbar sein? Wie viel Maschine muss deutlich werden?

Um soziale Roboter für die Pflege zu entwickeln, ist es daher umso wichtiger, dass die Menschen gefragt werden, was sie wollen. Wie wollen sie behandelt werden? Wie soll mit ihnen gesprochen werden, erklärt Lugrin. Sie wird zukünftig auch in Seniorenheimen der Region, Daten sammeln.

Einer wird dabei immer wieder an ihrer Seite sein: Reeti. Ein Roboter, der aussieht wie eine Mischung aus Marshmellow, der Comicfigur Shrek und einer großen, weißen Kaffeekanne. Der Roboter wurde entwickelt, um mit den Menschen zu kommunizieren. In seinen weißen, runden Augen, die er wie ein Chamäleon unabhängig voneinander bewegen kann, sind zwei Kameras eingebaut. Er kann sprechen und den Mund bewegen. Mit seiner Mimik kann er Gefühle ausdrücken. Es braucht nur einen Klick am Computer und Reeti senkt die Augenlider und den Kopf leicht. Er ist traurig. Ein weiterer Klick. Die Augen öffnen sich und die Mundwinkel gehen nach oben. Er ist glücklich. Diese Fähigkeit, Gefühle auszudrücken, qualifizieren ihn auch für die Arbeit mit autistischen Menschen. Sie können sehen, wie ein Gesicht Gefühle ausdrückt. Immer und immer wieder kann Reeti lächeln oder traurig sein.

Trotz allen Fortschritts, der Roboter ist und bleibt eine Maschine. Er macht nur, was einprogrammiert wurde. Das stellt die Forschung derzeit vor große Hürden. „Noch kann ein Roboter nicht unterscheiden, ob ein Mensch auf dem Boden liegt, weil er Yoga macht oder weil er aus dem Bett gefallen ist“, sagt Lugrin. Auch die Frage wie stark so eine Maschine sein darf, ist noch nicht beantwortet. Doch glaubt man der Medieninformatikerin, ist das nur noch eine Frage der Zeit. Dann gehören Roboter, die die Flure in Altersheimen entlang patrouillieren und den Bewohnern Getränke anbieten zum Establishment. Ein Zukunftsbild, dass Kritiker alarmiert aufschreien lässt. Diese Maschinen vernichten Arbeitsplätze, ist einer der vielen Vorwürfe, denen sich Lugrin und ihre Forscherkollegen stellen müssen. „Die Maschinen sollen die Mitarbeiter nicht ersetzen, sie sollen sie entlasten“, sagt sie.

Angesichts einer Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zur Pflegesituation im Jahr 2030 wird deutlich, wie wichtig solche Ansätze sind. Die Zahl der Beschäftigten im Pflegebereich werde demografiebedingt von derzeit zirka 890 000 Menschen auf rund 630 000 im Jahr 2030 zurückgehen. Zugleich steigt die Zahl der Pflegebedürftigen von rund 2,4 Millionen auf rund 3,4 Millionen im Jahr 2030. „Das Personal ist schon jetzt überlastet. Durch Roboter können ein paar Aufgaben abgenommen und die Zeit, die das menschliche Pflegepersonal mit den Leuten verbringt, kann qualitativ besser gestaltet werden“, sagt Lugrin. Senioren, die von Robotern verpflegt und unterhalten werden – für viele ist diese Vorstellung das Sinnbild dafür, dass die Alten in unserer Gesellschaft endgültig auf das Abstellgleis gestellt werden. Sicherlich seien zwischenmenschliche Beziehung zu Altersgenossen, zu Freunden und Familie wichtig und sie sollten durch die Maschinen keinesfalls ersetzt werden, so Lugrin. Aber: „Die meisten älteren Leute haben doch gar nicht die Wahl, ob sie ihre Enkel um sich rum haben.

“ Ein Roboter als Alternative gegen die Einsamkeit? Dabei haben die Maschinen noch einen entscheidenden Vorteil: Sie können, je nachdem wie sie programmiert werden, verschiedene Sprachen sprechen und auf verschiedene kulturelle Hintergründe zurückgreifen.

Doch die Roboter können die Menschen nicht nur im Heim unterstützen, sie können ihnen auch in den eigenen vier Wänden helfen. Viele Menschen kommen ins Heim, weil sie altersbedingt Dinge vergessen: Tabletten nehmen, trinken oder Arzttermine. Ein Roboter könnte sie an all das erinnern, sagt Lugrin. „So könnten alte Menschen länger ein selbstbestimmtes Leben führen.“

Birgit Lugrin

Seit dem Sommersemester 2015 hat die §4-jährige die Professur für Medieninformatik am Institut für Informatik inne. Zuvor war Lugrin akademische Rätin an der Universität Augsburg.

Birgit Lugrin studierte Informatik und Multimedia an der Universität Augsburg und promovierte anschließend zu dem Thema „Cultural Diversity for Virtual Characters”, wofür sie den IFAAMAS-12 Victor Lesser Distinguished Dissertation Award sowie den Wissenschaftspreis der Universität Augsburg erhielt.

Ihre Forschung ist interdisziplinär ausgerichtet und kann unter dem Titel „Designing for Diversity“ zusammengefasst werden. Dabei befasst sich Lugrin mit modernen technischen Schnittstellen, wie z.B. virtuellen Agenten, humanoiden Robotern oder mobilen Anwendungen, welche auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten verschiedener Benutzergruppen zugeschnitten sind.

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  • H. S.
    ...wird dann durch einen Heizdraht im Plastikbody ersetzt traurig.
    ..... und endlich bekommt das Tamagochi einen ihm zustehenden Platz in der menschlichen Gesellschaft, da er bisher nur überflüssiges Plastikviechlein war.
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